Bundesdeutsche Arbeitskonferenz gegen Landminen

von Angelika Beer

"Stoppt die weltweite Produktion, den Export und die Anwendung von Landminen", so lautet die Hauptforderung der Abschlußresolution der Arbeitskonferenz gegen Landminen, die am Ende der 8 stündigen Diskussion in Bonn am 20.05.93 in einer Abschlußresolution dokumentiert wurde.

Die Kampagne gegen Landminen wird in der Bunderepublik von medico inter­national, IPPNW, BUKO Stoppt den Rüstungsexport, Rüstungsinformations­büro Baden Württemberg, der Kampa­gne "Produzieren für das Leben" und der Arbeitsgruppe Landminenkampagne im Netzwerk Friedenskooperative getragen.

Weltweite Ächtung von Minen: Illu­sion? An den Problemen der Zeit vor­bei? Daß dies nicht so ist, machten die Beiträge von Fachreferentinnen aus dem Bereich von  Menschenrechtsinitativen, Anti-Rüstungsgruppen und Friedens­gruppen sowie  Experten der Dritte-­Welt-Solidaritätsarbeit und Friedensfor­schung deutlich.

Kampagne, Internationale Komitee des Roten Kreuzes, UNO: ziehen alle an einem Strang?

Mit Entschiedenheit wurde von den TeilnehmerInnen gefordert, nicht nur, wie kurz zuvor vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) in der Schweiz (Montraux) auf einem Symposium gefordert, die Anti-Personen-Minen zu ächten, sondern auch die Anti-Panzer-Minen; also alle Landmi­nen. Denn es geht längst nicht mehr al­lein um die Minen erster Generation, sondern um die in den westlichen Indu­strienationen betriebene Weiterent­wicklung dieser Explosivkörper zu hochexplosiven high-tech-Waffen, die innerhalb  kürzester Zeit maschinell verlegt und elektronisch kontrolliert ein­setzbar sind. Durch ihre Eigenschaft, je nach Bedarf aus der Ferne selektiv aktiviert oder auch wieder ausgeschaltet zu werden, befähigen sie die Militärische Schaltzentrale, einen gezielten, gegen bestimmte Volks- oder Personengrup­pen oder gegen gegnerische Bodentruppen wirksamen Minengürtel zu aktivieren. Die Militärs nennen diese Gattung der Mine in ihrer perversen Fortschrittlichkeit "Humane Mine". Die Militärstrategen schwärmen von der "wundervoll defensiven“ Verteidigungswaffe, die nun nicht mehr auf Jahre nach ihrem Einsatz scharf bliebe, son­dern mit ziemlicher Sicherheit jene Ziele trifft, die getroffen werden sollen. Und die UNO und auch das ICRC signalisieren Bereitschaft, dieser Sprachregelung des perfekten Tötens und/oder Verstümmelns von Menschen zu folgen, weil sie nicht mehr "unterschiedslos" jeden treffen, der versehentlich ein Fuß auf sie setzt.

Die Forderung nach einem Verbot der Anti-Personen-Minen würde nicht nur ignorieren, daß ein Bus mit Schulkindern, ein Bauer mit seiner einzufahren­den Ernte durch Anti-Panzer-Minen ebenso gefährdet sind wie heute zum Beispiel die libysche Bevölkerung in Tobruk, die auch heute -50 Jahre nach dem Abzug des Afrika-Corps-Opfer der maroden deutschen Anti-Panzer­-Minen ist. Die Ausklammerung aller anderen Minenarten würde darüber hin­aus die technische Weiterentwicklung außer Acht lassen, vor der Experten warnen: eine Anti-Tank-Mine kann zu einer Anti-Personen-Mine weiterentwickelt werden; die Namensfindung der Produzenten und Forschungsinstitute ist ebenso erfindungsreich wie die elektro­nischen Möglichkeiten, um ein be­grenztes Verbot auf Anti-Personen-Minen zu unterlaufen.

