Buchbesprechung

Alltagsrassismus

von Christine Schweitzer
Hintergrund
Hintergrund

In diesem  Taschenbuch erläutert Wolfgang Benz, ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin und bekannter Zeithistoriker und Antisemitismusforscher, verschiedene Dimensionen und Begriffe im Themenfeld des „Alltagsrassismus“. Damit sind die Ausprägungen organisierter gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gemeint, wie sie uns im Alltag begegnen.

Das Buch ist lexikalisch aufgebaut und enthält jeweils etliche Stichworte in acht Kapiteln: Ressentiments und Methoden der Ausgrenzung, historische Dimensionen, Rassismus als Ideologie, Begriffe und Postulate, rassistische Propaganda, Gruppen und deren Abwertung, Akteure und Aktionsfelder des Rassismus und eine Darstellung von zwölf Fällen rassistischer Gewalt, von Hoyerswerder 1991 bis zu Chemnitz 2018 und der NSU. Wer mehr über die historischen Dimensionen von Rassismus und Antisemitismus wissen will, wird hier genauso fündig wie derjenige, der sich über die verschiedenen Argumente, Phrasen und Akteure der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit informieren möchte. Schwergewicht wird dabei auf Rassismus, Islamfeindschaft, Antiziganismus und natürlich Antisemitismus und -zionismus gelegt. Sie sind die Hauptausprägungen dessen, was Benz unter „Alltagsrassismus“ zusammenfasst. Vorurteile, so zeigt er immer wieder, führen zu Ressentiments und von diesen ist es oft nur ein kleiner Schritt zu Ausgrenzung und zu direkter Gewalt. Dabei gibt es, auch das wird immer wieder deutlich in den Beispielen, eine Arbeitsteilung zwischen IdeologInnen und TäterInnen. Das Buch ist schon erschienen, als im Sommer 2019 nach dem Attentat in El Paso die Diskussion über Präsident Trumps rassistische Äußerungen entstand, die dem Attentäter den Boden bereiteten, sonst hätte Benz dies sicherlich als Beispiel für diese Arbeitsteilung mit aufgenommen.

Eine Frage, die immer wieder anklingt, ohne dass Benz ihr ein eigenes Stichwort widmet, ist die Frage nach der Verwicklung von Staatsorganen in die Anstiftung von Gewalt durch PolitikerInnen.. Er beschreibt in der Darstellung der verschiedenen historischen Fälle, aber auch an anderer Stelle immer wieder etwas, was nur als Komplizentum von seiten dieser Organe gelesen werden kann. Es entsteht bei den Lesenden hier ein sehr ungutes Gefühl, was das Vertrauen in die Abwehr von Rassismus durch den Rechtsstaat angeht.

Was das Buch nicht enthält, sind ausführliche Antworten darauf, wie man mit dem Phänomen umgeht bzw. was man dagegen tun kann. Ein Hinweis findet sich allein in der Einleitung, wo Benz auf politische Bildung verweist. „Notwendig ist vor allem die Vermittlung der Einsicht, dass es sich beim Antisemitismus wie bei anderen Vorurteilen nicht um den Reflex der Mehrheit auf Charaktereigenschaften, Bestrebungen, Handlungen der jeweiligen Minderheit handelt, sondern um die Konstruktion eines Feindbildes, das mit der Realität wenig oder nichts zu tun hat.“ (S. 13-14)

Wer in der politischen Bildung tätig ist, der oder dem wird dieses Buch wertvolle Hilfestellung hierbei leisten. „Alltagsrassismus“ ist mehr als Nachschlagewerk konzipiert, denn als ein Buch, das man von vorne bis hinten durchliest. Wer das, wie die Rezensentin, trotzdem tut, wird gelegentliche Doppelungen bemerken, die der Absicht geschuldet sind, zu jedem Stichwort eine möglichst vollständige Erläuterung zu geben. Es gibt im Deutschen viele Bücher über Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, aber keines, das in so prägnanter und gleichzeitig allgemeinverständlicher Form das Thema Rassismus in seinen verschiedenen Facetten beleuchtet. Deshalb sei es allen LeserInnen uneingeschränkt empfohlen!

Benz, Wolfgang (2019): Alltagsrassismus. Feindschaft gegen “Fremde” und “Andere”. Frankfurt/M, Wochenschau Verlag, 222 S., ISBN 978-3-7344-0794-9, 14,90 €

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.