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Kritik des Friedens?!
Buchbesprechung „Frieden. Eine Kritik“
von
Der Erziehungswissenschaftler Freerk Huisken hat eine Kritik des Friedens vorgelegt – natürlich nicht als Befürwortung des promilitärischen Kurses, wie ihn die BRD seit der „Zeitenwende“ steuert, ja für die nationale Gesinnung verbindlich macht. Im Gegenteil, der Autor knüpft an seine vor 40 Jahren zum Protest gegen die NATO-„Nachrüstung“ vorgelegte „Anstiftung zum Unfrieden“ an. Die riet dazu, die Verhältnisse, die immer wieder die Gründe für staatlichen Waffengebrauch liefern, ins Visier zu nehmen und mit ihnen keinen Frieden zu schließen, bloß weil sie – noch – nicht den Übergang zum Krieg machen.
Dies hat Huisken jetzt zugespitzt, denn heutzutage ist der Ansatzpunkt seiner damaligen Kritik zum öffentlichen Glaubensbekenntnis geworden: Frieden als endgültige Herstellung gewaltfreier Verhältnisse innerhalb und zwischen Ländern gilt der Politik nicht nur als weltfremdes Ideal, sondern geradezu als Kapitulation vor der Macht des Bösen, die sich an unserer Friedensordnung vergreift. Friedensmoral ist heute Kriegsmoral. Das Ideal ist ein bis an die Zähne bewaffneter Frieden.
Mit diesem Selbstverständnis, wonach „wir“ immer die Guten sind, die sich nur verteidigen, während die anderen angreifen und zerstören, setzt sich Huisken im ersten Kapitel auseinander. Zwei weitere befassen sich mit dem, was heute noch an friedensbewegtem Einspruch laut wird bzw. laut werden darf, wobei auch das Kuriosum einer „Soldatenpartei“ AfD gewürdigt wird, die sich als Sammelbecken des Protests in Szene setzt.
Das Hauptkapitel geht dann ausführlich auf die vom Westen als „regelbasiert“ gelobte Friedensordnung ein, die durch Putins unprovozierte und unbegründete Aggression zerstört worden sein soll. Diese Ordnung, so die offizielle Ansage, sei mit allen Mitteln zu verteidigen – bis zur Konsequenz einer atomaren Eskalation. Huisken hält fest, dass hier in der Tat westliche Interessen, gern auch als „Werte“ präsentiert, angegriffen sind. Deshalb sehe sich der Westen zur Reaktion herausgefordert. Dies verdiene aber kein Einverständnis, denn verteidigt werde ein Weltzustand, der lauter Gegensätze im Verkehr der staatlichen Akteure hervorbringe und verschärfe. In ihm soll allein die wechselseitige Be- und Ausnutzung von Souveränen zählen, die ihr Land zu Kapitalstandorten machen – wobei „diese Friedensordnung, also die Konkurrenz auf dem Weltmarkt mit ihrem unter US-Aufsicht etablierten Ordnungssystem, ganz prinzipiell Gewalt als integralen Bestandteil hat“. Huiskens Fazit: „Dieser Frieden ist kein Gegensatz zum Krieg, sondern ist der Krieg in seiner Möglichkeitsform.“
Huisken, Freerk (2023): FRIEDEN. Eine Kritik. Aus aktuellem Anlass. VSA, Hamburg 2023, 154 Seiten, ISBN 978-3-96488-193-9, 12 Euro.