Ungehaltenes Grußwort für den geplanten Ostermarsch in Limburg am 11. April 2020

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Frieden, Abrüstung und internationale Verständigung, diese Forderungen sind 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung von Faschismus aktueller denn je. Überall auf der Erde sind Nationalisten im Aufwind, stehen Männer an der Spitze von Staaten, die mit ihrer Politik auf Ausgrenzung von Minderheiten setzen, das Wohl ihres eigenen Staates unverhohlen und rücksichtslos auf Platz 1 ihrer Agenda setzen, politischen Widerstand unterdrücken und in ihrem Vokabular ständig auf kriegerische Begriffe setzen.

Friedensbewegung und Ostermarsch, um die Ziele der Bewegung und Missstände mit boomenden Waffenverkäufen öffentlich in Erinnerung zu rufen, sind also drängender denn je. Und nun: Kein Ostermarsch und damit keine Friedensbewegung, die auf die Straße geht. Das Coronavirus und die damit verbundenen Maßnahmen, um eine schnelle Ausbreitung zu verhindern, setzen an Ostern 2020 allen geplanten Aktivitäten ein Ende.

Das Virus hält die Welt in Atem. Das zeigt zum einen sehr eindrücklich, wie wir auf dieser Erdkugel miteinander verbunden sind. Global eng verzahnt durch unsere gelebte Internationalität. Wir sind als Erdbevölkerung quasi alle betroffen. Zum anderen wird aber auch deutlich, wie jeder Staat meist einzeln seine Lösungen sucht und die Inter-Nationalität schnell zur Nationalität und leider auch zum Nationalismus werden.

Ich kann nur hoffen, dass sich die Signale von diesem ausgefallenen Ostermarsch und die Forderung nach einer friedenspolitischen Wende in den internationalen Beziehungen mit Hilfe der digitalen Kanäle weit verbreiten und aufgenommen werden. Es sind Forderungen, die wichtige Impulse für unser Miteinander auf der Erde setzen und verdeutlichen, dass internationale Friedenspolitik bei uns zu Hause beginnt: mit Bildungsgerechtigkeit und mit Alterssicherung, mit sozialem Wohnungsbau, mit einer wirklichen Entwicklungshilfe ohne Vorrang der Eigeninteressen, mit Klimaschutz und mit Solidarität.

Wir haben derzeit jeden Tag Gelegenheit, Solidarität in direkter Nachbarschaft zu leben. Und vielleicht wächst aus der Krisenerfahrung dieser Tage auch die Erkenntnis, dass die Solidarität nicht auf der anderen Straßenseite aufhören darf, sondern internationalen Charakter benötigt: für besseres Klima, eine gerechtere Welt und für Frieden und Abrüstung.  

 

Dr. Marius Hahn ist Bürgermeister von Limburg.

 

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