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Vor großen Aufgaben: Weltinnenpolitik und Internationale Polizei
Buchbesprechung
von
Unter dem Zukunft versprechenden Titel „Weltinnenpolitik und Internationale Polizei“ hat eine kleine „Fachgruppe Internationale Polizei“ (Ralf Becker, Horst Scheffler, dem verstorbenen Dirk M. Harmsen und Theodor Ziegler) begonnen, über die Notwendigkeit einer Internationalen Polizei (IP) anstelle des Militärs nachzudenken. Das ist ein anspruchsvoller Versuch, gegen den aktuellen Mainstream einer militäraffinen öffentlichen Meinung die Gewaltfreiheit als Maxime einer Internationalen Polizei auf Weltebene zu konzipieren.
Der Versuch entspringt dem Beschluss der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 24. Oktober 2013: „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“. (1) Darin ist das Szenario „Sicherheit neu denken. Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“ mit fünf Säulen angelegt, wovon eine die „Internationale Sicherheitsarchitektur inklusive der gemeinsamen Internationalen Polizei ist. (2) Ermutigt dazu wurde die Fachgruppe von Carl Friedrich von Weizsäcker, der angesichts der nuklearen Vernichtungspotentiale 1963 von der Notwendigkeit einer „Weltinnenpolitik“ sprach und wünschte, dass die „globale Abrüstung eines Tages in die Übertragung des Polizeimonopols an eine internationale Behörde einmünden muss.“ (S. 13)
Der Sammelband greift die bisherige, nicht zu Ende geführte Debatte (3) über die Substitution militärischer Gewalt mit einem ganzen Bündel nachdenklichen Positionen pro und contra auf. Ein Teil A beschäftigt sich mit Fragen zum Militär, der Teil B mit Weltinnenpolitik und internationaler Polizei, Teil C mit den Erfahrungen gewaltfreier Konfliktbearbeitung. Teil D äußert sich zur Idee und den Perspektiven, Teil E schließlich mit den Perspektiven zum Weiterdenken in Kirche, Gesellschaft und Politik.
Ein erster Beitrag über die „Zielperspektive Internationale Polizei und Realisierungsaspekte“ präsentiert das thematische Tableau des Dialogprojektes Internationale Polizei auf der Grundlage der Ergebnisse einer ersten grundlegenden Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Herrenalb (22. bis 24.9.2021). Es sind dies die Zielvorstellungen, die Aufgabenbereiche, die Rekrutierung und der Einsatz Internationaler Polizeikräfte, Bewaffnung, Profil des Berufs als Internationale Fachkraft sowie die ausstehenden Reglungen und Klärungen.
Unter anderem nehmen Ullrich Hahn und Thomas Hoppe zu der Problematik des Militärs aus pazifistischer Sicht und des Vorrangs für Gewaltprävention Stellung. Klaus Moegling plädiert für eine „gesellschaftliche Pazifizierung“ „vor dem Hintergrund einer grundlegenden Neuordnung des multilateralen Systems und insbesondere der Vereinten Nationen“ (S. 76). Wolfgang Heinrich, Christine Schweitzer, Marie-Noëlle Koyara und Hubert Heindl informieren detailliert über Ansätze für eine Internationale Polizei mit Erfahrungen in Somaliland, zum Zivilen Peacekeeping und zur Zivilen Krisenprävention in der deutschen internationalen Zusammenarbeit. Thomas Nauerth liefert den theologisch wichtigsten Beitrag des Bandes. Jochen Cornelius-Bundschuh formuliert auf der Grundlage vom Leitbild des gerechten Friedens Thesen zur zivilen Sicherheitspolitik. Oberst Matthias Rogg will Soldaten nicht durch Polizisten ersetzen, sondern sinnvoll neben militärischen Kräften platzieren. Alle Kapitel bereichert am Ende Traugott Schlächtele mit kontrastierenden Gedichten, die den Blick über die Sachfragen hinaus weiten.
Die Fachgruppe Internationale Polizei ist ähnlich tätigen Institutionen verbunden. In ihr arbeiten in Zukunft auch Fachleute aus Institutionen von Politik, Polizei, Militärseelsorge, Friedensbewegung und Friedensforschung mit. Beispielhaft ist das Eckpunktepapier „Initiative zur Verbesserung und Stärkung des vorhandenen deutschen internationalen Polizeiengagements“, verfasst von Beamt*innen der Deutschen Hochschule der Polizei als Zwischenprodukt der Kooperation.
Trotz des hohen Preises von 40 Euro lohnt sich der Kauf. Das Buch inspiriert zum Nachdenken und Beraten über den Versuch, eine innerstaatliche rechtsstaatlich organisierte Polizei als Instrument der Weltinnenpolitik zu konzipieren. Der erweiterten Fachgruppe ist für die nächsten Schritte im kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Diskurs viel Erfolg und besonders Mitdenken zu wünschen.
Harmsen, Dirk M., Stefan Maaß, Horst Scheffler und Theodor Ziegler (Hg.) (2023): Weltinnenpolitik und Internationale Polizei – Neues Denken in der Friedens- und Sicherheitspolitik, V&R unipress, Göttingen, 2023, 233 Seiten, ISBN 978-3-8471-1526-7, 40 Euro
Anmerkungen
1 https://www.sicherheitneudenken.de/media/download/variant/192490 (Zugriff auf alle: 24.8.2023)
2 https://www.sicherheitneudenken.de/media/download/variant/262427/szenari...
3 Vgl. das frühere Gutachten zu Just Policing von Ines Jacqueline Werkner, FEST: https://www.ekiba.de/infothek/arbeitsfelder-von-a-z/frieden-gerechtigkei...