Redebeitrag für die Ostermarsch-Mahnwache Jagel am 10. April 2020

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnnen und Freunde,

Vor 60 Jahren wollten wir informieren – aufrütteln – zum Widerstand aufrufen und heute?  Erneut sehen wir die Notwendigkeit, unseren Protest auf die Straße zu tragen.

Für die meisten Menschen scheint die Atomkriegsgefahr überwunden. Hiroshima und Nagasaki mit ihren Zigtausenden von Opfern sind fast vergessen. Deutschland ist doch keine Atommacht!

Wir leben in einer Demokratie! Unsere  Regierung würde einer atomaren Kriegführung niemals zustimmen!

Die Fakten aber sprechen eine andere Sprache. Dazu vier Belege.

1. Im Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern 20 einsatzbereite US-Atomraketen – jede mit bis zur 13fachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe.

Ihr Einsatz wird von der Bundeswehr geprobt und im Ernstfall von militärischen Schaltstellen wie EUCOM im Rahmen der sog. NATO Verteidigungsstrategie verfügt.

Neue Tornados sollen eingesetzt werden, um die Massenvernichtungswaffen schneller und zuverlässiger ans Ziel bringen zu können. Und eine neue Generation von Atombomben soll folgen, die für gezielte und daher niedrigschwellige Einsätze besonders geeignet sein sollen. Die Hürde für deren Einsatz ist  weniger hoch, ihre Anwendung in realen oder vermeintlichen Bedrohungslagen daher wahrscheinlicher. Ein Weiterbetrieb der Lagerstätte soll uns Steuerzahlern in den nächsten 10 Jahren 13 Milliarden Euro kosten.

Menschen, die gewaltfrei gegen die Bereithaltung diese/r Waffen auf deutschem Boden protestieren (unsere Tochter Katja und unsere Enkelin Clara gehören dazu) werden von den Gerichten wegen Nötigung und

Hausfriedensbruchs zu spürbaren Geldstrafen verurteilt ...und gehen dafür auch ins Gefängnis – in unserem vielgelobten Rechtsstaat.

Eine deutliche Mehrheit, nämlich mehr als 60 % , der Deutschen lehnt eine atomare Bewaffnung und jegliche entsprechende Nachrüstung ab, und zwar über alle Parteigrenzen hinweg.

112 Staaten haben seit 2017 das Internationale Atomwaffenverbot unterzeichnet – Die Bundesrepublik jedoch boykottiert diese wegweisende Übereinkunft mit fadenscheinigen Begründungen. Dabei wäre diese womöglich entscheidend angesichts der Aufkündigung des INF-Vertrages durch die USA und Russland.

Mit Fortführung der Lagerung in Büchel verstößt sie außerdem gegen einen Mehrheitsbeschluss des Bundestages aus 2010.

Weiterhin besteht die deutsche Regierung auf der sog.Nuklearen Teilhabe. Die Gefahr eines Atomkrieges ist heute größer als noch vor wenigen Jahren. Weltweit lagern mehr als 13 000 Atomsprengköpfe - einsatzbereit. Die Atomkriegs Uhr zeigt auf 100 Sekunden bis zu einem möglichen Kriegsausbruch. Das macht uns besorgt, besorgt, ja, und auch zornig.

Wir protestieren  auf schärfste gegen die Nukleare Teilhabe Deutschlands – wie vor 60 Jahren sagen wir NEIN zu jeglicher Lagerung von Atomwaffen auf deutschem Boden.

Aber neben Büchel gibt es andere Gefahrenquellen des „atomaren Deutschlands“, wie ICAN es nennt.

2. Da gibt es den Forschungsreaktor in Garching bei München – einer der ganz wenigen weltweit, die noch immer mit atomwaffenfähigem hoch angereichertem Uran arbeiten. Alle international angeordneten und bereits zugesagten betrieblichen Umrüstungen auf weniger gefährliches Uran blieben bisher aus. Aus Russland bezieht Garching weiterhin waffenfähiges Spaltmaterial und produziert zusätzlichen radioaktiven Abfall. Atomare Abrüstung, der sich Deutschland eigentlich entsprechend verbaler Beteuerungen verpflichtet fühlt, sieht anders aus.

Wir fordern ein Ende der Forschungsarbeiten mit atomwaffenfähigem Uran – jetzt!

3. Deutsche Geldinstitute, allen voran die Deutsche Bank, finanzieren weltweit das nukleare Wettrüsten. Von den 20 Atomwaffenproduzenten weltweit werden 18  durch Geld aus Deutschland unterstützt. Großbanken, aber auch Volks- und Raiffeisenbanken investieren Milliarden in diese Firmen. Sie setzen sich damit über das klare Votum von 72 % der Bankkunden hinweg,die solche Investitionen inakzeptabel finden. Wir alle, die wir Geld bei Banken und Sparkassen deponieren, sind  Teil dieses möglicherweise todbringenden Geschäfts.

Wir setzen dagegen: Nicht mit unserem Geld – und fordern Investitionen zugunsten ziviler Vorhaben

4. Und schließlich die Uran-Anreicherungsanlage Gronau in Westfalen. Hier könnte in wenigen Wochen genug Uran angereichert werden, um daraus eine deutsche Atombombe zu bauen. Die dafür nötigen Zentrifugen stehen in Jülich bereit. Was im Iran durch internationale Vereinbarungen strikt unterbunden werden sollte, ist in Deutschland jederzeit möglich – auch wenn eine solche Entwicklung zur Zeit noch? unmöglich erscheint.

Gronau versorgt den Weltmarkt für angereichertes Uran  zu fast einem Zehntel.  Das atomare Deutschland ist Zulieferer für die weltweite Atomwaffenproduktion.

Dies alles geschieht nicht in unserem Namen. Wir rufen auf zum Widerstand – entschlossen – mutig und mit langem Atem – wie bereits 1960!

Wenn wir nicht aufstehen, heute - könnte sich wiederholen, was Erich Fried  in einem Sechszeiler so ausdrückt:

Dann wieder
Was keiner geglaubt haben wird
was keiner gewusst haben konnte
was keiner geahnt haben durfte -
das wird dann wieder
das gewesen sein
was keiner gewollt haben wollte.