Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2023 in Herford

 

- Es gilt das gesprochene Wort! -

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

ich begrüße Sie/Euch zu unserer heutigen Kundgebung zum Antikriegstag recht herzlich und möchte ein paar Gedanken und Fakten vortragen, die nachdenklich machen sollen:

„Es ist ehrenvoll und süß, für das Vaterland zu sterben“ Unter dieser Überschrift sollte der junge Gymnasiast Bertolt Brecht, der sich später zu einem der bedeutendsten deutschen Schriftsteller entwickelte, einen Aufsatz schreiben.

Anders als seine Mitschülerinnen und Mitschüler und anders als von der Schulleitung erwartet, folgte er jedoch nicht der offiziellen Kriegspropaganda.

Stattdessen hinterfragte er diese Propaganda, was beinahe zu einem Verweis von der Schule geführt hätte.

Bertolt Brecht fragte: Was ist daran ehrenvoll, andere Menschen zu töten – egal ob im Krieg oder im Frieden?

Und wie kann es süß sein zu sterben. Das Leben ist eben das wichtigste für einen Menschen. Es zu verlieren ist bitter für jeden Menschen, die Angehörigen und für Freundinnen und Freunde.

Wie wir aus der Geschichte wissen, kamen leider zu wenige Menschen zu dieser Einsicht oder sie kam zu spät. Viele wurden gegen ihren Willen und ihr Gewissen zum Kriegsdienst gezwungen. Und niemand fragte öffentlich:

Wenn es doch so ehrenvoll ist in den Krieg zu ziehen, warum gehen dann die Staatenlenker nicht voran? Warum zogen in den beiden großen Weltkriegen nicht Kaiser und Könige, Diktatoren und Präsidenten vorneweg in die Schlachten? Weil sie Angst hatten und es sich lieber zu Hause bequem machten?

Hat sich daran inzwischen etwas geändert? Ja und nein.

Ja, die Kriegspropaganda ist nicht mehr ganz so plump – sie ist subtiler geworden.

Da heißt es, es gehe um nationale Interessen, um Unabhängigkeit und Freiheit, um Demokratie und Menschenrechte. Geradezu mantraartig wird dies über die Medien immer wieder verbreitet und viele – zu viele – Menschen glauben diesen Blödsinn.

In Wirklichkeit jedoch geht es um geostrategische und wirtschaftliche Interessen. Es geht um die Ausdehnung des eigenen Herrschaftsbereichs, um die Ausbeutung von Menschen und Natur, um die Schwächung anderer Konkurrenten auf dem Weltmarkt.

Und alle Kriegsverantwortlichen geben vor, sich nur zu verteidigen. Wenn dem so wäre, dass sich alle nur verteidigen – ja - dann gäbe es keine Kriege mehr.

Was sich nicht geändert hat ist die Tatsache, dass die verantwortlichen Personen aus Politik, Wirtschaft und Medien es sich zu Hause gemütlich machen und andere vorschicken.

Wenn sie selbst kämpfen müssten, wären die Kriege wohl schnell beendet oder würden gar nicht erst begonnen.

Sie rechtfertigen die eigenen Kriege als gerecht und verdammen die Kriege des Gegners.

Dem halte ich seit nunmehr 48 Jahren entgegen:

Es gibt keine gerechten oder gar heiligen Kriege!

Jeder Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit!

Deshalb verurteilen wir den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der russischen Regierung gegen die Ukraine. Wir verurteilen ihn genau so wie gewärtige oder vorangegangene Kriege in Tschetschenien, Afghanistan, im Irak, in Syrien, in Jugoslawien und, und, und.

Seit mehr als 1 1/2 Jahren sehen wir nahezu täglich schreckliche Bilder und hören furchtbare Berichte über zerstörte Häuser, verletzte und getötete Menschen in der Ukraine. Wir sehen aber fast nur die eine Seite, die von russischen Waffen angerichtet wird. Welche Zerstörung und welche Opfer es auf der anderen Seite gibt sehen wir kaum.

