ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch Rügen in Sassnitz am 11. April 2020

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Ordnerbinden liegen bereit, der mobile Verstärker ist geladen und einsatzklar. Nur, wir dürfen nicht ein gemeinsames Zeichen setzen zum Thema Frieden.

Klar, vielleicht ist gerade das ein gemeinsames Zeichen, dass wir uns an die Regeln halten, die hastig und um des Schutzes vieler Menschen willen aufgestellt wurden.  Dennoch ist es wichtig, andere Themen nicht aus dem Auge zu verlieren, andere Gefährdungen einer guten Zukunft nicht im Verborgenen wachsen zu lassen, die eines Tages ihre Blüten treiben könnten. Die Aushebelung des demokratischen Diskures, ja das Abschaffen demokratischer Grundregeln kann schnell zum Missbrauch verleiten und wir sehen in Ungarn, dass diejenigen, die sowieso gerne autokratisch regieren möchten, die Gunst der Stunde nutzen, sich mit noch mehr Macht auszustatten.

Am Ende einer Weltwirtschaftskrise vor bald 100 Jahren, deren frühe Anzeichen vielleicht schon die Verunsicherung durch die sogenannte Spanische Grippe mit sich gebracht hatte, gab es einen, der meinte die Dinge wieder ins Lot bringen zu können und er bekam Zulauf, bekam Macht, ließ sie nicht wieder los und führte unser Land und einen großen Teil der restlichen Welt in ein Chaos, das beispiellos war. Nein, der demokratische Prozess darf nicht dauerhaft ausgehebelt werden, sonst droht Diktatur und damit Unrecht und Not.

Vor wenigen Wochen hörte ich einen Menschen, der eigentlich alt genug sein müsste um sich an das Chaos nach dem zweiten Weltkrieg zu erinnern, wie er davon sprach, dass eine Diktatur wie in China ja wohl besser funktioniert, als die demokratischen Länder der Welt. Man sieht ja, wie schnell die das Problem mit dem Virus gelöst haben. Mir wurde angst und bange, denn sollte sein Gedankengut um sich greifen, (und ich glaube, dass viele Menschen heute schon so denken), wäre unser anstrengender demokratischer Weg in Gefahr und damit wäre Tür und Tor geöffnet für eine neue Phase großen Machtmissbrauchs, großen Unrechts und dann sicher auch neuer und großer Kriege.

Das darf nicht geschehen.  Darum kommen wir (virtuell) zusammen, um zu mahnen . Das empfindliche Pflänzchen Frieden muss weiter wachsen dürfen, darf nicht beschnitten werden, muss gehegt und gepflegt werden und dazu gehört eben, dass miteinander gesprochen, gestritten, diskutiert wird über den guten Weg in die Zukunft. Ja, wir wollen den Frieden erhalten, wollen den Konsens suchen, wollen streiten mit Worten um den Streit mit Waffen zu verhindern. Und dann, dann wird es hoffentlich einmal politischer Konsens, dass wir nicht nur mit Worten vom Frieden reden, sondern mit Taten den Frieden bauen, z.B. mit einer Umstrukturierung der Rüstungsindustrie oder mit einer humanitären Hilfe für gestrandete Menschen in Griechenland und anderswo. Wir können, wenn wir wollen, man sehe nur die Milliarden, die frei gemacht werden, um der Wirtschaft zu helfen. Sollten da nicht auch ein paar Milliarden dauerhaft zur Verfügung stehen, um Menschen zu helfen, die in Not sind? Wir können, wenn wir wollen. Ich jedenfalls will,  dass Artikel 1 des Grundgesetzes gültig bleibt für jeden Menschen.  Nur so kann auch Frieden bleiben und werden in unserer Welt.

Danke für die Aufmerksamkeit 

 

Peter Nieber ist Pastor in Sassnitz.

 

[Archiv der ungehaltene Reden]
[zurück zum virtuell Ostermarsch]