Aus meiner Verfassungsbeschwerde geplaudert

von Thomas Geisler
Die vergangenen zwei Jahre seit der Airbase-Blockade verlebte ich heillos. Jedenfalls soweit die Zänkereien auf mich abfärbten, die von hochnobliger Seite an mich herangetragen wurden.

Als bekannt setze ich voraus, wie Polizei und Gerichte zum Zwecke unserer Einschüchterung, Spaltung und Kriminalisierung zusammenarbeiteten.

Nicht zur Sprache kamen allerdings bisher erstens die nicht vom Amtsgericht beachtete Verfügung der Staatsanwaltschaft, Strafandrohungen wegen Geringfügigkeit zurückzuziehen und zweitens das Betreiben des AG (Richterin Walter), das Nordtor-Verfahren in 5 Verfahren aufzuteilen, gegen das die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt hatte. Der Beschluss sei willkürlich, der Verfahrensökonomie nicht dienlich, führe zur Veruneinheitlichung der Beurteilung und widerspreche einer Richtlinie. Ich ergänze, dass er die Angeklagten durch die Vervielfachung der Beweismittelkosten finanziell unter Druck setzte. Das Landgericht verwarf diese Beschwerde. Ein Abtrennungsbeschluss sei der Beschwerde entzogen; eine Abänderung greife untragbar in die Entscheidungsfreiheit der Richterin ein. In der Folge gab es Verurteilungen und Freisprüche. Einen Vorschlag der Staatsanwaltschaft (!), nach Geringfügigkeit zu verfahren, wehrte Frau Walter nun mit dem Argument der Gleichbehandlung ab. Der Fuchs hat den Salat gefressen. Hierher gehört auch die Tatsache, dass das Gericht über den aktenmäßigen Verbleib etlicher Nordtor-Demonstranten keine Auskunft erteilen kann.

In meinem Falle kamen noch einige amtliche Rechtsverstöße hinzu, die nur durch einen politisch-juristischen Missstand erklärbar sind, der über die Summe der von mir angegriffenen Entscheidungen hinausgeht und dem vom der Kontrollinstanz gegenzusteuern ist. Unter Hinweis auf diese besondere Zusammenwirkung richtete ich meine Verfassungsbeschwerde(unter Bezugnahme auf Art. 14 GG) darauf aus, dass das Landgericht als letzte Instanz diese Fehler hätte erkennen und eine Berufungsverhandlung wenigstens zulassen müssen. Einige standen im Zusammenhang mit der für die Verhältnismäßigkeit, mithin Verwerflichkeit, mithin Strafbarkeit zentralen Frage des entstandenen Schadens.

Das LG hätte in einer weittragenden und widersprüchlich beurteilten Sache und in einem unanfechtbaren und den Instanzenzug verkürzenden Beschluss erkennbar Rechnung tragen müssen,
 

 
    dass das AG, nachdem ich versucht hatte, ohne Eingriff in die Schuldfrage bei den Geschädigten die subjektive Zwangswirkung festzustellen und ggf. zu mildern, meine entsprechenden Willenserklärungen wiederholt gesetzeswidrig nicht wahrnahm.
 
 
    dass das LG meinen Befangenheitsantrag wegen dieser Weigerung ohne inhaltliche Begründung einer Entscheidung entzog. Auf eine entsprechende Beschwerde reagierte es überhaupt nicht. Andere Beschwerden bügelte es unerfindlich damit ab, es sei ein anderer als der von mir angegebene Grund "ersichtlich".
 
 
    dass das AG mein Begehren, den angesetzten Prozess mit Hinsicht auf zweitinstanzliche Entscheidungen vorangegangener Parallelprozesse aus ökonomischen und rechtlichen Gründen zu vertagen, inhaltlich unbegründet zurückwies.
 
 
    dass die Richterin während der Verhandlung eine Stellungnahme zu diesen Verweigerungen verweigerte und einen sofortigen Misstrauensantrag rechtswidrig in eigener Sache nicht zur Entscheidung zuließ.
 
 
    dass sie meinen Antrag auf Wahrnehmung meines Willens zum Schadensausgleich verwarf mit dem Hinweis auf einen Verteidiger, der darin absurderweise ein Schuldeingeständnis seiner Mandantin erkannte.
 
