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„Atomwaffen abschaffen“: Kontinuität mit neuem Namen
30 Jahre „Atomwaffen abschaffen“
vonEs ist bereits ein Erfolg als solcher, über 30 Jahre hinweg als Trägerkreis „Atomwaffen abschaffen _ bei uns anfangen“ zusammengehalten zu haben. Darüber waren sich alle Anwesenden beim Jubiläum des bundesweiten Netzwerks am 27./28. September in Hannover – der Partnerstadt Hiroshimas – einig. Gut 40 Engagierte von über 20 der mittlerweile 77 Mitgliedsgruppen aus dem ganzen Bundesgebiet folgten der Einladung, sich zum Rückblick, Austausch und für die weitere Planung zu treffen. Und vor allem sich wieder einmal persönlich zu sehen – ganz real und nicht versteckt in den Kacheln der Videokonferenzen. Wie sich an den zwei Tagen herausstellte, konnte das Netzwerk viele Erfolge verzeichnen.
An die Öffentlichkeit trat der von IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht (Deutsche Sektion der „International Association of Lawyers against Nuclear Arms“), der IPPNW - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V., dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, dem Netzwerk Friedenskooperative und Ohne Rüstung Leben gegründete Trägerkreis erstmals am Antikriegstag 1994 mit einer Pressekonferenz in Bonn. Anlass war die im Folgejahr bevorstehende Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag. Wenige Jahre zuvor waren die US-Mittelstreckenraketen durch den 1987 vereinbarten INF-Vertrag aus Deutschland abgezogen worden. Ziel war nicht weniger als die internationale Ächtung von Atomwaffen – als Teil des damals ebenso neuen weltweiten Netzwerks Abolition 2000.
In einem Vierklang blickte das Vorbereitungsteam auf 30 Jahre unbeirrbare, konsequente Friedensarbeit mit vielerlei Projekten und Kampagnen zurück. Nach meiner Einführung und dem Dank für das herausragende Engagement der vielen Aktiven und das gute Miteinander berichtete Heidemarie Dann (Hiroshima Bündnis Hannover) über ihre engen Verbindungen zum OB Büro der Mayors for Peace. Anschließend nahm uns Marion Küpker (Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen und Versöhnungsbund) auf eine Zeitreise mit einer dreißigminütigen Bildershow. Ein ausführlicher schriftlicher Rückblick lag zudem zum Lesen aus. Schließlich konnte ich als Conferencier langjährige Weggefährt*innen zu deren persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen mit dem Trägerkreis befragen.
Es liest sich wie unbegrenzter Schatz: Etliche Jahrestagungen ab 1997, die Umsetzung des IGH-Gutachtens zur Völkerrechtswidrigkeit der Drohung und des Einsatzes von Atomwaffen in Büchel und später zusammen mit den Mayors for Peace zum Flaggentag, Delegationen zur UN in Wien, Genf und New York, Unterstützung des Atomwaffenverbots vor dem UN Beschluss 2017 und intensive Arbeit danach, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit dazu bis heute, Proteste, Camps, Plakataktionen. Unterstützung von Promis wie Nina Hagen 2008, Konstantin Wecker 2017 oder Margot Käßmann 2019. Happenings und vieles mehr. Immer wieder Kampf gegen Windmühlen, erschwert seit 2022. Motiviert durch Erfolge wie die Beteiligung am Friedensnobelpreis 2017, die Verleihung des Oberhausener Preis 2018 und des Aachener Friedenspreis 2019. Es gab viele offene Türen. Wir mussten nur durchgehen.
Diese kontinuierliche Arbeit geht seit Hannover unter neuem Namen weiter. Monatelang hatte sich eine Arbeitsgruppe damit befasst, den Namen des Netzwerks neu zu entwickeln und mit einem passenden Logo abzubilden. Und so wurde von der Vorbereitungsgruppe unter großem Beifall das Plakat „Aktionsbündnis atomwaffenfrei.jetzt“ enthüllt.
Mit dem „Mythos nukleare Abschreckung und deren Überwindung“ beschäftigte sich am Abend die Podiumsdiskussion. Angelika Claussen (Co-Vorsitzende der IPPNW, deutsche Sektion, und Präsidentin der IPPNW Europa), Matthias Engelke (Pfarrer, Versöhnungsbund), Thomas Hermann (Bürgermeister Hannover) und Moritz Kütt (Physiker und Politikwissenschaftler. Leiter der Arbeitsgruppe „"“Naturwissenschaft und Abrüstung„"“ am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg) bereicherten durch ihre unterschiedlichen Zugänge und Perspektiven als Einstieg in eine Vielzahl von Wortbeiträgen aus dem Publikum, gekonnt moderiert von Regina Hagen (Sprecherin des Trägerkreises).
Am nächsten Morgen gab Wolfram Springer (Geschäftsführer des CVJM Hannover) einen beeindruckenden und vielfältigen Impuls zum Engagement junger Menschen für Frieden und atomare Abrüstung, insbesondere im Zusammenhang mit der Partnerstadt Hiroshima. Dadurch motiviert diskutierten die Teilnehmenden in drei Workshops zwei inhaltliche Themen: „Nukleare Teilhabe in Europa überwinden“ mit Angelika Claussen sowie „Macht und Ohnmacht des Völkerrechts“ mit Reiner Braun (bis 2017 Geschäftsführer von IALANA Deutschland). Der dritte war ein Perspektivworkshop „Zwischen EU-Wahl und der nächsten Bundestagswahl“ mit meinem Impuls.
Unter Berücksichtigung vieler biografischer Zugänge entstanden eine Vielzahl von Ideen für die Weiterarbeit in den kommenden Jahren. Mit Fokus auf das Jubiläumsjahr 2025: u.a. 80 Jahre Kriegsende, 80 Jahre Atombombenabwürfe Hiroshima/Nagasaki. Unsere Erfahrungen als Zeitzeug*innen der letzten Jahrzehnte könnten dabei eine wichtige Rolle spielen, in Büchel, Nörvenich und überall sonst bundesweit. Wer konnte an diesem Tag ahnen, dass zwei Wochen später der Nobelpreis an die Vereinigung der Überlebenden, Nihon Hidankyo, und deren Zeugnisse 2024 vergeben würde. Ein Rückhalt auch für unsere Arbeit.
Kurz nach dem internationalen UN-Tag zur Abschaffung der Atomwaffen und dem Beitritt von Indonesien, den Salomonen und Sierra Leone zum Atomwaffenverbotsvertrag beschäftigten sich die Teilnehmenden auch intensiv mit der geplanten Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Deutschland, die die Eskalationsspirale in Europa weiter anheizt. Das Aktionsbündnis „atomwaffenfrei.jetzt“ wurde Impulsgeber und Träger für die am 4. November gegründete Kampagne „Friedensfähig statt erstschlagfähig: für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen“ (www.friedensfaehig.de; siehe den Beitrag von Simon Bödecker in diesem Heft).
Ein gelungenes Wochenende für Teambildung und Motivation zur Weiterarbeit in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.