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BoA-Aktionstag 15.5.93
vonBundeswehr in Kambodscha, Somalia, in Awacs-Flugzeugen über Jugoslawien: weltweite Bundeswehreinsätze drohen nicht mehr, sie sind bereits Alltag. Und die Regierung will ihre Soldaten auch bald ganz "normale" Kampfeinsätze ausführen lassen.
Verhältnisse also, die geradezu nach einer antimilitaristischen Protestbewegung schreien. Doch davon ist bisher weder im Parlament noch "auf der Straße" etwas zu sehen.
Dort allerdings, wo bellizistische Bestrebungen ihre bisher konkreteste Gestalt annehmen, wurde am 15. Mai demonstriert: im südbadischen Müllheim. Dorthin wird derzeit die deutsch-französische Brigade verlegt. Gegründet wurde sie bereits 1989, und ihr Sinn, der damals noch gemutmaßt werden mußte, ist heute öffentlich bekannt: im Oktober dieses Jahres wird sie dem sog. "Euro-Korps" unterstellt. Dieses militärische Lieblingsprojekt von Kohl und Mitterand soll "den Kern für eine eigene militärische Eingreiftruppe Europas ... schaffen, zu deren Aufgaben in Zukunft auch weltweite Kampfeinsätze gehören sollen", so äußert sich Gernot Erler, Mitglied im Verteidigungsausschuß des Bundestages. Der derzeitige Brigade-Kommandeur meinte auf die Frage, ob sich seine Brigade nicht besonders als schnelle Eingreiftruppe eigne:
"Grundsätzlich ist dies sehr wohl denkbar... Die Pflicht der Soldaten, treu zu dienen, ist nicht auf das Territorium der Bundesrepublik beschränkt. Die Verpflichtung, Leben zu schützen, ist deshalb meiner Ansicht nach nicht regional begrenzt Wir sehen ja in letzter Zeit immer deutlicher, wo überall in der Welt Krisen entstehen, die nicht mehr national gelöst werden können."
Grund genug für einige Friedensbewegte, dieser Brigade einen Protestbesuch abzustatten. Bereits im Vorfeld mußte allerdings die Hauptarbeit von Einzelpersonen geleistet werden. Mitglieder von Friedensorganisationen oder Parteien wurden im Wesentlichen sich selbst überlassen. Auch an der Demo selbst glänzte das "traditionelle Unterstützerlnnen-Spektrum" hauptsächlich durch Abwesenheit.
Am 15. Mai, dem bundesweiten Aktionstag für eine BRD ohne Armee, versammelten sich darin 60 Leute im Freiburger Stadtzentrum. Nach einem Redebeitrag zur out-of-area-Thematik marschierten sie zum Bahnhof, von wo aus ein Teil von ihnen nach Müllheim fuhr. Dort waren es dann noch 40 Leute, die sich zur Kaserne aufmachten. Christoph Besemer von der Werkstatt für gewaltfreie Aktion ging auf Geschichte und Bedeutung dieser Brigade ein. Dabei machte er klar, daß "humanitäre Aspekte" bei der Bundeswehr keinerlei Rolle spielen und zog exemplarisch den Fall Somalia heran: hier hatte die Bundesregierung 1991 "kein Geld'' für Hungerhilfe, heute, wo Soldaten die "humanitäre Hilfe" übernehmen dürfen, "darfs dann auch gern etwas mehr kosten".
Mit Noelle Vise von "France sans Armée" war auch eine französische Friedensgruppe vertreten. Ihr Hauptanliegen war es, den Unterschied zwischen Völkerfreundschaft und Waffenbrüderschaft deutlich zu machen. "Wir wollen keine Freundschaft, die sich auf dem Schlachtfeld beweisen muß", erklärte sie und forderte die Auflösung der Brigade. Anschließend wurde eine große Papierrolle bemalt und an die Kasernenwand geheftet und die Straße mit Kreidefarben bemalt.
Während die Stimmung innerhalb der Demonstration recht gut war und auch die Reaktionen aus dem Publikum nicht feindseliger waren als sonst auch, war mit der Teilnehmerlnnenzahl natürlich keine/r der Organisatorlnnen zufrieden. Formulierungen wie "es ist keine günstige Zeit für Großdemos", "Demos sind langweilig geworden" können das eklatante Fehlen der Protestbereitschaft in der Öffentlichkeit nicht erklären. Die "Bellizisten" haben es geschafft, Kriege wieder als "Normalität" darzustellen, außerdem fallen unglaublich viele Menschen auf die Masche der "humanitären Einsätze" herein. Wichtig dürfte es also werden, zivilpazifistische Alternativen zu entwickeln. Mit einem Forderungskatalog, wie man "in Krisen gewaltfrei intervenieren" solle und könne, haben die südbadischen DemoorganisatorInnen diesen Punkt zwar berücksichtigt. Bis diese Thematik wirklich "zum Thema" wird, braucht es aber noch verstärkte Anstrengungen. Die traditionellen UnterstützerInnengruppen sind hoffentlich nicht überall so lahmgelegt wie in Freiburg.
Immerhin geht es um nicht weniger als darum, zu verhindern, daß dieses Land wieder Kriege führt. Die Freiburgerlnnen hoffen nun, mit ihrer Aktion das Startsignal für eine breitere Beschäftigung mit dem Thema gegeben zu haben. Ermutigend war zumindest, daß von den 40 Leuten in Müllheim etliche quer durch die ganze Republik angereist waren. Und Aktionen für eine BRD ohne Armee gab es an diesem Tag in weiteren 17 Städten der BRD. Wir sind also noch wenige, aber wir sind überall - und das kann sehr schnell sehr wichtig werden...