ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch in Limburg am 11. April 2020

 

[Video siehe hier]

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

#stayhome ist aktuell ein weit verbreiteter Hashtag. Doch was ist, wenn du kein Zuhause hast, in dem du bleiben kannst? Was ist, wenn du zu den Menschen gehörst, die durch Wohnungslosigkeit, durch Krieg, durch Hunger, durch Flucht betroffen sind?

Am heutigen Ostermarsch, der dieses Jahr auf Grund der Kontaktbeschränkungen nur durch die Presse und die Sozialen Netzwerke marschieren darf, ist es mir als Kreisvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes wichtig, dass wir genau an diese Menschen denken und uns bewusst werden, wie viele Todesoper die bewaffneten Konflikte in der Welt kosten. Kriege des 21. Jahrhunderts haben in Afghanistan rund zwei Millionen Menschen das Leben gekostet, im Irak rund eine Million, in Syrien und Somalia gab es bislang je eine halbe Million Todesopfer, in Jemen geht die Opferzahl Richtung 100.000 Menschen. Seit der Jahrtausendwende starben rund fünf Millionen Menschen in 18 großen Konflikten auf 5 Kontinenten. Doch nicht nur bewaffnete Konflikte kosten Menschenleben. Weltweit sterben jedes Jahr mehr als eine Viertelmillion Zivilistinnen und Zivilisten außerhalb von bewaffneten Konflikten an den Folgen von Schusswaffenverletzungen. Laut einer Studie des amerikanischen Forschungsinstituts "Institute for Health Metrics and Evaluation" sind in den letzten Jahrzehnten mehr Zivilisten durch Schusswaffen getötet worden als durch militärische Konflikte oder terroristische Anschläge. Das ist eine erschreckende Zahl! Und mitverantwortlich sind nicht nur die fahrlässigen Waffengesetze weltweit, sondern auch die Rüstungsindustrie und deren Exportländer, die den Nährboden für diese Taten bereiten. Auch in Deutschland verzeichneten wir in den letzten Jahren zunehmend mehrere Anschläge mit Schusswaffen, jüngst auch der furchtbare rassistische Anschlag in Hanau.

Waffen sind zum Töten da! Wer Waffen produziert und exportiert, dem ist dies bewusst. Wenn aber doch kein Produzent oder kein Land beim Rüstungsexport zu 100 % garantieren kann, dass die Waffen nicht, wie uns oft suggeriert zur Selbstverteidigung sondern zum Töten missbraucht wird, dass sie gestohlen oder illegal weiterverkauft werden können, wie kann es dann sein, dass solche totbringenden Güter so fahrlässig in die Welt gestreut werden dürfen und keiner am Ende weiß, wo diese nach der Auslieferung wirklich landen? USA, Russland, Frankreich, Deutschland und China kommen laut der jüngsten Studie des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri für 75 Prozent aller Waffenexporte weltweit auf. 2020 werden die deutschen Rüstungsausgaben ein Rekordhoch mit 50 Milliarden Euro erzielen. Damit erfährt der Rüstungshaushalt die höchste Steigerungsrate von allen Ausgaben des Bundes - nicht Bildung, nicht Gesundheitsversorgung sondern Aufrüstung ist das, wo am meisten neu investiert wird. Das können wir und wollen wir als Friedensbewegung nicht hinnehmen!

Das Geschäft mit den Waffen und dem Tod muss endlich ein Ende haben! Deutschland muss eine Vorbildfunktion bei der Abrüstung und auch beim Verbot von Waffenexporten einnehmen und seinen Schwerpunkt, auch im Hinblick auf die Vergangenheit mit zwei Weltkriegen, auf den gewaltfreien diplomatischen Weg zum Frieden setzen. Mir ist als Vorsitzende des DGB Limburg-Weilburg bewusst, wieviel Arbeitsplätze hinter der Rüstungsindustrie stecken. Aber als Gewerkschafterin setze ich mich für gute Arbeit und für die internationale Solidarität aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern ein und Waffen zu produzieren, die unseren Kolleginnen und Kollegen weltweit das Leben kosten können, ist weder gute Arbeit noch ist sie solidarisch, deshalb braucht es ein umrüsten statt wettrüsten und neue Einsatzmöglichkeiten für die Beschäftigten der Rüstungsindustrie. Wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten Brücken bauen für den Frieden, statt Manöver für den Krieg! Dafür setze ich mich am heutigen Ostermarsch ein!

Vielen Dank und hoch die internationale Solidarität!

 

Viktoria Spiegelberg-Kamens ist DGB-Kreisvorsitzenden Linburg-Weilburg.

 

[Archiv der ungehaltene Reden]
[zurück zum virtuell Ostermarsch]