Frauennetzwerk für Frieden

10 Jahre jung

von Heide Schütz

Wie hat alles angefangen? Was ist seither passiert? Wie geht's weiter?
Klare Fragen, die die Herausgeber des Friedensforums zum 10-jährigen Bestehen eines Vereins stellen, den es eigentlich gar nicht hätte geben sollen.

Wie hat alles angefangen?     
Schuld war die 4. Weltfrauenkonferenz in Peking und das NGO Forum in der Nachbarstadt Huairou. Dort trafen sich viele tausend engagierte Frauen aus grassroot Bewegungen und mehr oder weniger stark etablierten NGOs, um ihre Erfahrungen auszutauschen, ihre volle Partizipation in Politik und Gesellschaft einzufordern, die Pekinger Aktionsplattform der Regierungen informell mitzugestalten und vor allem ihr eigenes globales Netz zu, wirken - sisterhood weltweit. Auch und besonders im „Friedenszelt". Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden - das war nicht nur das Motto dieser Weltfrauenkonferenz, sondern auch aller vorangegangenen seit 1975 in Mexiko. Die AG 11 „Frauen und Frieden" hatte, obwohl sie bunt zusammengesetzt war aus Vertreterinnen der Frauenverbände, der Kirchen, der Wissenschaft, der Parteien und der engagierten Basis-Friedensfrauen das Kunststück fertig gebracht, einen gemeinsamen Friedensbegriff zu definieren. Sie forderte Frieden als höchsten Wert: Ohne Frieden gibt es weder Gleichberechtigung noch Entwicklung. Frauen sollten nicht als Soldatinnen, sondern als Friedensexpertinnen in Politik und Gesellschaft endlich akzeptiert werden. Die ausgearbeiteten Empfehlungen (die von der Regierung zwar übersetzt und in Druck gegeben, aber in Peking nie verteilt würden!) gipfelten in zwei Forderungen: einer Weltfriedenskonferenz im Jahr 2000 und der Einrichtung eines Konfliktlösungsrats bei den Vereinten Nationen (Council on Conflict Resolution). Der Millenniumsgipfel (2000) und die jüngste Einrichtung der UN Peacebuilding Commission, die allerdings nur nach, leider nicht vor einem bewaffneten Konflikt tätig werden soll, zeigen, dass wir die politischen Friedenschancen und -notwendigkeiten schon vor mehr als 12 Jahren klar erkannt hatten.
Diese beiden Projekte fanden in Peking/Huairou sehr viel Zustimmung. Hunderte von eingesammelten Unterschriften, die bewegenden Berichte der Friedensfrauen aus Kriegs- und Krisengebieten wogen auf der Heimreise schwer im Gepäck. Entscheidend war jedoch die eindringliche Frage einer Afrikanerin aus Mali im Friedenszelt: How we can keep contact with you? Es war klar, es musste etwas geschehen. Nach verschiedenen gescheiterten Bemühungen, die FrauenFriedensagenda beim deutschen Frauenrat oder dem entwicklungspolitischen NRO Frauenforum einzubinden, entstand der Gedanke einer eigenen Vereinsgründung. In der AG Frauen und Frieden und auch bei vielen Gesprächen in der deutschen Delegation war ja bereits ein solider Grundstein dazu gelegt. Aber wie gründet man einen Verein? Ich wollte es wirklich nicht, hatte aber verstanden, dass man nur auf diese Weise Zugang zu nationalen und internationalen Töpfen bekommt, um z.B. Konferenzen und Seminare zu Friedensthemen zu organisieren oder um Reise- und Unterbringungskosten für Friedensfrauen aus anderen Ländern finanzieren zu können.
Auf der Gründungsversammlung im Februar 1996 wurde aus vielen Vorschlägen der Name „Frauennetzwerk für Frieden" ausgewählt, um den Charakter der weltweiten Solidarität und Kooperation auszudrücken, aber auch, um in Deutschland eine möglichst breite nationale Plattform mit den Frauen zu schaffen, die in der Friedensarbeit aktiv sind oder die sie unterstützen wollen.

