Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2021 in Augsburg

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

am 1. September 1939 begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg, dem von Nazideutschland angezettelten schlimmsten Vernichtungskrieg in der Geschichte der Menschheit. Seit den 1950er Jahren ist deshalb der 1. September als Antikriegstag ein Gedenktag. Es gibt es noch einen weiteren Jahrestag. Am 22. Juni 1941, also vor 80 Jahren, begann mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion ein Vernichtungskrieg mit unvorstellbarem Ausmaß. Mit 26 Millionen Toten, darunter 15 Millionen Zivilisten, hat die Sowjetunion die meisten Toten des Zweiten Weltkrieges zu beklagen. Auf ihrem Rückzug praktizierte die Wehrmacht die Taktik der verbrannten Erde. Heinrich Himmler hat am 7. September 1943 angewiesen, „daß bei der Räumung von Gebietsteilen [im Osten] kein Mensch, kein Vieh, kein Zentner Getreide, keine Eisenbahnschiene zurückbleiben; daß kein Haus stehen bleibt, kein Bergwerk vorhanden ist, das nicht für Jahre gestört ist, kein Brunnen vorhanden ist, der nicht vergiftet ist. Der Gegner muß wirklich ein total verbranntes und zerstörtes Land vorfinden.“ Dies geschah dann auch.

Mir ist kein westdeutscher Staatsmann bekannt, der sich je bei der Sowjetunion oder Russland für diese Verbrechen entschuldigt hat. Stattdessen wurde nie aufgehört das Feindbild Russland zu schüren und es wird jetzt wieder verstärkt beschworen. Mit dem Feindbild Russland fällt es leicht, den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion zu verdrängen und die Verbrechen zu leugnen. Mit dem Feindbild Russland kann man die Aufrüstung der Bundeswehr begründen. Mit dem Feindbild soll ausgedrückt werden, dass man auf der Seite der Guten steht.

Große Kriege werden nicht nur mit Aufrüstung und Strategieplanungen vorbereitet. Sie werden auch durch propagandistische „Kriegsgründe“ und Kriegshetze medial in Szene gesetzt, um die anschließende Aggression zu legitimieren.

Wir sagen: Frieden in Europa ist nicht gegen, sondern nur mit Russland möglich. Wir fordern statt Aufrüstung eine Abrüstung der Bundeswehr und statt neuer Feindbilder eine neue Entspannungspolitik. Deshalb stehen wir hier.

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
Nach Zählungen der afghanischen und der US-Regierung sowie der UNO sind im Afghanistan-Krieg 160.000 zivile Personen seit 2001 ums Leben gekommen. Darüber hinaus wurden 66.000 afghanische Sicherheitskräfte, 4.000 internationale Soldaten und 80.000 Islamisten getötet. (Matin Baraki)

In Anbetracht der Hunderttausenden Toten, den unzähligen Verletzten, den Zerstörungen und dem damit verbundenem Leid für die betroffenen Menschen, treten die propagierten Erfolge des Krieges in den Hintergrund und sind durch nichts zu rechtfertigen.

Die Bilanz des Afghanistan-Krieges ist erschreckend.

  • Neben den Hunderttausenden Toten in Afghanistan wurden unzählige Menschen verletzt und traumatisiert und in Not und Verzweiflung getrieben.
  • Dieser Bundeswehreinsatz hat seit 2001 mehr als 12 Milliarden Euro gekostet. Dies teilte das Auswärtige Amt auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag mit. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (IW schätzt bei einem „realistischen Szenario“ die Kosten der deutschen Beteiligung auf 26–47 Milliarden Euro.
  • Nicht nur, dass die westlichen Staaten nach 20 Jahren Krieg in Afghanistan dort einen wirtschaftlichen und politischen Scherbenhaufen hinterlassen haben. Sie haben dieses Land mit vielen und hochtechnischen Waffen aufgerüstet. Allein zwischen 2013 und 2016 übergab die US-Army den verbündeten afghanischen Streitkräften u.a. rund 80.000 Fahrzeuge sowie mehr als 600.000 leichte Waffen wie M16- und M4-Gewehre und Munition. Deutschland hat seit Anfang 2002 bis heute Rüstungsexporte für 418,8 Millionen Euro nach Afghanistan genehmigt. Letzte Ausfuhrerlaubnisse wurden noch 2021 erteilt. Mit der Übernahme des afghanischen Militärs und deren Waffen wurden die Taliban zur bestgerüsteten Terrorgruppe der Welt. Dies ist ein Beispiel dafür wozu Rüstungsexporte führen und dass niemals kontrolliert werden kann, in wessen Hände sie landen.

