Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2022 in Erlangen

 

- Es gilt das gesprochene Wort! -

 

„Hört auf, eure Brüder zu töten. „Es wird keine Gewinner in diesem Krieg geben“.“, das forderte David Gilmour; Sänger von Pink floyd auf seinem Twitter-Kanal im Frühjahr dieses Jahrs anlässlich des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Anwesende,
wir sind heute, am Antikriegstag 2022 hier versammelt um, wie seit -1957 jährlich, am 01. September öffentlich zu demonstrieren:

gegen Krieg,

gegen Faschismus

und für Frieden.

Nie wieder Krieg!“ – das ist und bleibt die Grundüberzeugung des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften.

Aus dieser Überzeugung heraus unterstützen wir die Friedensbewegung mit unserer gewerkschaftlichen Kraft

Jeder Krieg ist ein Angriff auf die Menschlichkeit.

In seinem Aufruf zum Antikriegstag 2022 des DGB weist der Deutsche Gewerkschaftsbund auf den Irrglauben hin, Frieden ließe sich mit Waffen schaffen.

Die Bilanzen der Kriege der vergangenen Jahre und Jahrzehnte zeigen deutlich, dass dem nicht so ist.Mit Krieg kann kein Frieden geschaffen werden. Das ist eine Lektion, wie wir sie z.B. im Konflikt in Afghanistan beobachten konnten.

20 Jahre lang wurde dort versucht mit militärischen Mitteln Frieden und Stabilität ins Land zu tragen. Doch jetzt befindet sich Afghanistan in derselben, bzw. schlimmeren Lage unter der Herrschaft der Taliban, als vor der westlichen Intervention.

Die weltweite Zahl der militärischen Konflikte steigt seit Jahren stetig an, ebenso wie die Zahl der zivilen Opfer und der Flüchtenden, die den Kriegen entkommen und ihr Leben retten wollen.

Nach Zahlen des Verlags des Diplomatic Council kommen Jeden Tag im Schnitt 500 Menschen durch gewalttätige Konflikte ums Leben, das sind 182.000 Kriegstote pro Jahr.

Dabei wird geschätzt, dass für die Zivilbevölkerung seit dem ersten Weltkrieg die Wahrscheinlichkeit, im Laufe eines Kriegs getötet zu werden, heute neunmal höher ist als für Angehörige der kämpfenden Armeen.

Nach Schätzungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuz ist der Anteil an Zivilpersonen in der Gesamtzahl der Opfer im Laufe des 20. Jahrhunderts von 5 % im Ersten Weltkrieg gestiegen auf 90–95 % in den Kriegen, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts stattgefunden haben.

Eine dabei noch wenig beachtete Gruppe von Kriegsopfern sind übrigens die kriegstraumatisierten Erwachsenen und v.a. Kinder mit Spätfolgen, die noch die nachfolgenden Generationen belasten.

Doch die Folgen von Kriegen sind nicht nur die direkten Folgen auf die Menschen durch Gewalt, Hunger, Flucht und Vertreibung.

Zu den langfristigen Folgen gehören neben der Zerstörung der Umwelt auch wirtschaftliche Folgen.

Ein anschauliches und erschreckendes und meines Erachtens fast schon zynisches Beispiel für die wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Pandemien, Kriegen und Klimawandel lieferten übrigens die EN in ihrer Ausgabe vom 04. August dieses Jahrs:
In den EN konnte man auf der gleichen Seite des Wirtschaftsteils Berichte zu folgenden 3 Themen lesen:

  • BMW erwartet einen Rückgang bei der Nachfrage und verspürt Umsatzrückgang
  • bei dem Bezahldienst Paypal fiel der Betriebsgewinn im Vergleich zum Vorjahr um 32%
  • Siemens healthineers verbucht einen Gewinnrückgang um 8% weniger als im Vorjahr

Eine 4te Meldung auf der gleichen Seite sprach im Gegensatz dazu von prall gefüllten Auftragsbüchern und guten Geschäften bei der Waffenschmiede Heckler und Koch Laut eines Artikels des Spiegels gab es eine Umsatzsteigerung um 9% und eine
Gewinnsteigerung um statte 40%

In seinem diesjährigen Aufruf zum Antikriegstag weist der DGB darauf hin, dass die Finanzierung militärischer Friedenssicherung nicht auf Kosten der Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates gehen und die soziale Ungleichheit in unserem Lande verschärfen darf. Noch darf sie dazu führen, dass die dringenden Zukunftsinvestitionen in die sozial-ökologische Transformation ausbleiben.

