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Ziviler Ungehorsam für Asylrecht:
Bonner Amtsgericht verurteilt weiter.
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Das Bonner Amtsgericht hat erneut in zwei Prozessen zwei MenschenrechtlerInnen aus dem Aktionskreis "Ziviler Ungehorsam für Asylrecht" zu einer Geldstrafe von 3.000,- DM sowie einen der AufrufunterzeichnerInnen zu 1.800,- DM verurteilt (vgl. auch FF 4/95, S.13). Der Aktionskreis hatte zum Menschenrechtstag 1994 zu einer symbolischen und gewaltfreien Entzäunung des Abschiebegefängnisses in Worms aufgerufen. Das Gericht wertete den Aufruf als Aufforderung zu Straftaten (_ 111 StGB). Die Betroffenen, Ursula Ganßauge aus Darmstadt, Anne Bahr aus Witten und Detlev Beck aus Neuß hatten vor Gericht deutlich gemacht, daß sie aus menschenrechtlichen Gründen das herrschende Asylrecht und insbesondere die Abschiebehaft verurteilen und für verfassungswidrig halten.
Von den 800 UnterzeichnerInnen des Entzäunungsaufrufes stehen lediglich 16 vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat die Mitglieder des Aktionskreises, also die InitiatorInnen, sowie diejenigen von den MitunterzeichnerInnen herausgepickt, die schon einschlägig vorbestraft waren. Detlev Beck machte vor Gericht zwar deutlich, daß seine Vorstrafen alle aufgrund von Verurteilungen im Zusammenhang mit Sitzblockaden der Friedensbewegung standen und somit nicht mehr gelten, da sie ja wegen des neuen Verfassungsgerichtsbeschlusses aufgehoben würden; dies schien den Staatsanwalt jedoch nicht sonderlich zu rühren.
Auch in diesen neuen beiden Prozessen würdigten die Richterin und der Richter in keiner Weise die von den Angeklagten dargelegten Rechtfertigungsgründe für ihr Tun. Zwar waren richterlicherseits diesmal keine nationalistisch-deutschen Töne wie im ersten Prozess zu vernehmen. Aber eine angemessene Auseinandersetzung mit der Motivation zum zivilen Ungehorsam fand auch in diesen neuerlichen Prozessen vor dem Bonner Amtsgericht nicht statt. Die Richter argumentierten lediglich mit der Notwendigkeit, die allgemeine Ordnung aufrechtzuerhalten. Sonst könnte ja jede/r z.B. Kreuze auf- oder abhängen, bzw. Bahngleise demontieren, wie es gerade beliebt. Solche - von einem Staatsanwalt zugegebenermaßen - schlecht gewählten Beispiele mußten herhalten, um die Verurteilungen zu begründen.
Daß jedoch Ziviler Ungehorsam nicht beliebig angewandt werden kann, hatten alle Angeklagten in ihren Rechtfertigungsreden vor Gericht klar und deutlich vorgetragen. So hatte z.B. Detlev Beck John Rawls zitiert, für diesen ist Ziviler Ungehorsam "eine öffentliche und gewaltlose Handlung, die in Einklang mit dem Gewissen, aber in Widerspruch zum Gesetz steht und gewöhnlich mit der Absicht vollzogen wird, einen Wandel in den Maßnahmen oder Gesetzen der Regierung herbeizuführen. .. (man) kann ... diese Handlung so verstehen, als sei sie an den Gerechtigkeitssinn der Mehrheit gerichtet, um sie dazu zu bringen, von neuem über die Maßnahme nachzudenken, gegen die protestiert wird". Als Kriterien für eine solche Aktion nannte Detlev Beck das Vorliegen eines schwerwiegenden, nicht hinnehmbaren staatlichen oder gesellschaftlichen Unrechts, die ethisch-menschenrechtliche Begründung, die Öffentlichkeit und Gewaltfreiheit der Handlung sowie die Bereitschaft, die Folgen des Tuns in Kauf zu nehmen.
Leider waren die RichterInnen bislang in Bonn noch nicht auf dieser Ebene der Auseinandersetzung eingestiegen. Sonst hätten sie eine gewissenhafte Abwägung der in Frage stehenden Güter vornehmen müssen, nämlich das Unrecht der Abschiebehaft auf der einen Seite im Verhältnis zur Inkaufnahme einer geringfügigen Sachbeschädigung zum Zweck der entschiedenen Demonstration gegen solche staatlicherseits vorgenommenen Menschenrechtsverletzungen. Nach einer solchen Abwägung könnten die RichterInnen auch zum Urteil kommen, daß hier eine ethische aber auch rechtliche Begründung für den zivilen Ungehorsam gegeben wird, die einen Freispruch rechtfertigen würde. Bleibt zu hoffen, daß dies in den weiteren Prozessen, bzw. Berufungsverhandlungen Wirklichkeit wird.
Weitere Prozesstermine, die bisher fest stehen: 12.10.95, 12.00 Uhr gegen Hermann Theisen, 20.10.95, um 9.30 Uhr Berufungsverhandlung Landgericht, Hubertus Janssen. Da ständig weitere Termine angesetzt werden, können Interessenten diese bei der Kontaktadresse erfahren. Die bisherigen Plädoyers der Angeklagten, in deren Mittelpunkt immer wieder das herrschende Asyl-Unrecht und die menschenunwürdige Abschiebehaft stehen, können gegen 5,- DM in Briefmarken angefordert werden.