Redebeitrag für die Antikriegstagveranstaltung am 1. September 2020 in Aalen

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Es ist Dienstag, 1. September, kurz nach 17 Uhr, ein eher nasskalter und verregneter Spätnachmittag.

Meteorologisch beginnt heute der Herbst, aber deswegen sind wir nicht zusammengekommen, sondern wir haben uns mitten in dieser Stadt versammelt, weil der heutige 1. September auch noch 81 Jahre nach Kriegsbeginn ein rabenschwarzes Datum in unserer deutschen Geschichte bleibt.

Am 1.September 1939 fiel Nazi-Deutschland in Polen ein und begann damit den Zweiten Weltkrieg, der Leid und Zerstörung brachte, und millionenfach Menschenleben auslöschte.

Und von daher gehört zu diesem Tag auch das Gedenken an all die, die in diesem schrecklichen Krieg ihr Leben lassen mussten:

An die 65 Millionen Menschen insgesamt, davon mehr als die Hälfte aus der Zivilbevölkerung,

  • an über sechs Millionen Deutsche,
  • an sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens,
  • an über 20 000 Sinti und Romas,
  • an mehrere Tausende Sozialdemokraten, Kommunisten und viele andere, die Widerstand leisteten, dazu 200 000 behinderte Menschen. Auch das sogenannte Euthanasie-Programm der Nazis lässt einen bis heute schaudern.

Dazu unzählige traumatisierte Menschen, zerschmetterte Leiber, zerschmetterte Seelen, Soldaten, Männer, Frauen und Kinder. Und auch nachkommende Generationen, die die Wunden fühlen, vielleicht sogar bis zum heutigen Tag.

Haben wir nicht auch gerade aktuell die Bilder vor Augen, die wieder um die Welt gingen, in Erinnerung an den ersten Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki vor 75 Jahren? An das, was diese Sprengkraft anrichtet, bis in die Gegenwart.

Und wenn ich dann lese, dass es weltweit immer noch 13 000 atomare Sprengköpfe, auch in unserem Land in Büchel, dann sind das 13 000 Sprengköpfe zu viel. So wird unsere Welt nicht friedlicher. Und wenn wir heute
in Erinnerung an die Grauen der beiden Weltkriege übereinstimmend feststellen, dass so etwas nie wieder passieren darf, dann gehört dazu auch die Mahnung, ein dauerhafter Frieden nur mit weniger Waffen gesichert werden kann, und nicht durch ein stetes Auf- und Wettrüsten.

„Nie wieder Krieg! In die Zukunft investieren statt aufrüsten“- ist daher sinnigerweise das Motto des diesjährigen Antikriegstages.

Wir haben in diesem Jahr am 8. Mai für 75 Jahre Frieden in unserem Land gedankt. Wir haben in dieser Zeit viel erreicht. Aber klar ist auch: wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Für Frieden muss jeden Tag neugekämpft, für eine friedlichere Welt muss jeden Tag neu gerungen werden!

Und wir wissen- dass wir auch auf der Hut sein müssen- heute vor einer Woche haben wir uns ein paar Meter weiter von hier versammelt- als Gegenkundgebung zu der AFD. Und während bei der AFD ungefähr 12 bis 15 Zuhörer waren, haben wir in kürzester Zeit über hundert mobilisieren können. Ich fand das ein großartige Zeichen, wie die demokratischen Kräfte in dieser Stadt zusammenstehen.

Wir dürfen den Rechtspopulisten das Feld nicht überlassen. Was da an menschenverachtenden und Hass schürenden Parolen ausgesprochen wurde, ist unerträglich.

Genauso wie es untertäglich ist, wenn Coronagegner unbeschwert oder gleichgültig mit Rassisten und Rechtspoplisten zusammen demonstrieren wie in Berlin am Samstag. Das Recht auf Versammlungsfreiheit und auf Demonstration ist ein wichtiges Grundrecht, auch wenn mir da manches nicht passt, gegen was da demonstriert wird. Aber jeder, der dort hingeht muss sich schon auch fragen lassen, wer da neben, vor. Oder hinter ihm läuft mit Reichsflaggen oder Nazi-Symbolen.

Ich fordere alle, die meinen, gegen CoronaRegeln auf die Strasse gehen zu müssen, auf, sich von Rechtspopulisten, Rassisten, Neo- Nazis und Reichsbürgern klar und deutlich zu distanzieren.

Und wenn es den drei mutigen Polizisten am Samstag gelungen ist, den Sturm auf den Reichstag zu verhindern, so ist deshalb keinesfalls Entwarnung angesagt:

Denn in Wahrheit ist der braune Mop ja schonlängst in den Reichstag eingedrungen, und sitzt in Fraktionsstärke im Bundestag. Wir dürfen deshalb nicht müde werden, als Demokraten immer wieder neu zusammenzustehen
und einzutreten für Frieden und Versöhnung, gegen jegliche Form von Hass und Ausgrenzung. Dem braunen Sumpf setzen wir ein deutliches Zeichen dagegen.

Den heutigen Tag verdanken wir dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der 1957 diesen 1. September zum Antikriegstag ausgerufen hat. Darum bin ich froh, dass Josef Mischko da ist, ein wichtiges Gesicht der Gewerkschaftsbewegung in der Region. Er wird gleich die richtige Tonlage finden, die an diesem Tag angemessen ist.

Ich danke Euch, dass Ihr alle da seid. Ich sehe.

Frieden war, ist und bleibt ein zerbrechliches Gut.

Lasst uns deshalb heute und auch in Zukunft dafür einstehen, dass Frieden bewahrt und Versöhnung gelebt wird.

Lasst uns stets dafür eintreten, dass Grundrechte und Menschenrechte nicht mit Füßen getreten werden.

Unser Zusammensein hier am Marktbrunnen ist dafür ein klares Zeichen.

Mit Herzblut und Leidenschaft, damit es uns nicht fröstelt, klimatisch nicht, und politisch erst recht nicht!

Danke für Eure Aufmerksamkeit!

 

Bernhard Richter ist Ev. Pfarrer der Stadtkirche Aalen.