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Aktion an der Abschiebehaftanstalt in Offenbach
vonBei der Entzäunungsaktion am Abschiebgefängnis in Worms gelang es einer kleinen Gruppe, eine der Polizeisperren zu überwinden. Die Gruppe arbeitet seitdem als "Gewaltfreie Aktionsgruppe für das Recht auf Asyl" weiter und widmet sich zurzeit schwerpunktmäßig der Zentralen Hessischen Abschiebehaftanstalt in Offenbach.
"Ein Engel? Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich ihnen das glaube. Ein Engel hat ihm gesagt, er soll nach Deutschland fliehen! Nein, also, das ist bei uns kein Asylgrund." Der Beamte vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, der an einem der langen Samstage vor Weihnachten seinen Schreibtisch in der Offenbacher Fußgängerzone aufgebaut hat, läßt sich dann aber doch erweichen, die Sache noch einmal zu prüfen. Er schickt Josef und Maria, die das Jesuskind auf dem Arm hält, hinaus, um mit König Herodes zu telefonieren. Erst als dieser ihm bestätigt, daß es in Palästina keinerlei politische Verfolgung gibt, setzt er seinen großen Stempel auf den Asylantrag und schickt die heilige Familie zurück in ihr "Sicheres Herkunftsland".
In einem kleinen Theaterstück spielte die "Gewaltfreie Aktionsgruppe für das Recht auf Asyl" am zweiten Adventssamstag durch, was geschehen würde, wenn Maria, Josef und Jesus heute in Deutschland Schutz vor Herodes suchen würden. Die Einzelheiten der Asylgesetzgebung seit Mai 1993, Begriffe wie "Sicheres Herkunftsland", "Sicherer Drittstaat", Flughafenschnellverfahren", "verspätetes Vorbringen" nahmen dabei konkret Gestalt an. Auch wenn nur wenige PassantInnen stehenbleiben, um das Stück zu verfolgen, so war es doch für uns als Gruppe eine wichtige Erfahrung: Durch das Theaterspielen näherten wir uns dem Thema "Asylrecht" auf eine ganz neue Weise.
Am Abend fanden wir uns dann am "Tatort" unsere letzten Aktion ein: an der Abschiebehaftanstalt in der Offenbacher Luisenstr. Dort waren wir im Mai mit Leitern über den Zaun gestiegen, um auszudrücken, daß wir die Trennung zwischen denen drinnen und uns draußen nicht hinnehmen können. als wir mit Hammer und Meißel an den Abbau der Gefängnismauer gingen, hatte uns die Polizei hinausgetragen. Diesmal nun hielten wir an dieser Stelle "Nur" eine Mahnwache ab. Anders als bei unsere Aktion im Mai, konnten wir aber diesmal Kontakt zu den Gefangenen bekommen. Hinter allen Zellenfenstern waren Menschen zu sehen, und einige zündeten, wie wir draußen Kerzen an. Die Dringlichkeit der Situation und unsere eigene Hilflosigkeit wurde uns allen schmerzlich bewusst, als einzelne Gefangene uns ihre Namen und Schicksale zuriefen. So gab einer an, es gebe gegen ihn weder einen Haftbefehl noch eine Abschiebeverfügung. Von einem anderen verstanden wir nur so viel, daß er aus Nigeria kommt - einem Land, für das die Innenminister der Länder zurzeit einen Abschiebestopp erwägen. Es wurde uns schwer, vom Gefängnis wegzugeben, ohne mehr versprechen zu können, als daß wir weiter für die Widereinführung des Grundrechts auf Asyl kämpfen werden - ein langwieriger Kampf, der denjenigen, die jetzt in Abschiebehaft sitzen, kaum helfen dürfen. Diese Erfahrung war eine wichtige Grundlage für Gespräche am Samstagabend und Sonntag, bei denen wir unsere weitere Arbeit planten. Unsere nächste Aktion ist für das Frühjahr vorgesehen.
Bis dahin wird uns auch die juristische Auseinandersetzung weiter beschäftigen: Wir warten nicht nur mit Spannung und Hoffnung auf das Urteil des BVerfG zur Asylgesetzgebung, sondern sind auch selber gefordert, vor Gericht darzulegen, warum Ziviler Ungehorsam für das Recht auf Asyl notwendig ist. Am 24. Januar 1996 wurde Ingo Laubenthal wegen der Entzäunungsaktion vom Dezember 1994 vom Amtsgericht Worms verurteilt. Unsere Gruppe hatte damals eine Polizeiabsperrung auf dem Weg zum Gefängnis überschritten. Neben der Sachbeschädigung am Stacheldraht der Polizei wird Ingo vor allem zur Last gelegt, daß er bei der Demonstration einen Seitenschneider mitgeführt hat (2 und 27 Versammlungsgesetz). Der Straftbefehl lautet auf 75 Tagessätze. Wer noch nicht so genau weiß, ob er oder sie Zivilen Ungehorsam in dieser Sache für angemessen hält, sollte sich den Prozess nicht entgehen lassen.