Deutschland ist bereits jetzt unter den Top-Ten der Länder mit den größten Rüstungsausgaben.

Als Gewerkschaften sehen wir eine Steigerung von Militärausgaben sehr kritisch, sowohl was das so genannte 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr als auch das Zwei-Prozent-Ziel der Wirtschaftsleistung für den NATO-
Beitrag betrifft.

In einem offenen Brief an die mittelfränkischen Bundestagsabgeordneten anlässlich des geplanten 100-MRD Sondervermögens kritisierte der Geschäftsführer des DGB Mittelfanken, Stephan Doll, die geplanten Rüstungsausgaben auf Grundlage
folgender Zahlen aus dem Bundeshaushalt 2022:

Im Bundeshaushalt 2022 sind bereits 49 Milliarden Euro für Rüstungsausgaben vorgesehen.

Zusätzlich sollen noch in diesem Jahr die genannten 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr hinzukommen, die ihr über mehrere Jahre zur Verfügung stehen sollen.

Diese Summe entspricht den gesamten Ausgaben der folgenden Bundesministerien zusammen:Gesundheit (16,03 Mrd.), Bildung und Forschung (19,36 Mrd.), Innen, Bau und Heimat (18,52 Mrd.),

Familie, Senioren, Frauen und Jugend (12,16 Mrd.), Wirtschaft und Energie (9,81 Mrd.), Umwelt (2,7 Mrd.), Zusammenarbeit und Entwicklung (10,8 Mrd.), Ernährung und Landwirtschaft (6,98 Mrd.).: Zusammen mit den Ausgaben für das Zwei-Prozent-Ziel des NATO Beitrags kommen jährlich über 70 Milliarden hinzu.

Der Bezirksleiter der IGM Niedersachsen/Salzgitter, Thorsten Gröger, konkretisierte in seiner Rede zum 01 Mai 2022: "Eine gute Rente darf nicht weniger wert sein als die Landesverteidigung. Wer 2 Prozent des BIP für eine funktionierende Verteidigung ausgibt, der muss auch 15 Prozent des BIP für eine gute Alterssicherung ausgeben."

Bereits zum letzten Antikriegstag 2021 wies der DGB darauf hin, dass sich im Zuge der Corona-Krise die sozialen Ungleichheiten und die Verteilungskonflikte in unserem Land und weltweit verschärft haben.

Auch jenseits der Auswirkungen der Pandemie zeigt sich, wie sehr wir auf einen starken und solidarischen Sozialstaat mit soliden Finanzierungsgrundlagen angewiesen sind.

Gleichzeitig leben wir, getrieben durch den Klimawandel und durch rasante Fortschritte bei der Entwicklung und dem Einsatz digitaler Technologien, in einer Zeit gewaltiger Umbrüche.

Eine sozial gerechte, ökologisch nachhaltige und wirtschaftlich vernünftige Gestaltung unserer Gesellschaft wird nur mit Hilfe massiver Zukunftsinvestitionen gelingen.

Nicht ein Hochrüsten und eine Militarisierung von Politik, sondern Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sind für uns Gewerkschaften der Auftrag des Grundgesetzes. Äußere Sicherheit, innere Sicherheit und soziale Sicherheit dürften nicht
gegeneinander ausgespielt werden. Es brauchte alle drei, um in Frieden, Freiheit, Würde und Wohlstand zu leben.

Beim „Gewerkschaftstag“ der EGBW, der europäischen Dachorganisation der Bildungsgewerkschaften, in dem auch die GEW vertreten ist, traf Andreas Kröger, der Vize-Präsident der EGBW anlässlich der Verabschiedung einer Friedensresolution
folgende Aussage:Solidarität macht uns stark, für eine friedliche und gerechte Welt – Krieg dem Kriege!“

Als Bildungsgewerkschaften setzen wir unsere Hoffnungen in unsere Kinder und Jugend, an einer friedlichen Welt zu bauen.“

Er sprach sich auch für den Ausbau von politischer Bildung und Friedenserziehung an Schulen aus.

