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Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 2. September 2024 in Esslingen
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Liebe Friedensfreunde und Kriegsgegnerinnen,
Danke dass ihr heute gekommen seid und danke für die Einladung.
Schön dass wir uns heute hier versammelt haben um anlässlich des Antikriegstags ein Zeichen gegen jeden Krieg und für den Frieden zu setzen.
Der in der BRD vom DGB ins Leben gerufene Antikriegstag, wie auch ein schon vorher am 1. September gefeierter Weltfriedenstag in der DDR, erinnert dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf Polen an diesem Tag im Jahre 1939, also gestern vor 85 Jahren, und dem damit von Deutschland begonnenen größten und opferreichsten Krieg der Menschheitsgeschichte, der über 65 Millionen Menschenleben kostete.
Der nur in Deutschland begangene Antikriegstag am 1. September ist dank dieser Tradition auch ein Tag, an dem nicht nur generell die Kriegstreibenden und Diktatoren ferner Länder, sondern ganz explizit die Politiker und Politikerinnen der Bundesrepublik für jeden deutschen Soldaten und jede Soldatin, sowie jede in Deutschland produzierte Waffe kritisiert werden müssen, die für den Machterhalt deutscher Verbündeter und die Ausweitung der deutschen Einflusszone, für die Profite deutscher und europäischer Unternehmen und die Festigung der angeblich regelbasierten, westlichen Ordnung geschickt werden, um dort konstruierte „Feinde“ zu töten.
Eigentlich, so steht es im 2+4 Vertrag mit dem 1990 die Wiedervereinigung Deutschlands besiegelt wurde, sollte „nie wieder Krieg von deutschem Boden aus“ gehen. Dabei hatte mit der Wiederbewaffnung während der Westeingliederung und dem Wiederaufbau der deutschen Rüstungsindustrie in den 1950 Jahren schon lange wieder ein anderer Trend eingesetzt, der mit der Entsendung deutscher Bomber nach Jugoslawien Ende der 90er diese noch jungen, hochtrabenden Worte Lügen strafte.
Eine weitere Errungenschaft oder Einsicht nach den Gräueltaten des ethno-Rassismus der Nationalsozialisten, der dann auch Juden, Sinti&Roma, Slawen und andere in Europa lebenden kulturelle Identitäten abgewertet und zur Versklavung freigegeben hatte, war die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vor über 75 Jahren.
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren,“ steht da und dies explizit „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“
Leider sind wir, wie wir alle wissen, weit weg von der Realisierung dieser Rechte für alle.
Erstlinig sind es der Kapitalismus und das mittlerweile weltweit als Standard gesetzte Modell der Nationalstaaten, die eine Verteilung der Güter und Freiheiten zur Gewährung dieser eigentlich allgemein gültigen Rechte verhindert.
Während in den ehemaligen Kolonialstaaten in Europa, Nordamerika und Ostasien und ihren Nachbarn die meisten daran arbeiten können, die oberste Spitze der Bedürfnispyramide zu erfüllen, sind selbst dir grundlegendsten Rechte wie ausreichend und ausgewogene Nahrung und sauberes Wasser, oder gar Gesundheitsvorsorge, Bildung, sexuelle, religiöse und Meinungs-Freiheit sowie politische Mitbestimmung für viele in weiter Ferne.
Die größte Differenz zwischen der Verwirklichung dieser Rechte verläuft hierbei zwischen den Nationalstaaten beziehungsweise dem Globalen Norden und Globalen Süden. Doch auch innerhalb der Länder gibt es große Differenzen, besonders wo durch ethno-Nationalismus bestimmte kulturelle Identitäten eines Landes als berechtigt und andere als fremd oder minderwertig bestimmt werden.
Während solche Abwertungen und Dominierungen, Verwehrungen der Gleichheit, an manchen Orten seit Jahrhunderten aufrecht gehalten werden konnte – man denke an die Unberührbaren in Indien, wo sich das alte Stände-System seit dem erstarken des Hindu-Nationalismus eher wieder festigt – führen diese Ungleichheiten vielerorts auch zu Widerstand, Gewalt und Krieg.
Strukturelle Gewalt, um hier ein Konzept des dieses Jahr verstorbenen Begründers der Friedens- und Konfliktsforschung, Johann Galtung, einzubringen, – Strukturelle Gewalt wie Unterdrückung oder Ausbeutung ruft Gegengewalt hervor.
