ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch in Gummersbach am 11. April 2020

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Dieses Jahr gibt es keinen Ostermarsch, auch keine Abschlusskundgebung auf dem Lindenplatz. Ein kleines Virus hat den Menschen gezeigt, wie verletzlich sie sind, wie labil unsere Wirtschaft und unsere Zivilisation sind. Es hat auch gezeigt, welche Folgen es hat, wenn wirklich wichtige Berufe und Einrichtungen wie das Gesundheitswesen dem Diktat der Wirtschaftlichkeit unterworfen werden und wenn bei den öffentlichen Ausgaben falsche Prioritäten gesetzt werden. Mehr und mehr Menschen wird klar, dass eine Pandemie nicht vom „Markt“ besiegt werden kann, dass Solidarität wichtiger sein muss als Profit. Und auch, dass die Regierungen mehr in Ausgaben für die Gemeinschaft investieren müssen. Leider ist das noch nicht bei allen angekommen: Die NATO-Außenminister haben am 2. April miteinander geredet. Es ging auch um die Pandemie. Aber was ist der NATO besonders wichtig? Die Rüstungsausgaben müssen weiter steigen! Noch weiß niemand, wie die Kosten der Pandemie zu stemmen sind, überall werden die Defizite im Gesundheitswesen deutlich, aber die NATO will auf jeden Fall mehr Geld für Waffen!

Angeblich will die NATO auch bei der Pandemie-Bekämpfung helfen. Doch nicht etwa, indem sie ihre für Kriegszeiten gehorteten Schutzausrüstungen den Gesundheitssystemen zur Verfügung stellt - nein, sie will ihre "eingespielten Mechanismen" bei der Beschaffung von Material zur Verfügung stellen. Wer sich an die Beschaffungs-Skandale bei der Bundeswehr erinnert, kann das nur als Drohung auffassen.

Dann gibt es noch etwas, wo die NATO eingreifen will: Sie will gegen Desinformationen in der Corona-Krise vorgehen. Bisher ist US-Präsident Trump aber noch nicht verhaftet worden...

Also: kein Ostermarsch 2020. Dabei wäre es in diesem Jahr wieder einmal besonders wichtig gewesen. Hier in Gummersbach haben wir einen besonderen Anlass, denn heute auf den Tag genau vor 75 Jahren, am 11. April 1945, war für Gummersbach ein bedeutender Tag: Der zweite Weltkrieg war für unsere Stadt mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen zu Ende. Zum Glück gab es keine Gefechte im Ort, die Stadt hatte sich ergeben. Von diesem Tag muss also als erstes der Appell ausgehen: NIE WIEDER FASCHISMUS! NIE WIEDER KRIEG!

Doch heute stehen die Zeichen in Europa wieder auf Aufrüstung, Militarisierung und gefährliche Konfrontation. In dem für April und Mai geplanten Manöver "DEFENDER 2020" wollten 37.000 NATO-Soldaten den Krieg gegen Russland üben. Und viele führende Politiker*innen in Europa, vor allem in Deutschland und Frankreich, wollen zusätzlich eine eigene Aufrüstung der EU und eine EU-Armee, die weltweit „Verantwortung“ zeigen soll. „Verantwortung“ bedeutet in diesem Zusammenhang verantwortungslose Militäreinsätze, die viele Menschen das Leben kosten und keine Konflikte lösen, sondern ein politisches Desaster hinterlassen. Dabei sollte man nicht vergessen: Frankreich verfügt über Atomwaffen und liegt von der Anzahl der aktiven Sprengköpfe her direkt hinter den USA und Russland! Und schon ist die Rede von einer nuklearen Zusammenarbeit in Europa – also von einer EU als Atommacht!

All das bedeutet das Gegenteil von verantwortlichem Handeln: verantwortungslose Verschwendung von Milliarden, verantwortungslose Militarisierung des Denkens, verantwortungslose Abschottung gegen die, auf deren Ausbeutung sich unser Wohlstand gründet.