So soll offensichtlich die Akzeptanz in der Bevölkerung für immer mehr und immer schrecklichere Waffen an die ukrainische Armee erhöht werden – was aber Umfragen zur Folge nicht der Fall ist. Vielmehr wächst die Befürchtung, dass dieser Krieg eskaliert und sich von einem Stellvertreterkrieg zu einem direkten Krieg zwischen NATO und Russland entwickeln könnte.

Bereits mehrfach hat der UN-Generalsekretär Antonio Guterres auf die gestiegene Gefahr eines Atomkrieges hingewiesen – ebenso wie das Stockholmer Friedensforschungs-Institut SIPRI!!

Dabei hätte dieser Krieg möglicherweise schon im Frühjahr letzten Jahres mit einem Waffenstillstand gestoppt werden können. Dies geht jedenfalls aus einem Interview vom 18. Januar diesen Jahres gegenüber einer schweizer Zeitschrift mit dem ehemaligen höchsten Militär der Bundeswehr und der NATO, dem Generalinspekteur Harald Kujat hervor.

Zitat: „Russland hatte sich in den Istanbul-Verhandlungen im März letzten Jahres offensichtlich dazu bereit erklärt, seine Streitkräfte auf den Stand vom 23. Februar zurückzuziehen, also vor Beginn des Angriffs auf die Ukraine.

Die Ukraine hatte sich verpflichtet, auf eine NATO-Mitgliedschaft zu verzichten und keine Stationierung ausländischer Truppen oder militärischer Einrichtungen zuzulassen. Dafür sollte sie Sicherheitsgarantien von Staaten ihrer Wahl erhalten. Die Zukunft der besetzten Gebiete sollte innerhalb von 15 Jahren diplomatisch unter ausdrücklichem Verzicht auf militärische Gewalt gelöst werden.

Nach zuverlässigen Informationen hat der damalige britische Premierminister Boris Johnson am 9. April in Kiew interveniert und eine Unterzeichnung verhindert. Seine Begründung war, der Westen sei für ein Kriegsende nicht bereit.“ Zitat Ende.

Selbstverständlich handelte es sich bei diesem ungeheuerlichen Vorgang nicht um einen Alleingang des britischen Premierministers. Vielmehr ist wohl davon auszugehen, dass die Anweisung dafür aus dem Weißen Haus in Washington kam.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Aussage des NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg zu verstehen, der Krieg in der Ukraine könne noch Monate oder Jahre dauern.

Vor diesem Hintergrund wird auch klar, weshalb die Friedensbewegung auf übelste Weise beschimpft und diffamiert wird, wie erst kürzlich von Bundeskanzler Olaf Scholz auf einer Wahlkampfveranstaltung in München.

Dort hat er die Menschen, die sich für Frieden einsetzen, als eine Art Teufel bezeichnet: Zitat.„Und die, die hier mit Friedenstauben rumlaufen, sind deshalb vielleicht gefallene Engel, die aus der Hölle kommen, weil sie letztendlich einem Kriegstreiber das Wort reden.“ Zitat Ende

Schlimmer und verlogener geht es wohl kaum noch. Das ist schon pure Hetze gegen friedliebende Menschen, die Menschenleben retten wollen. Nur weil wir nicht die Vasallen der USA sein wollen werden wir nicht zu Putin-Freunden. Ganz im Gegenteil: Wir haben unmittelbar und spontan gegen den Krieg protestiert und ihn immer und immer wieder als Verbrechen bezeichnet.

Im Gegensatz zu den Herrschenden in Moskau und Washington, in London, Paris und Berlin setzen wir nicht auf einen militärischen Sieg – den es nicht geben wird - sondern auf eine Verhandlungslösung. Nur so kann weiteres Blutvergießen und die fortgesetzte verheerende Zerstörung vermieden werden.

Deshalb fordern wir immer und immer wieder:

Die Waffen nieder - überall auf der Welt

Waffenstillstand und Frieden für die Ukraine – aber auch für Syrien, Jemen und andere Kriegsgebiete.

Einen Atomkrieg verhindern – sowohl in Europa als auch anderswo. Atomwaffen müssen verboten und vernichtet werden.

Wir fordern die Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienst-verweigerung als unmittelbares, unveräußerliches Menschenrecht.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.

 

Rolf Reinert ist Co-Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen (DFG-VK), Regionalgruppe Ostwestfalen-Lippe.