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Bürgerforum Paulskirche
vonKarlheinz Koppe, Vizepräsident von Pax Christi, hat bei der Paulskirchen-Versammlung Ende Juni im Rahmen seines Referates Thesen zu einer friedenspolitisch orientierten künftigen Außenpolitik Deutschlands und der EG vorgetragen, die wir im Folgenden dokumentieren (die Red.):
- Außenpolitik muß weg von der traditionellen Verteidigung und Exportsicherung hin zu einer Friedens- und Umweltaußenpolitik entwickelt werden, die von der Überwindung des strukturellen Nord-Süd- und Ost-West-Gefälles geleitet wird, die allein langfristig allseitig nutzbringenden Handel gewährleistet (Weltfriedensordnung).
- Die Orientierung auf NATO und WEU, die die Funktionsfähigkeit der Konferenz für Sicherung und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) beeinträchtigt, muß durch eine Orientierung auf eben diese KSZE abgelöst werden, die schon jetzt wirtschaftliche, ökologische und humanitärmenschenrechtliche Kooperation beinhaltet. Gleichzeitig ist der Europarat (ER) zu aktivieren, der die besten Voraussetzungen für eine gesamteuropäische Einigungspolitik bietet und über eine im Ansatz funktionsfähige Menschenrechtsgerichtsbarkeit verfügt.
- Die Europäische Gemeinschaft (EG) bedarf dringend einer Reform an Haupt und Gliedern mit dem Ziel der Öffnung nach Osteuropa und der Zurücknahme der weltweit diskriminierenden Agrarpolitik. Die Erfüllung der Maastricher Vereinbarungen setzt diese Reform sowie den Abbau der zentralistischen Tendenzen der Kommission, eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den Gemeinschaftsprozessen durch entsprechende Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments und den Verzicht auf jede Form einer Militarisierung der Gemeinschaft voraus.
- Deutsche und europäische (Europarat, EG, KSZE) Außenpolitik muß auf die uneingeschränkte politische und finanzielle Unterstützung der Vereinten Nationen (VN) gerichtet sein. Das Veto im Sicherheitsrat muß durch qualifizierte Mehrheitsentscheidungen ersetzt werden, wobei es unerheblich ist, ob die Bundesrepublik Deutschland ständiges Mitglied des Sicherheitsrates wird. Der Wirtschafts- und Sozialrat der VN muß die Zuständigkeit für Umweltfragen erhalten und aktiviert werden, um bei erkennbaren Wirtschafts- und Umweltkrisen präventiv tätig werden zu können. Die wichtigsten wirtschaftlichen Instrumente der VN (UNCTAD, UNDP, UNEP, UNIDO, Weltbank, Weltwährungsfonds und das nicht VN-gebundene Welthandelsabkommen GATT) müssen. dem ECOSOC nachgeordnet werden, um eine in sich stimmige Weltwirtschaftafts-, Sozial- und Umweltpolitik gestalten zu können.
- Soweit dann noch Bedarf an weltweiten Interventionen zum Schutze von Bevölkerungsgruppen im Falle bewaffneter Aggressionen bestehen sollte, müssen "Blauhelmmissionen" in Form internationaler Polizeimaßnahmen in direkter Verantwortung der VN unterstützt werden. Blauhelmeinheiten müssen international zusammengesetzt und zweckentsprechend bewaffnet sein. Die Angehörigen dieser Einheiten müssen eine Sonderausbildung in Konfliktverhalten erhalten und über Mindestkenntnisse der Situation in der jeweiligen Konfliktregion verfügen. Die Erfüllung dieser Bedingung ist die Voraussetzung für eine Akzeptanz solcher Einheiten bei allen Betroffenen und nur dann werden sie wirksam sein.
- Außenpolitik muß den Anforderungen einer globalen Umweltpolitik gerecht werden. Das bedeutet als Mindestvoraussetzung eine zügige Verwirklichung der Beschlüsse und Empfehlungen des Umweltgipfels von Rio 1992. Zu nennen ist insbesondere Sicherung der Waldbestände (nicht nur der Regenwälder in tropischen Gebieten) und der Artenvielfalt, Verminderung von C02-Immissionen, Verbot von FCKW und anderen umweltschädlichen Gasen, nichtabbaubarer Düngemittel und Verpackungsmaterialien, Verminderung von Giftmüllanfall und Verbot von Giftmüllexport.
- Die vorgenannten außenpolitischen Ziele und Maßnahmen ermöglichen nicht nur, sondern bedingen eine zügige Abrüstung. Deutsche Außenpolitik muß für eine internationale Überwachung (Verifikation) aller Abrüstungsmaßnahmen einsetzen. Da die Kenntnisse zur Herstellung atomarer Waffen bleiben und damit die Gefahr der Weiterverbreitung solcher Waffen (Proliferation) eher zu- als abnimmt, kommt es entscheidend darauf an, ein kontrolliertes Verbot der Entwicklung, der Herstellung und des Einsatzes atomarer Waffen durchzusetzen und weiterhin vorhandene Potentiale strenger internationaler Überwachung zu unterstellen. Für Deutschland besteht keine Notwendigkeit an einer Truppenstärke von 370.000 Mann festzuhalten.
- Außenpolitik und Entwicklungspolitik müssen aufeinander abgestimmt sein. Zu den nachhaltige und dauerhafte (sustainable) Entwicklung leitenden Grundsätzen gehören: Entschuldung und echter Leistungstransfer in Höhe von 0,7 % des Bruttosozialproduktes anstatt zinspflichtiger Kredite, gerechte Preise für Rohstoffe und Nahrungsmittel, Förderung diversifizierter Landwirtschaft vorrangig zur Ernährung der eigenen Bevölkerung, Verzicht auf profitorientierte Ausbeutung von Arbeitskräften. Zugleich ist den Armutsregionen durch den Aufbau umweltschonender und risikoarmer Energieträger und Transportsysteme zu helfen.
Nur wenn diese Grundsätze die Außenpolitik leiten, wird eine für alle Glieder der Weltgesellschaft annehmbare friedenssichernde internationale Verflechtung ohne unerträgliche und ungerechte Abhängigkeiten möglich sein. Eine solche Außenpolitik erfordert innenpolitische Absicherungen durch entsprechende Umweltpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Energiepolitik, Agrarpolitik, Verkehrspolitik, um nur einige Bereiche zu nennen. Dabei werden einschneidende Änderungen des Umwelt-, Konsum- und Freizeit(Umlaubs)verhaltens unvermeidbar sein, was keineswegs zur Minderung von Lebensstandard führt, sondern - im Gegenteil - qualitative Verbesserung bewirken kann, vor allem wenn erforderliche Einschränkungen sozialverträglich vorgenommen werden. Eine so gestaltete Außenpolitik bedarf der Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürgern, die dann auch einsehen werden, daß diese Politik ihrer eigenen Lebenswelt zugutekommt und die Existenz kommender Generationen sichert.