Die Kampagne für die Abschaffung der Atomwaffen ist seit über 60 Jahren das Anliegen der Ostermärsche, die seit den 80er Jahren auch im Oberbergischen stattfinden. Bis 1987 waren auch bei uns – in Marienheide und in Waldbröl – Atomraketen stationiert. Gegen diese tödliche Gefahr gab es in ganz Europa massive Proteste der Friedensbewegung, die mit dazu beigetragen haben, dass auf der Grundlage des INF-Vertrags rund 2700 atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen verschrottet wurden. Dieser Vertrag wurde im vergangenen Jahr gekündigt, jetzt droht ein Rückfall in die Zeit des atomaren Wettrüstens. Die in unserer Nähe (in Büchel in der Eifel) stationierten Atomwaffen sollen „modernisiert“ werden, von den USA und Russland werden neue, superpräzise und hyperschnelle Raketen entwickelt, „Mini-Nukes“ (vergleichsweise kleine Atomwaffen) setzen die Einsatzschwelle herunter.

Wir fordern den Abzug der Atomwaffen aus Büchel! Wir wollen ein atomwaffenfreies Deutschland, ein atomwaffenfreies Europa, eine atomwaffenfreie Welt!

Nicht nur die Rüstung mit Atomwaffen ist ein weltweites Problem. Deutschland ist seit langem einer der führenden Meister des Todes, einer der führenden Waffenexporteure. 2019 haben die Waffenexporte eine neue Rekordhöhe erreicht. Mit dem Tod wurden mehr Geschäfte gemacht als jemals zuvor. Bundeswirtschaftsminister Altmeier jammerte über eine „Hängepartie bei der Regierungsbildung 2017“, die zu einem „Entscheidungsstau“ geführt hätte. Jetzt wird geliefert: An Ägypten und Saudi-Arabien, die am blutgen Krieg im Jemen beteiligt sind, aber auch an das autoritäre Orban-Regime in Ungarn.

Wir fordern ein Ende aller Waffenexporte aus Deutschland und ein Ende der Rüstungsproduktion!

Im Jahr 2019 hat sich gezeigt, dass die massiven Probleme, die der gesamten Menschheit durch den von der hemmungslosen Industrialisierung verursachten Klimawandel drohen, immer stärker ins Bewusstsein gerade der jüngeren Leute rücken. Eine nur an Wachstum und kurzfristigem Profit orientierte Wirtschaft hat zu einer Situation geführt, in der die Zukunft der jungen Generation gefährdet ist. Eine Abmilderung der Folgen des Klimawandels ist nur möglich, wenn die Menschen weltweit gemeinsam daran arbeiten. Auch hier wird deutlich, dass es wichtigere Probleme gibt als Feindbilder zu pflegen und die Profite der Rüstungsindustrie zu sichern. Der Klimawandel erzeugt Konflikte um Ressourcen, um landwirtschaftlich nutzbare Flächen und um bewohnbare Küstenregionen: dadurch erhöht sich die Kriegsgefahr. Deutschland steigert den Militäretat 2020 auf über 45 Milliarden Euro, während der Umweltetat nur knapp 3 Milliarden Euro umfasst. Das Geld, das für Rüstung und Krieg ausgegeben wird, fehlt beim Kampf für mehr Klimagerechtigkeit.

Stoppt Rüstung und Krieg - rettet das Leben auf der Erde!

Wir brauchen das Geld zum Aufbau einer Welt, in der alle Menschen ohne Hunger und Not leben können, sowie für Bildung und Wohnen, Gesundheit, eine bessere Alters- und Krankenversorgung und eine intakte Umwelt.

Wir treten für faire Wirtschaftsbeziehungen mit allen Ländern ein, damit niemand zur Flucht gezwungen wird, um die eigene Existenz zu retten.

 

Gerhard Jenders ist aktiv bei der FI Gummersbach.

 

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