Leitlinien für Arzneimittelspenden:

Bundesweite Aktion gegen Arzneispendenmüll

von Albert Petersen

Seit Jahren klagen Empfängerländer über Entsorgungsprobleme mit unbrauchbaren, teilweise gefährlichen Arzneispenden. Ein Beispiel von vielen: Mostar. Am 2. Oktober 95 faxte der damalige EU-Verwalter in Mostar, Hans Koschnick, an die EU nach Brüssel, man möge doch bitte umgehend in den Mitgliedsländern dafür sorgen, daß nicht weiter bereits verfallene und nicht verwendbare Arzneimittel nach Mostar gesandt würden.

Es hätten sich bereits 340 Tonnen angesammelt. Im Juni 96 konkretisierte Jens Pake aus Mostar dieses Problem: Europäische NGOs - auch deutsche - hätten in den letzten Jahren geschickt: * viele verfallene Präparate / * große Mengen Arzneien so kurz vor dem Verfall, daß sie nicht mehr rechtzeitig verwendet werden konnten / * Arzneimittel, die dort niemand benötigt und die niemand angefragt hat / * Präparate zur Malariaprophylaxe / * sehr große Mengen gegen Bluthochdruck, von denen nur ganz wenig benötigt werden / * gesammelte Mischungen, halb-volle Packungen etc... Die ZDF-Dokumentation vom 27.9.96 unter dem Titel "Gefährliche Geschenke" veranschaulichte das Problem überdeutlich. Natürlich kam auch vieles an, das sinnvoll war und gut verwendet werden konnte, wie Hans Koschnick auf einer Tagung der Humanitären Hilfe vor kurzem bestätigte. Aber gerade viele kleine Initiativgruppen hätten mit großem Engagement helfen wollen, hätten aber nicht so richtig gewußt wie.

Ähnliche Beispiele sind aus Litauen, Guinea Bissao, Sudan, Ruanda, Eritrea und anderen Ländern dokumentiert. Vor diesem Hintergrund erarbeiteten etwa 100 Experten aus verschiedenen Ländern im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Richtlinien für Arzneimittelspenden mit der Hauptaussage: Nur sinnvolle, empfängerorientierte Arzneispenden-Sendungen sollen in Zukunft die Spenderländer verlassen. Im Herbst begann eine europaweite Kampagne zur Umsetzung dieser Empfehlungen in verschiedenen europäischen Ländern. In Deutschland wird sie von der DIFÄM (Deutsches Institut für Ärztliche Mission)-Arzneimittelhilfe in Zusammenarbeit mit Misereor und mit Unterstützung von "Brot für die Welt" koordiniert.

Die von acht großen humanitären Dachorganisationen gemeinsam mit der WHO unterzeichneten Richtlinien liegen nun auch in Deutsch als handliche Aktionsbroschüre vor. Alle Fachbegriffe sind in einer auch für Nichtmediziner verständlichen Form erläutert. Denn diese Broschüre möchte gerade auch die vielen kleinen Initiativgruppen anregen, sich in Zukunft an diesen Leitlinien zu orientieren und bei der "Kampagne gegen Arzneispendenmüll" mitzumachen:

1. Diskutieren Sie die "Leitlinien für Arzneimittelspenden" in Ihrer Gruppe / Organisation.

2. Entscheiden Sie, daß Sie zukünftige Arzneimittelspenden an diesen Leitlinien orientieren.

3 Füllen Sie eine Absichtserklärung aus, damit die Gruppe oder Firma in die Liste der Gruppen mit aufgenommen werden kann, die sich an den "Leitlinien" orientieren.

4. Falls eine Spende nicht an den Leitlinien ausgerichtet werden kann, sollte der Grund den Initiatoren nach Tübingen genannt werden. Er könnte für die endgültige Verabschiedung der WHO-Guidelines for Drug Donations im Frühjahr 1997 wichtig sein.

Die wichtigsten Thesen aus diesen Leitlinien:

* Bedarfsgerechte Arzneimittel

Arzneimittel sollen nur aufgrund eines ausdrücklich festgelegten Bedarfs gespendet werden. Die Arzneimittel müssen für die Behandlung der Krankheiten, die im Bestimmungsland vorherrschen, geeignet sein. Sie sollten nicht ohne vorherige Zustimmung des Empfängers verschickt werden.

* Nationale Arzneimittelliste respektieren

Alle gespendeten Arzneimittel (oder die entsprechenden Generika), müssen im Empfängerland zugelassen und in der nationalen Liste unentbehrlicher (essentieller) Arzneimittel des betreffenden Landes genannt sein.

* Entsorgung - wo ?

Medikamente, die schon einmal an Patienten abgegeben und dann an Apotheken oder andere Sammelstellen zurückgegeben wurden, dürfen nicht als Arzneimittelspenden verwendet werden. Das gleiche gilt für Ärztemuster.

* Ein Jahr Haltbarkeit

Nach Eintreffen im Empfängerland sollten gespendete Arzneimittel noch eine Laufzeit von mindestens einem Jahr haben.

* Internationaler (generischer) Name

Arzneimittel müssen in einer Sprache beschriftet sein, die dem Gesundheitspersonal im Empfängerland geläufig ist.

* Genaue Packlisten

Alle Arzneimittelspenden sollten gemäß internationaler Versandbestimmungen verpackt sein. Es muß eine ausführliche Packliste beigefügt sein.

* Realistische Wertangabe

Für die Wertangabe einer Arzneimittelspende sollte im Empfängerland der dortige Großhandelspreis des entsprechenden Generikums zugrundegelegt werden.

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Rubrik

Krisen und Kriege