Was ist seither geschehen?
Das Frauennetzwerk für Frieden ist gewachsen, wie es sich für ein Kind gehört. 15 Frauenorganisationen und -gruppen, unter ihnen die Internationale Liga für Frieden und Freiheit/WILPF, Frauen in Schwarz, Frauen wagen Frieden, das Deutsch-Tschechische Forum der Frauen, das Internationale Frauenfriedensarchiv Fasia Jansen, Warnen and Life on Earth, der Deutsche Staatsbürgerinnenverband, der Demokratische Frauenbund, der Deutsche Frauenring etc. und viele Einzelfrauen gehören dazu.
Der Aufbau von Friedensstrukturen statt Gewaltstrukturen im Alltag, die Unterstützung von Friedensfachkräften und des Bonner Friedenslaufs, die Hinwendung nach Ost-Europa und Süd-Ost-Europa in Projekten zur Überwindung von Feindstrukturen und zur Stärkung demokratischer und gewaltfreier Beziehungsmuster, die Mitarbeit in internationalen Konferenzen und im GPPAC, der Global Partnership for the Prevention of Armed Conflict, die Lobby-Arbeit für die Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrates aus dem Jahr 2000, durch die völkerrechtlich bindend den Frauen mehr Mitsprache in gesellschaftlichen und politischen Friedensprozessen der Mitgliedstaaten zuerkannt wird, sind Aktivitäten des FNF in den letzten 10 Jahren gewesen. Das internationale Projekt aus der Schweiz 1000 Peace Women Across the Globe (vordem: 1000 FriedensFrauen für den Friedensnobelpreis 2005) ist ein aktueller Schwerpunkt geworden. Das FNF hat sich an der Nominierung erfolgreich beteiligt und zeigt vom 27 .8. bis 6.9.2006 die zum Projekt gehörige Ausstellung im Frauenmuseum in Bonn und betreibt zudem Fundraising für eine deutsche Buch- bzw. Internet Ausgabe der bis jetzt nur auf Englisch erschienenen Dokumentation dieser 1000 Frauen.
In den letzten 10 Jahren ist der Verein immer stärker in nationale und internationale Netzwerkstrukturen z. T. verantwortlich hineingewachsen, und zwar sowohl in Frauenfriedensstrukturen als auch in allgemeine Netzwerkstrukturen. Als Beispiele sind zu nennen: Frauensicherheitsrat, Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, Forum Ziviler Friedensdienst, Friedenskooperative, Bund für Soziale Verteidigung, Kooperation für den Frieden, International Peace Bureau, International Alliance of Warnen.
Last but not least: Aus wichtigen Projekten sind zwei neue, unabhängige Vereine entstanden: das Deutsch-tschechische Forum der Frauen (2000) und das Forum Crisis Prevention (2005), ehemals Pro UNCOPAC, die Initiative zur Einrichtung einer UN Commission on Peace and Crisis Prevention, deren Trägerverein das FNF war.

Wie soll es weitergehen?
Die nationalen und internationalen Aufgaben sind gestiegen, auch die Chancen, die z. T. unterschiedliche GeschlechterrollenPerspektive wahrzunehmen und Frauen als Personen und Repräsentantinnen stärker einzubeziehen, d. h. richtige Schritte in Richtung Geschlechtergerechtigkeit zu gehen. Aber leider können sich die Gender sensiblen Frauen nicht zurücklehnen, weil diese Agenda abgehakt ist, weder national noch international. Mari glaubt es kaum: als kürzlich die Deutsche Stiftung Friedensforschung ihr 5 jähriges Bestehen feierte, saßen auf den diversen vollbesetzten Panels an zwei Tagen insgesamt ZWEI Frauen. Schlimmer noch: dieser Skandal würde nicht öffentlich - vielleicht hinter verschlossenen Türen? - angesprochen. Im nationalen Aktionsplan zur zivilen Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung (2004) gibt es keinen Bezug zur Relevanz der gender Perspektive, obwohl sie inzwischen sonnenklar ist und auch in vielen nationalen und internationalen Dokumenten verankert ist. Das bedeutet, dass die patriarchalen Strukturen zumindest in Wissenschaft und Politik - von vielen unbemerkt - auch in Deutschland fortgeschrieben werden.
Gender Watch im Bereich Krieg und Frieden ist und bleibt immer noch eine vordringliche Aufgabe, nicht nur, weil davon die Frauen profitieren, sondern weil Friedensprozesse ohne die Expertise von beiden Geschlechtern, Männern und Frauen, und ohne die Berücksichtigung ihrer jeweiligen spezifischen Bedürfnisse nur bruchstückhaft und letztlich ohne Erfolg sind.

Dauerhafter Frieden - nicht ohne die Frauen!
Eine weitere wichtige Aufgabe: Die gewachsene Struktur des Netzwerks muss auf den Prüfstand gestellt werden. Auch kann die rein ehrenamtliche Aufrechterhaltung des Bürobetriebs nicht in alle Ewigkeit weitergeführt werden, zumal die Anforderungen an alle Nichtregierungsorganisationen inzwischen allround Professionalität bedeuten. Das war vor zehn Jahren anders. Ein Faxgerät bedeutete schon modernen Fortschritt und schnelle Vernetzung. An Wohl und Wehe, geschweige denn die Kosten der e-mail Kommunikation und Internet Handhabung dachte damals noch niemand. In diesem Bereich muss in Zukunft eine Lösung gefunden werden. Das Problem kennen zwar viele NROs, aber bei den Frauenorganisationen wird es m.E. in Zukunft noch dramatischer werden, weil die Zeitressourcen noch knapper sind.
Was mich persönlich betrifft: spätestens im Jahr 2008 möchte ich nach 12 runden Jahren in die zweite Reihe treten. Frieden braucht Stabwechsel.
Das letzte Wort gilt dem aufrichtigen und herzlichen Dank an alle Kooperationspartner und –partnerinnen, besonders aber den Vorstandsfrauen und auch allen anderen, die sich im Frauennetzwerk für Frieden in diesen letzten 10 Jahren in vielfältigster Weise für die Friedensarbeit engagiert haben. Nur gemeinsam sind wir stark.

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