Und die meisten kriegerischen Konflikte heute haben ihren Ursprung in solcher struktureller Gewalt – auch wenn die führenden Politikerinnen und Medien, einer anderen Linie de Konfliktforschung folgend, den Akteursorientierten Theorien nach, uns meist keine strukturellen Probleme und Lösungen aufzeigen, sondern diese oder jene Aktion der Führung des Gegenübers als Rechtfertigung für die eigene Eskalation nehmen.
Ein Beispiel hierfür ist der Ukrainekrieg.
Natürlich kann man Putins vorgeschobene Begründung seines Angriffskriegs zum Schutze der russischen Bevölkerung in der Ukraine nicht glauben.
Ihm geht es, genauso übrigens wie dem Westen, um geostrategisch wichtige Punkte, besonders die Krim, Zugriff auf die fruchtbaren Schwarzen Erden und die kostbaren Seltenen Erden der östlichen Ukraine, sowie deren Märkte.
Trotzdem wäre der Angriff unmöglich gewesen, hätte nicht die vom Westen unterstützte nationalistische Assimilierungspolitik der Ukraine die russischsprachige Minderheit zum Beispiel mit dem Sprachgesetz von 2012 systematisch benachteiligt. Das gab Putin in Russland und der östlichen Ukraine einiges an Mobilisierungspotential.
Doch unsere Regierung hält an dem Kurs fest, dass die Ukraine alle Gebiete zurückerobern müsse, obwohl ihr schon lange die freiwilligen Einschreibungen in den Militärdienst fehlen und sie, wie Russland, zu Zwangsrekrutierungen in großem Stil angewiesen ist.
Dabei setzt unsere Regierung, wie die anderen westlichen Staaten, auf eine immer größere technische Eskalation, in der immer weitreichendere und zerstörerischere Waffensysteme geliefert werden, mit denen nun auch das russische Kernland angegriffen werden kann.
Dass dies nicht nur teuer ist – denn woher soll das sogenannte Loch im Haushalt stammen, wenn alle Posten sinken außer dem rasant steigenden Verteidigungsetats? – (Dass dies nicht nur teuer ist ) sondern auch gefährlich, sieht man an der erneuten Stationierung von Mittelstreckenraketen und anderen Russland erreichenden Waffensystemen.
Es war eine Errungenschaft des Ende des kalten Kriegs, dass solche Systeme aus Deutschland entfernt wurden. Nun werden sie wieder stationiert und machen unser Land damit zum Ziel russischer Vergeltungs- oder Präventivschläge.
Diesem neuen Wettrüsten müssen wir entschieden entgegen treten!
Stattdessen brauchen wir diplomatische Bemühungen, die das Töten beenden, der Ukraine und Russland Sicherheitsgarantien geben und die Rechte aller Bevölkerungsteile im Blick haben.
Besonders brauchen wir jedoch auch Abrüstunsgverträge und Vertrauensbildende Maßnahmen, wie wir sie mit dem Mittelstreckenraketen-Verbotsvertrag (INF) oder dem OpenSkies Abkommen lange hatten.
(Die Unterwanderung dieser Verträge, durch die Entwicklung neuer Mittelstreckenraketen, sowie die Aufkündigung dieser durch unsere Herrschenden zwischen 2017 und 2021 zeigt, dass diese Konfrontation nicht vom Himmel gefallen ist.)
Nicht ganz so bedrohlich für uns selbst, aber umso schockierender ob der blutigen Austragung scheinbar ohne jeden Respekt vor den Menschenrechten, ist der Krieg Israels gegen die palästinensische Bevölkerung.
Das schreckliche Attentat der Hamas am 9. Oktober ist schon lange keine Rechtfertigung mehr für den umfangreichen Krieg gegen Gaza, der gemessen an den zivilen Opfern gegenüber getöteten Kombattanten, sowie den getöteten Journalisten und Journalistinnen und humanitären Helfern und Helferinnen in diesem Jahrhundert oder gar bis zurück zum zweiten Weltkrieg vergeblich seines Gleichen sucht.
Dass sich Israel nicht auf das Selbstverteidigungsrecht berufen kann, weil es ein besetztes Gebiet angreift, bestätigte kürzlich auch der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen. Und, wie wir wissen, wurden vom Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs Haftbefehle gegen die politische und militärische Führung Israels für ihre unzähligen Kriegsverbrechen, darunter besonders das Aushungern der Bevölkerung Gazas, beantragt.
