Zur Unverbindlichkeit eines Befehls

Bundeswehr: Dienstbetrieb statt Völkerrecht

(red/ms) Nachfolgend dokumentieren wir die offizielle „Sprachregelung" der Bundeswehr zum Bundesverwaltungsgerichtsurteil zur Gewissensentscheidung des Major Pfaff (vgl. Berichte in früheren FF).

Das Urteil hatte ja die Disziplinarstrafe gegen den Major aufgehoben, der sich geweigert hatte, Befehle auszuführen, deren Befolgung zur Unterstützung des völkerrechtswidrigen Irak-Krieges beitragen könnte. Das Skandalöse ist, dass sich die Bundeswehr dem Urteil gegenüber vollkommen abschottet. Es gehe um einen Einzelfall ohne Bedeutung für die Bundeswehr. Das Verteidigungsministerium habe außerdem mit völkerrechtlichen Fragestellungen nichts zu tun! - Umso wichtiger ist es für die Friedensbewegung, die Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Verwaltungsgerichtsurteil weiter zu forcieren:

Vgl. dazu den Artikel über das neue Soldatenflugblatt in diesem und den Hinweis auf die Komitee-BürgerInnen-Information zum Thema im letzten Friedensforum.

Urteil BVerwG vom 21.06.2005

Zur Unverbindlichkeit eines Befehls wegen Verstoßes gegen die Gewissensfreiheit eines Majors.

Uneingeschränkt ist dem BVerwG zuzustimmen, dass die soldatische Pflicht, Befehle gewissenhaft auszuführen, keinen bedingungslosen Gehorsam erfordert. Gefragt ist vielmehr ein mitdenkender, die Folgen der Befehlsausführung abschätzender Gehorsam, sich an den Schranken von Recht und Gesetz sowie an den ethischen Grenzmarken des eigenen Gewissens orientiert.

Das Urteil, das nur zwischen den Prozessparteien unmittelbare Wirkung entfaltet, ist durch besondere Umstände des Einzelfalls bestimmt.

Ob das Gericht bei der vorliegenden Fallkonstellation zu Recht von einem für den Soldaten aus seiner Sicht nachvollziehbaren Anlass ausgegangen ist, mag man bezweifeln können. Dies hat aber keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung. Durch das Urteil sind keine negativen Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft der Truppe zu erwarten. Insbesondere brauchen die deutschen Unterstützungsleistungen wegen dieses Urteils nicht geändert zu werden.

Ein „Verschleiß" des Gewissens ist nicht zu befürchten. Eine Soldatin oder ein Soldat kann sich nur im Rahmen einer wirklich ernsthaften Gewissensentscheidung, die eine Befehlsausführung nur unter echter Gewissensnot zuließe, und auf eigenes straf- und disziplinarrechtliches Risiko hin mit Erfolg auf das-Gewissen berufen.

Wie das BVerwG klarstellt, ist von den Soldatinnen und Soldaten auf Grund ihrer Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) zu erwarten, dass sie ihre Gewissensnöte möglichst umgehend und nicht „zur Unzeit" darlegen.

Mit wirklich ernsthaften Gewissensentscheidungen müssen die Streitkräfte umgehen können.

Hintergrund:

Die Entscheidung ist endgültig und kann nicht angefochten werden.

Das Gericht hat in seiner Urteilsbegründung zahlreiche dienst-, verfassungs- und völkerrechtliche Fragen aufgeworfen und behandelt, die Bereiche betreffen, welche selbst in der Rechtswissenschaft kontrovers diskutiert werden. Verfassungs- und völkerrechtliche Fragestellungen fallen nicht in die Ressortverantwortlichkeit des BMVg und werden daher von uns nicht thematisiert.

Die Prüfung des Urteils erfolgte ausschließlich im Hinblick auf seine Auswirkungen auf den Dienstbetrieb der Bundeswehr.

 

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