Die GEW Bayern erarbeitete im Frühjahr dieses Jahr anlässlich des Ukrainekriegs, auch nach durchaus schwierigen Diskussionen, eine eigene Resolution der unter anderem folgendes zu entnehmen ist:

„Durch das gigantische Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung werden wichtige Gelder allen sozialen Bereichen vorenthalten, so auch der Bildung, dem Gesundheitswesen, der Pflege, der Flüchtlingshilfe etc., vor allem aber auch der
Bekämpfung der Klimakatastrophe, die die Existenz aller Menschen bedroht. Wir, als DGB mit all seinen Mitgliedsgewerkschaften, fordern die deutsche Bundesregierung heute dazu auf, eine breitere Debatte der Friedenssicherung zu
führen, auch jenseits militärischer Mittel.

Wir fordern ein breiteres Sicherheitsverständnis, das zentrale Aspekte, wie die Bewältigung der Folgen des Klimawandels, die Bekämpfung von Pandemien, die Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung und den Aufbau widerstandsfähiger
internationaler Liefer- und Wertschöpfungsketten, umfasst.

Wir fordern eine europäische, aber auch eine internationale Friedensordnung, die auf den Menschenrechten und den Prinzipien der Freiheit, der Selbstbestimmung und der sozialen Gerechtigkeit beruht.

Die Bundesregierung fordern wir auf, ihren im Koalitionsvertrag formulierten Anspruch einer wertebasierten deutschen Außenpolitik konsequent und umgehend umzusetzen

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine macht uns sehr betroffen und wir verurteilen ihn aufs Schärfste!Jeder Krieg ist für uns ein Angriff auf die Menschheit und die Menschlichkeit Dennoch lehnen wir einen neuen weltweiten Rüstungswettlauf als Gewerkschaften ab.

Stattdessen fordern wir die Bundesregierung auf, mit dem angekündigten Rüstungsexportkontrollgesetz umgehend für eine deutliche Beschränkung von Waffenexporten zu sorgen.

Eine nukleare Teilhabe und eine Modernisierung von Atomwaffenarsenahlen der Nuklearmächte lehnen wir als Gewerkschaften ab. Wir fordern stattdessen die Bundesregierung auf, an dem im Koalitionsvertrag formulierten Ziel eines atomwaffenfreien Deutschlands festzuhalten und die Lagerung von Atomwaffen in unserem Land zu beenden.

Das bedeutet für uns auch, dass Deutschland dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten muss.

Für diese Haltung stehen die Friedensbewegung und ihre Unterstützer, wie wir Gewerkschaften, vor allem seit dem Krieg in der Ukraine, wieder mehr denn je in der öffentlichen Kritik.

Naivität ist dabei noch einer der eher harmlosen der Vorwürfe. Blindheit gegenüber Aggressoren und überholte Ideologie sind u.a. weitere.

Vor zwei Tagen, am Dienstag dieser Woche, ist der Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow gestorben

Ohne Zweifel hat er mit seiner Politik der Umgestaltung und der Offenheit maßgeblich zum friedlichen Ende des kalten Krieges in Europa beigetragen. Er war ein Visionär eines machtfreien Miteinanders und erntete für diese Haltung im
Westen, aber vor allem in der Sowjetunion viel Kritik Allen Kritikern friedlicher Politik möchte ich heute zum Abschluss mit einem Zitat des Schriftstellers Klaus Kordon aus seinem Roman zum Matrosenauftstand 1918 antworten:Es ist wahr, ein Leben ohne Krieg und Not, wie es sich z.B. die Revolutionäre von 1918 erhofften ist auch am Anfang des neuen Jahrtausends ein Traum geblieben. Weitergeträumt werden aber muss er. –Wer aufgibt hat schon verloren.

 

Petra Rothe ist Vorsitzende des DGB Erlangen/Erlangen-Höchstadt.