Anschluß, Zusammenschluß oder Kurzschluß?!

von Rudi Friedrich

Auf den allerorten stattfindenden Treffen mit TeilnehmerInnen der Friedensbewegungen der BRD und DDR stellt sich immer wieder die Frage der Zusammenarbeit. Soll die Friedensbewegung die Frage der „Wiedervereinigung" für sich nutzen oder gibt es jenseits des nationalen Taumels und gegen nationalistische Interessen eine Strategie der Friedensbewegung?

 

Schauen wir uns die Situation in beiden deutschen Staaten mit einem antimilitaristischen Blick näher an: Die DDR rüstet ab.

In der Tat ist die NYA einem rapiden Zersetzungsprozeß unterworfen. Der Einfluß der SED auf die Armee wurde zurückgedrängt, die Wehrpflicht verkürzt...

Der Legitimationsverlust der SED und die nicht näher definierten Aufgaben sowohl nach außen wie nach innen führte zur Befehlsverweigerungs- und Desertionshaltung. Die Soldaten sympathisieren eher mit den neuen Repräsentanten der DDR.

Auch das am 1. März. in Kraft getretene Zivildienstgesetz ist Folge dieses Prozesses: es gibt kein Prüfungsverfahren, gleiche Dauer von Wehr- und Zivildienst, nur geringe Strafen für das Nichtleisten des Zivildienstes; die Grundrechte werden beibehalten, eine Zivildienstüberwachung soll nicht stattfinden.

Die bisher ungeahnten Möglichkeiten, antimilitaristische Ideen auch in der Verfassung zu verankern, haben innerhalb der Bewegung der DDR – verständlicherweise - Euphorie entstehen lassen.

Abrüstung ist nicht gleich Entmilitarisierung

Wenn auch einige Entwicklungen in der DDR ein positives Licht auf die Möglichkeiten werfen, stellen sich nur gar zu leicht Zweifel ein. Es wäre unlauter, den Regierenden zu unterstellen, daß sie sich nicht für die Aufrechterhaltung des staatlichen Gewaltmonopols einsetzen würden. Vielmehr ist ihnen daran gelegen, zu retten, was zu retten ist und die Abrüstung zu vertagen.

Schaffung von neuen Einsatzbereichen wie Umweltschutz, Solderhöhung, der Versuch, die NVA zukünftig demokratisch zu legitimieren (Trennung von SED) …, deuten vielmehr darauf hin, der Armee eine neue Akzeptanz zu verschaffen.

Die Verabschiedung des Zivildienstgesetzes heißt nicht nur, die Kriegsdienstverweigerung zu legalisieren, sondern auch einen Ersatzdienst überhaupt einzuführen. Es sei daran erinnert: die arbeitsmarktpolitische Kritik am Zivildienst in der BRD trifft auch auf die DDR zu. Mittels der Wehrpflicht sollen die Lücken in der sozialen Versorgung gestopft werden, anstatt an den Ursachen für die Abwanderung in diesem Bereich anzusetzen. Das Interesse der Kirchen an billigen Arbeitskräften, so wäre zu vermuten, hat dieses Gesetz so schnell über die Bühne gehen lassen.

BRD - von Abrüstung keine Spur

Das westliche Militär ist durch die Umwälzungen im Osten Europas und den Wegfall des Feindbildes in starken Legitimationsdruck geraten.

Das Ziel der NATO, und hier insbesondere der Bundeswehr, ist aber nach wie vor, den Macht- und Einflußbereich nach Osten auszudehnen und militärisch abzusichern. Die geschaffenen und für die Zukunft projizierten ökonomischen Abhängigkeiten werden die Grundlage dafür bilden.

Einstweilen läßt man sich in der NATO auf eine Arbeitsteilung ein, wie z.B. Sir Michael Howard ausführt:

"Unsere künftige Aufgabe wird ( ... ) sein, den Wandel zu bewältigen - und das in stillschweigender, wenn nicht gar ausdrücklicher Zusammenarbeit mit unseren früheren Gegnern." (NATO-Briefe) - zur Ausbeutung der Rohstoffe und der Unterdrückung der Bevölkerung in der Dritten Welt, versteht sich.

Für die BRD wird die Perspektive der Ausdehnung des deutschen Wirtschaftsraumes nach Osten, auch über den Bereich der DDR hinaus, langfristig an eine einzige deutsche Armee gekoppelt sein. Wirtschaftsmacht und Militär werden dann die Garanten für eine neue Großmacht Deutschland darstellen.

Bei diesen Aussichten fällt es schwer, auch hier in der BRD euphorisch zu werden. Einzige Hoffnung und Aussicht der BRD-Friedensbewegung ist da der Legitimationsschwund der Bundeswehr ob des fehlenden Feindbildes.

Perspektiven?

Mit Blick auf diese Entwicklungen wird klar, was eine Friedensbewegung zu thematisieren hätte. Man sollte sich nicht davon blenden lassen, daß der Anschluß der DDR scheinbar friedlich abläuft. Unsere Antwort auf Nationalismus und Militarismus muß sich notwendig auf das System beziehen, das sich anschickt, die DDR zum Nulltarif aufzukaufen.

Es gibt keinen Grund, jetzt selbst zu gesamtdeutschen Initiativen zu greifen und damit diese Entwicklung vorwegzunehmen.

Dies spricht keineswegs gegen einen Austausch mit Gleichgesinnten in der DDR, nach direktem Kontakt und der Entwicklung von Verständnis für die jeweiligen Bedingungen mit dem Ziel gegenseitiger Unterstützung.

Darüber hinaus muß es uns um die einseitige Benennung nationalistischer und militaristischer Interessen gehen. Statt uns des Beifalls des BRD-Imperialismus zu versichern, sollten wir ihm lieber, frei nach den Brüdern Grimm, Wackersteine verabreichen:

"Für eine BRD ohne Armee". Die radikale Frage nach dem Sinn dem Militarismus ist angesagt: als Antwort auf die uns überrollenden Entwicklungen.

Rudi Friedrich arbeitet in der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Gruppe Offenbach, mit.

 

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