Unsere Regierung stellt sich in diesem Verfahren nicht nur gegen die meisten Länder der Welt auf die Seite Israels, sie liefert als eines weniger Länder auch noch weiter Waffen dorthin – während beispielsweise die Niederlande und Kanada, Belgien und Japan die Waffenexporte schon lange eingestellt oder stark eingeschränkt haben.
Es muss Schluss sein mit den Lippenbekenntnissen zum Völkerrecht und den Aufforderungen an Israel, weniger Zivilisten zu töten, während man die selbe Armee immer weiter ausstattet ohne dass diese irgendwelche Anstalten macht ihre Kriegsführung zu ändern.
Die wiederholten ekelhaften Äußerungen der israelischen Führung, die der palästinensischen Zivilbevölkerung keinerlei Mitgefühl sondern nur Verachtung entgegenbringen, genauso wie die Resolutionen und Gesetzesänderungen des israelischen Parlaments, die bestätigen, dass auch alle palästinensischen Gebiete vom Staat Israel beansprucht werden, zeigen, dass die extrem rechte, ethnonationalistische Regierung Israels weder Respekt vor dem Völkerrecht noch den Menschenrechten hat.
Israel muss also von der internationalen Gemeinschaft dazu gezwungen werden, die Menschenrechte der unter ihrer Besatzung stehenden Subjekte zu respektieren und das Völkerrecht zu achten und einen palästinensischen Staat zuzulassen.
Der erste Schritt von uns Friedensbewegten in den Waffen lieferenden Staaten, neben der Bundesrepublik besonders die USA und Italien, muss also sein, ein umfassendes und konsequentes Waffenembargo gegen Israel zu fordern.
Etwas schwerer für uns anzugehen, sind Kriege wie im Sudan, wo Deutschland nicht direkt beteiligt ist, eine Seite unterstützt oder Waffen liefert. Während der Revolution im Jahr 2018-19 übernahmen zwei Generäle dort die Macht indem sie den alten Diktator Omar alBashir absetzten. Seit einem Jahr bekriegen sie sich nun blutig auf dem Rücken der Bevölkerung, während diese eigentlich in Frieden und Demokratie leben will.
Im Gespräch mit Sudanesen, die ich beispielsweise für Interviews traf, kam jedoch immer wieder die Enttäuschung zur Sprache, dass immer noch kein Waffenembargo gegen die Vereinigten Arabischen Emirate verhängt wurde, obwohl seit langem bekannt ist, dass diese die gefürchteten Rapid Support Forces unter Mohamed Dagalo aka Hemedti mit Waffen beliefern, die gerade dabei sind, die ethnischen Säuberungen und den Genozid zu wiederholen, den ihre Vorgängerorganisation, die Dschandschawid-Milizen Anfang der 2000er Dekade an der nicht-arabischen Bevölkerung Darfurs verübten.
Die Emirate gehören wie auch Saudi Arabien und wie auch schon zur Zeit des blutigen Kriegs gegen die Bevölkerung im Jemen zu den Top-Abnehmern deutscher Waffen.
Kurz ansprechen möchte ich auch die Kriege im Kongo und im Sahel.
Im östlichen Kongo tobt ein Bürgerkrieg der, wenn auch in limitiertem Ausmaß, seit der Dekolonialisierung (in Anführungszeichen) immer wieder aufflammt und mit über fünf Millionen Toten als opferreichster Krieg seit dem zweiten Weltkrieg gilt.
Auch hier ist einer der engsten Verbündeten des Westens in Afrika, der Präsident Ruandas, Paul Kagame, federführend dabei, indem er dort Rebellen mit Waffen und nach UN-Berichten auch eigenen Truppen unterstützt, und im Gegenzug den für die Elektromobilität benötigten Rohstoff Koltan in sein Land schmuggeln lässt und von dort aus exportiert.
Da er aber ein willfähriger Vasall des Westens ist, und beispielsweise Truppen nach Mosambik entsendet um dort französische Interessen an Gasfeldern zu schützen oder Aylbewerber aus Großbrittanien bei sich ansiedelt, kommt auch dieser mit ein paar mahnenden Lippenbekenntnissen davon.