 
    dass sie die Beweisaufnahme an sich schon unzulässig eingeschränkt hatte, indem sie im Vorhinein keine Zeugen zuließ, weil die Verhandlung der Klärung von Rechtsfragen vorbehalten sei, dann aber Sachbestände und Zeugenaussagen im Sinne der Anklage verwendete.
 
 
    dass sie sich öffentlich mit der StA über das Strafmaß absprach.
 
 
    sie ihr Urteil vor allen Anwesenden mit dem Hinweis begründete, die militärischen Interventionen seien eine legale Sache, und der Bundeskanzler sei legal gewählt.
 
 
    dass nach ihrem Urteil laut (abweichender) schriftlicher Begründung auf einer Setzung vollendet unbeweisbarer Ausschließlichkeit beruht: zielgerichtete Provokation sei der einzig mögliche Grund, die Fahrbahn zu blockieren.
 
 
    dass sie in dieser Begründung behauptet, wir haben den Sachverhalt gemäß Anklage nicht bestritten, obwohl ich mindestens eine halbe Stunde nichts anderes tat.
 
 
    Das LG hätte erkennbar die Akten lesen sollen, in denen meine Erwägungen begraben sind.

Seine Zurückweisung meines Berufungsantrages ist Satz für Satz Wahnvorstellung. Die Polizeisperre sei unser bedingter Vorsatz gewesen. Das soziale Gewicht des Anliegens beeinflusse nicht die Rechtswidrigkeit. Wir seien ungeeignet, das Pentagon umzustimmen. Demonstrative Blockaden seien in der Regel verwerflich. Ein Verbotsirrtum sei vermeidbar, weil die einzig korrekte anwaltliche Auskunft auf die BGH-Rechtssprechung verwiesen hätte. Unser alleiniges Motiv sei die Selbstdarstellung.

Besonders mit Letzterem verübte das LG nebenbei einen Angriff auf meine Würde, der für das ergangene Ergebnis nicht nötig, also böswillig war. Richterin Walter hatte uns noch ehrenwerte Motive als strafmindernd zugebilligt, um dieses Argument einer Berufung zu entziehen. Richter Fidora bescheinigt uns also nun (natürlich ohne jedes Indiz und trotz aller Gegenindizien) eigennützige Motive. Wodurch sich die Schwere unserer Tat so weit erhöht, dass de jure einer Berufung stattgegeben werden muss. Denn 15 Tagessätze sind kein Zufall, sondern das höchstmögliche Strafmaß, bei dem eine Berufung ablehnbar ist. Das hat er nicht bedacht! Aber er ist de facto jeder Rechenschaft entzogen.

Das LG verweigert sich schlicht der Diskussion um das 2.-Reihe-Urteil. Der Art. 103 ist ein Grundrecht auf Nachvollziehbarkeit richterlicher Interpretation. (Dieser Diskussion fügte ich u.a. bei, das in der Leidensbereitschaft der Blockierer ein Argument für die psychische Natur der Blockade liegt.)

Das LG handelt nachlässig, willkürlich, tendenziös, unzulässig, korrupt. Wer wissen will, wie ich mich in meiner Verfassungsbeschwerde ausdrücke und was ich noch alles anführe, besorge sich die ersten 15 Seiten. (Thomas Geisler, Lilienstr. 26, 98646 Bedheim, thomasegeisler [at] web [dot] de)

Soweit, für Sympathisanten gedacht, dieser Extrakt aus meiner Beschwerde. Wenn ich Glück habe, verwendet das BVG nach Jahr und Tag in seiner Ablehnung brauchbare Formulierungen. Was mich jetzt grämt (außer z.B., dass mein Anwalt für 1 schlampiges Briefchen 560 Euro haben will), ist die weiterhin real existierende Straffreiheit und damit Gesetzlosigkeit der Richter, durch die ein weiterer Abbau der Rechtsstaatlichkeit programmiert ist. Wer mir hier helfen kann, ist dringend von mir eingeladen.

Großes Fazit: Wenn was geht, dann nur gleichzeitig nach beiden Seiten. Die Hauptsache, nämlich eine zivil ungehorsame Kultur, muss uns stark machen für die wichtigste Nebensache, nämlich die Reaktion auf das herrschende Unrecht.

Ausgabe