Mitverantwortlich sind die Bundesregierungen und die Abgeordneten, die den Kriegseinsatz der Bundeswehr beschlossen und immer wieder verlängert haben. Nun ist deren Verantwortung gefordert, wenn es darum geht, die Menschen, die sie in die Gefahr gebracht haben, zu schützen.

Jetzt zu sagen, dass das von den Besatzungsmächten zerstörte Land von den Afghanen selbst wieder aufgebaut werden soll und die durch das verursachte Chaos ausgelösten Flüchtlingsströme von Europa ferngehalten werden müssen, ist verantwortungslos, um nicht zu sagen, menschenverachtend. Es ist daher die Pflicht, alles zu tun, damit die bedrohten Menschen dort bleiben können oder gerettet und die Flüchtlinge bei uns aufgenommen werden. Auch dafür stehen wir heute hier.

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
der Malieinsatz der Bundeswehr ist ebenso desaströs. Auch dort destabilisiert der Kriegseinsatz eine ganze Region und der Krieg weitet sich auf die Nachbarstaaten im Sahel aus. Menschenechte, Demokratie, Wohlstand und Sicherheit können nicht durch Soldatinnen, Soldaten und Krieg erreicht werden. Vor einem Jahr putschte das Militär in Mali. Die Bundeswehr bildete die Soldaten aus, die die zivile Regierung weggeputscht haben. Wer allerdings geglaubt hat, dass ein Staatsstreich in Mali Einfluss auf den Einsatz der Bundeswehr haben müsste, sieht sich getäuscht. Offenbar spielt es keine Rolle, ob dort Zivilisten oder Militärs die Regierung stellen.(tagesschau 18.08.2021 10:58 Uhr) Was sind die Lehren aus Afghanistan, Mali und der anderen Kriegseinsätze der Bundeswehr? Nicht, dass alle Auslandseinsätze beendet werden sollen. Nein, Politikerinnen und Politiker der CDU/CSU, SPD und Grünen sagen, dass man sich auf die USA nicht mehr verlassen kann und deshalb die Bundeswehr und Europa aufgerüstet werden müssen, um auch ohne die USA Kriege führen zu können. Wir fragen uns, lernen denn diese Politikerinnen und Politiker nichts hinzu. Reichen Vietnam, Syrien, Afghanistan immer noch nicht, um zu sehen, dass selbst die mächtigste Militärmacht der Welt, die USA, besiegbar ist. Warum wollen sie den gleichen politischen Irrweg gehen, denn die USA gegangen sind und immer noch gehen? Wir fordern heute am Antikriegstag die Auslandseinsätze der Bundeswehr sofort zu beenden und aufzuhören die Interessen mit Militär und Krieg durchzusetzen. Auch deshalb stehen wir heute hier.

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Kriege sind keine Naturkatastrophen und brechen nicht aus. Kriege werden von Regierungen und Militärs vorbereitet und befohlen. Weil Kriege von Menschen gemacht werden, können sie auch überwunden werden und sie müssen auf dem Müllhaufen der Geschichte landen.

Nur wenn die Mittel zur Kriegsführung, also die Waffen und das Militär, beseitigt sind, dann werden die Mächtigen keine Möglichkeit mehr haben, ihre Interessen militärisch durchzusetzen.

Wählen wir deshalb nur Parteien, die Rüstungsexporte verbieten, Abrüstung fordern, keine Kriegseinsätze der Bundeswehr beschließen und auf Deeskalation statt auf Konfrontation setzen! Nur gemeinsam kann die Menschheit überleben und die enormen Probleme wie Klimawandel, Flucht, Hunger, Armut und soziale Ungerechtigkeit lösen „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!“

Ich danke euch.

 

Klaus Stampfer ist aktiv bei der Augsburger Friedensinitiative (AFI) und DFG-VK Gruppe Augsburg.