Die UN-Konvention zum Schutz vor übermäßigen Verletzungen

Die UN-Konvention "zum Verbot oder der Einschränkung des Einsatzes be­stimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Verletzungen verursachen oder unterschiedslos wirken", deren In­krafttreten sich am 2. Dezember 1993 zum zehnten Mal jährt, spielt so einen zentralen Punkt für die Internationale Kampagne gegen Landminen: Ab Ja­nuar 1994 kann jeder Staat, der das UN-Abkommen ratifiziert hat, eine Überprüfungskonferenz einberufen. Die Bundesregierung, die erst im Herbst 1992 die Urkunde ratifiziert hat, wird von der bundesdeutschen Kampagne u.a. per Unterschriftensammlung aufgefordert, eine Überprüfungskonferenz mit dem Ziel des weltweiten Verbotes der Pro­duktion, des Exportes und der Anwen­dung von Minen zu beantragen. Die Konvention von 1992 ist beherrscht von militärischem Sprachgebrauch. Sie re­gelt die Kriegsführung statt sie zu verhindern. Allein der Titel der Konvention fordert Widerspruch heraus: was ist eine übermäßige Verletzung? Minenproduzenten haben den Menschen genau stu­diert, um die Konzeption der Mine so zu gestalten, daß sie ihr "weiches  Ziel" nicht nur trifft, sondern gezielt die Arme oder die Beine oder aber auch den ganzen Körper zerstört.

Dieses generelle Verbot von Landminen und die Verpflichtung der Wiedergutma­chung ist die einzig konsequente Antwort -auch auf zukünftige Einsatzstra­tegien von Minen. Gerade die neue Ge­nerationen der ferngeschalteten Men­schenraffer bietet unheilvolle Möglich­keiten zur Kontrolle von unliebsamen Flüchtlingsströmen,

Auf internationaler und nationaler Ebene haben die NGOs (engl. = Nichtregierungsorganisationen) klargemacht, daß sie nicht als Not-Sanitäter für diese unmenschlichen Strategien zur Verfü­gung stehen wollen. Was hilft die Un­terstützung medicos für ein Prothe­senprojekt von VVAF in Kambodscha, was hilft die Entminung in Irakisch­ Kurdistan, wenn gleichzeitig neue Waf­fen produziert und angewendet werden? Die offiziellen Statistiken sprechen für sich: Jeden Monat werden ca. 850 Menschen durch Landminen getötet, 450 verletzt. Die UNU rechnet mit mehr als 2 Millionen Toten durch die Minen in den kommenden Jahren.

Welche Verachtung steht hinter den in­ternational befürworteten Rückführungsprograrnmen von Flüchtlingen, z. B. jenen aus Pakistan zurück nach Afghanistan, wenn sie kaum eine Chance haben, die verminten Gebiete, die sie von ihren Dörfern trennen, ohne Verstümmelung zu erreichen?

Auf dem Weg zum Heißen Herbst

Interessierte Gruppen und Initiativen hatten auf dem Münchener Kirchentag zum ersten Mal Gelegenheit, den nach­gestellten Minenteppich von medico international zu erleben. Er geht auf Tour: zunächst im September und Oktober in der Bundesrepublik.

Begleitet von einer Wanderausstellung und vielseitigem Informationsmaterial ist er an vielen Orten und Plätzen, vor offiziellen Stellen, Industrie- und Elek­tronik oder Rüstungsmessen, aber auch zur Information auf Märkten, einsetzbar.

Bonn - London - Brescia?

Mit den Ergebnissen der ersten bundes­deutschen Arbeitskonferenz sind Ver­treterinnen der Trägerkreistruppen nach London gefahren zur ersten internatio­nalen Arbeitskonferenz, die vom 24. bis 27. Mai in London stattfand. Bis zum Dezember 1993 liegt der Schwerpunkt der Aktivitäten in dem Aufbau von na­tionalen Kampagnen.

Am 2. Dezember 1993 - dem 10. Jah­restag des Inkrafttretens der UN Kon­vention- wird es ein erneutes Treffen und ein weltweites Signal geben: mögli­cherweise vom Tagungsort Brescia, Ita­lien, aus: Es ist der Ort, an dem die Firma "Valsella Meccanoteccnica" jene Minen produzierte und exportierte, die zum tausendfachen Tod und Verkrüp­pelung in vielen Teilen der Welt, vor allem aber in Irakisch Kurdistan, führte und führt. Die Produzentenfirma ist eine Tochterfirma von Fiat. In den kommenden Wochen werden Ideen und Mittel zusammengetragen, um die wei­teren Schritte  auf dem Weg zur interna­tionalen Ächtung von Landminen zu beschließen.

Das Mittel des internationalen Boykott­aufrufes gegen Minenhersteller wird nicht nur abstrakt diskutiert. Egal ob es dazu kommt - wer heute einen Fiat fährt, sollte schon heute überlegen, sich nach einem anderen Auto umzusehen (oder ganz aufs Auto zu verzichten).

 

Minenteppich, Ausstellung, Informationsmaterial kann angefordert werden bei medico international, Obermainanlage 7, 6000 Frank­furt/Main, 069/24438-21.

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Angelika Beer ist Verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.