Protest gegen Rheinmetall-Hauptversammlung

2022: Rheinmetall ohne Rüstungsproduktion?

Für den 12. Mai 2015 hatte der Vorstand des größten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall zu seiner Hauptversammlung ins Vier-Sterne-Superior-Hotel Maritim im Berliner Tiergarten geladen. Zwar sind die Auftragsbücher des Rüstungsbereichs mit 6,5 Milliarden Euro so prall gefüllt wie nie, aber lautes Wehklagen über die schwache Profitlage 2014 übertönte die Vorberichte. Weshalb? Die Regierung hatte den Deal mit Russland über die Lieferung eines Simulationssystems wegen des Ukraine-Krieges gestoppt. Zudem kam Rheinmetall  nicht umhin, ein Bußgeld in Höhe von 37 Millionen Euro zu zahlen, denn es hatte ein Rüstungsgeschäft mit Griechenland durch Korruption gefördert. Das trübt freilich die Bilanzen.

Zum Protest hatte die Berliner Initiative „Legt den Leo an die Kette“ gerufen, an dem, trotz der zahlreichen Aktivitäten um den 8. Mai herum, doch über 50 Friedensbewegte teilnahmen und ab 9 Uhr früh einer gelungenen Kundgebung viel Beifall zollten.

Prof. Dr. Peter Grottian von der Initiative „Legt den Leo an die Kette“ und „kritischer Rheinmetall-Aktionär“ machte vor seinem Auftritt im Hotel den DemonstrantInnen klar, dass der Protest gegen Rüstungsexporte schon zählbare Erfolge habe. Daimler-Benz sei aus großen Teilen der Rüstungsproduktion ausgestiegen, Minister Gabriel stelle sich erfolgreich gegen die Lieferung von Leopard-Panzern über Spanien nach Saudi-Arabien und Heckler & Koch sehe einem Prozess wegen seines Mexiko-Geschäfts entgegen. Mehr und mehr komme das Rheinmetall-Geschäftsmodell aus Schmiergeldzahlungen und Gesetzesbruch ins Wanken. Auf Grund dessen und der Tatsache, dass über 70 Prozent der Bevölkerung Rüstungsexporten ablehnend gegenüber ständen, entwarf Grottian folgendes „plausibles Szenario“: Rheinmetall gibt 2018 den schrittweisen Ausstieg aus der Rüstungsproduktion bekannt, der 2022 abgeschlossen sein wird. Gefördert wird dies durch Gelder aus einem Rüstungskonversionsfonds der Bundesregierung. „Kein Industriezweig hat so einen Reputationsverlust zu verzeichnen – außer der Atomkraft“, rief Grottian und eilte dann in den Saal, um den Vorstand zu fragen, ob er bereit sei, seinem Konversionsszenario zu folgen.

Dr. Alexander Neu, Obmann der LINKEN im Verteidigungsausschuss, wies darauf hin, dass Rüstungskonzerne wie Rheinmetall „systemrelevant“ seien wie manche Banken. Sie seien keinem normalen Wettbewerb unterlegen, weil sie von staatlichen Aufträgen profitierten. „Das ist staatsmonopolitischer Kapitalismus in Reinkultur“, so Neu. Im Verteidigungsausschuss erlebe er von Regierungsseite immer wieder, dass das Arbeitsplatzargument herbeigezogen werde, wenn es um neue Beschaffungsprojekte ginge. Was habe die Regierung getan, fragte er, als es um 20.000 Arbeitsplätze bei Schlecker gegangen sei? Neu machte auf die Erhöhung des Rüstungshaushalts im Zuge der NATO-Forderung, ihn auf zwei Prozent des Bruttosozialprodukts hochzufahren, aufmerksam. Das bedeute in zehn Jahren dann ein Plus von 20 Milliarden mehr im Jahr, welches bei Bildung und Sozialem eingespart werden müsse. Er unterstrich noch einmal Forderungen der LINKEN nach „sofortigem Stopp von Rüstungsexporten“ und „massiver Abrüstung der Bundeswehr“ und mit der „Rüstungskonversion zu beginnen.“

Uli Cremer aus Hamburg, Initiator der GRÜNEN FRIEDENSINITIATIVE, zeigte die Übereinstimmung der Rheinmetall-Strategie, künftig den Rüstungsexportanteil seiner Waffenproduktion auf 80 Prozent zu steigern, mit der Politik Merkels auf. Ihre Doktrin laute: „Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen ein.“ Cremer wies auf einen Aufsatz von Prof Dr. Joachim Krause in der DGAP-Zeitschrift „Internationale Politik“ (Januar 2013) hin, worin dieser hervorhebt, dass sowohl den 41 Staaten des Partnership-for-Peace-Formats der NATO als auch den sieben Ländern des NATO-Mittelmeer-Dialogs und den sechs arabischen Golf-Ländern ausdrücklich das Angebot gemacht wird, Waffentechnik in NATO-Staaten einzukaufen. Cremer schloss in Anspielung auf Gauck und von der Leyen mit dem Aufruf: „Neue Verantwortung heißt Abrüstung und Verbot des Rüstungsexports!“ (Die Rede Uli Cremers haben wir in dem Friedensforum auszugsweise dokumentiert.)

Den Abschluss bildete der Redebeitrag von Dr. Alex Rosen. Der Kinderarzt ist stellvertretender Vorsitzender der IPPNW. Die Frage, weshalb ein Gegner des Atomkriegs sich gegen den Rüstungsproduzenten Rheinmetall engagiert, beantwortete Rosen mit dem Zusatz des IPPNW-Namens: „Ärzte in sozialer Verantwortung“. Der Atomkrieg stelle die letzte Stufe der Eskalation dar. Waffenlieferungen erschwerten die Suche nach Konfliktlösungen. Vielmehr müssten die sozialen Ursachen der Konflikte bearbeitet werden. Wie im Arztberuf müsste einer gründlichen Diagnose eine ebensolche Therapie folgen. Die Waffenindustrie wolle etwas anderes. „Wie kann dem begegnet werden?“, fragte Rosen. Er bat Kriegsopfer, die Schäden durch deutsche Waffen bildlich zu dokumentieren. An die Rheinmetall-Aktionäre richtete er den Appell, nicht nur die Bilanzen anzusehen: „Schaut auf die andere Seite des Geschäfts!“, rief er.

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