Im Sahel dagegen haben sich die Länder unter neuen, durch Putsche an die Macht gekommenen aber von große Teilen der Bevölkerung unterstützten, Regierungen von der westlichen Militärkooperation ab- und Russland zugewandt.
Während manche Beobachter auf Frieden zu hoffen wagten und eine Loslösung der dortigen Wirtschaft von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich sicherlich Potential zur Verbesserung des dortigen Lebensstandard hat, wird sich am konfrontativen Kurs gegen die unter dem Banner des Seperatismus oder oft auch Islamismus aufbegehrenden Bevölkerungsteilen wie den herdentreibenden Ethnien Tuareg und Fulbe wohl wenig ändern.
Nun, wo keine westeuropäische Einflusszone mehr durch die Terrorbekämpfung gesichert wird, werden zum Glück langsam andere Stimmen gehört, die die strukturellen Ursachen für den Dschihadismus in den Blick nehmen – besonders die Marginalisierung gewisser Ethnien aber auch den Klimawandel.
Der Klimawandel ist die größte Bedrohung der Menschheit und schon heute leiden Millionen Menschen an der Ressourcenverknappung durch die Erderwärmung und verschiedene Konflikte werden dadurch angeheizt.
Dazu gehört der Sahel, wo viehtreibende Gruppen wegen der ausbleibenden Niederschlägen und der dadurch verursachten Ausbreitung der Sahara weiter in den Süden ziehen um Weidegründe zu finden und dort in Konflikt mit Ackerbauern geraten. Selbiges ist auch schon lange im Sudan zu sehen
– und auch die Bürgerkriege in Syrien und im Irak wären wohl nicht so eskaliert, wenn nicht vorher ungesehene Dürren Tausende von ihren Höfen in die Slums getrieben hätten und die Nahrungspreise nicht explodiert wären.
Dies zeigt einmal wieder: Wir müssen uns international zusammenreißen und diese riesige Herausforderung für die Menschheit meistern – sowohl durch Begrenzung des Klimawandels durch die Reduzierung der Emissionen, wie auch durch solidarische Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen und Umsiedlungsprogramme für Menschen aus Gebieten, wo die Lebensgrundlagen schon zerstört wurden.
Wir haben weder die Zeit noch die Ressourcen für die unsinnigen Kriege, die uns die Konkurrenz des nationalen Kapitalismus verschafft.
Deswegen müssen wir gewappnet bleiben gegen die Propaganda und kognitive Kriegsführung, mit denen die regierenden Parteien und Leitmedien versuchen uns ihre Feindbilder und die Kriegstüchtigkeit aufzuschwätzen.
Wir müssen uns wehren gegen die Versuche, die Forschung der Wehrhaftigkeit unterzuordnen indem beispielsweise Zivilklauseln attackiert oder, wie im bayerischen Bundeswehrgesetz nun geschehen, sogar verboten werden.
Wir müssen uns wehren gegen die Wehrpflicht und die verstärkte Rekrutierung an Schulen und Hochschulen – was übrigens das Thema des Kongresses der IMI im November sein wird.
Wir müssen klar benennen, dass die wertebasierte oder gar „feministische“ Außenpolitik der Ampelparteien eine blanke Farce, eine Lüge ist, wenn bei strategischen Partnern und Konkurrenten zweierlei Maaß bezüglich der Menschenrechte angesetzt wird.
Deswegen fordern wir die Regierung auf:
- sich endlich für diplomatische und inklusive Lösungen im Ukrainekrieg und Palästina einzusetzen und die Waffenexporte in diese Gegenden einzustellen!
- Allen Deserteuren Asyl- und Bleiberecht zu gewähren, gerade wenn sie aus Russland und der Ukraine kommen.
Kein Mensch darf in ein Kriegsland zurückgeschickt werden nur weil „unsere“ Kriegsziele Kanonenfutter brauchen. (Natürlich brauchen auch Israelis und besonders Palästinenser, deren Menschenrechte offensichtlich gar nicht geschützt sind in ihrer Heimat, das Recht auf Schutz vor dem Krieg hier bei uns)
- Zudem muss die Konfrontationspolitik, nicht nur mit Russland sondern auch gegenüber China, und die teure Aufrüstung beendet werden und das Geld in soziale Programme, das Gesundheitssystem und die Bekämpfung des Klimawandels investiert werden.
Vielen Dank.