Büchel

„Dann lässt man wohl auch noch mit Steinen werfen?“

von Hermann Theisen
Büchel atomwaffenfrei jetzt!
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(c) Netzwerk Friedenskooperative

Für das Amtsgericht Cochem stellt das Verteilen von Aufrufen zum Geheimnisverrat auch weiterhin eine Straftat dar (§§ 111, 353b StGB), weshalb Amtsrichter Gerald Michel Ende Februar erneut zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro (40 Tagessätzeà 30 Euro) verurteilte (3 Ds 2010 Js 13035/15). Der Vertreter der Staatsanwaltschaft Koblenz, Oberstaatsanwalt Ralf Tries, hatte gar eine Haftstrafe von drei Monaten auf Bewährung gefordert. In seinem Plädoyer stellte er die Frage, was denn das Gericht schon machen könne, „wenn es um Atomwaffen geht“, und konstatierte, dass die Justiz „mit solchen Verfahren gegängelt“ werde. Zudem beschwor er ein düsteres Bild für zukünftige Protestszenarien: „Was kommt eigentlich, wenn heute hier freigesprochen wird? Dann lässt man wohl auch noch mit Steinen werfen?

Amtsrichter Michel betonte in seiner Urteilsbegründung, dass er noch einmal von der Verhängung einer Haftstrafe absehen wolle, eine solche aber die logische Konsequenz bei weiteren Flugblattverteilungen sein würde. Er sei überrascht darüber, dass die Flugblätter auch noch nach seiner Verurteilung im September 2015 (80 Tagessätze à 30 Euro) verbreitet worden sind und betonte: „Ich hätte gedacht, dass das Urteil Sie besser erreicht hätte. … Was mich sehr schockiert ist, dass die Mühe im Wald verhallt ist“, womit er auf sein 22-seitiges schriftliches Urteilt anspielte: „Sie gehören wohl zu der Kategorie Überzeugungstäter, man erreicht Sie offenbar nicht.

In dem schriftlichen Urteil v. 24.09.2015 (3 Ds 2090 Js 45215/14) heißt es, dass „das Flugblatt des Angeklagten … eine konkrete und unmittelbare Aufforderung zur Offenbarung von Dienstgeheimnissen“ darstelle: „Bei diesen Dienstgeheimnissen handelt es sich um Umstände, die dem höchsten militärischen Sicherheitsbereich zuzuordnen sind und die im Falle einer Offenbarung durch einen Soldaten oder Bediensteten die Sicherheitsinteressen der gesamten Bundesrepublik entscheidend tangieren würden und die Gefahr beinhalten, dass komplexe Militär- und Verteidigungsstrategien allgemein zugänglich werden deswegen -auch von der Bundesrepublik nicht wohlgesonnenen Ländern- und gegebenenfalls sogar terroristischen Vereinigungen ausgenutzt werden.“ Dass es sich bei seiner Begründung im Grunde nicht um Dienstgeheimnisse, sondern ganz konkret um die Beschreibung von Staatsgeheimnissen handelt und er deshalb in der Konsequenz wegen Aufforderung zur Preisgabe von Staatsgeheimnissen hätte verurteilen müssen (§§ 111, 97 StGB), störte den Amtsrichter nicht. Auch ließ er sich nicht davon beirren, dass die Verteilung vergleichbarer Flugblätter zu Verfahrenseinstellungen durch Oberstaatsanwalt Schmengler (Staatsanwaltschaft Koblenz, 2090 Js 53680/15) und Oberstaatsanwalt Greven (Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, 1 AR 1126/15 ) geführt hat, weil ein Anfangsverdacht verneint worden ist. Und auch die Meldung im SPIEGEL (8/2016) ließ das Amtsgericht Cochem unbeirrt: „Bundeswehr lehnt Diskussion über US-Atomwaffen in der Eifel ab: Die Bundeswehr will nicht öffentlich darüber diskutieren, dass auf dem deutschen Fliegerhorst Büchel in der Eifel amerikanische Atomwaffen lagern, obwohl das schon lange bekannt ist. Luftwaffeninspekteur Karl Müllner untersagte jetzt dem ehemaligen Befehlshaber des betreffenden `Tornado´-Geschwaders, als Zeuge vor Gericht in einem Strafverfahren auszusagen. Anlass war eine Aktion des Atomwaffengegners Hermann Theisen. Er soll sich strafbar gemacht haben, weil er vor den Toren des Luftwaffenstützpunkts ein Flugblatt an Soldaten verteilt und sie aufgefordert hatte, `die Öffentlichkeit umfassend´ über die Stationierung atomarer Waffen auf ihrem Fliegerhorst zu informieren. Theisens Wunsch, den Oberst, der seine Strafverfolgung initiiert hatte, als Zeugen vor Gericht zu hören, lehnte Müllner ab. Begründung: Die Frage der Stationierung dieser Waffen unterliege `der Geheimhaltung´. Die Verhandlung ist für Ende Februar vor dem Amtsgericht Cochem angesetzt.“

Darauf in der Gerichtsverhandlung angesprochen, erwiderte Amtsrichter Michel lapidar, dass er „nichts machen“ könne, „wenn die Bundeswehr keine Aussagegenehmigung erteilt“.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat indes eine weitere Anklage wegen der erneuten Verteilung der Flugblätter angekündigt, und die für die Berufungsverhandlung zuständige 11. Kammer des Landgerichts Koblenz hat bereits mitgeteilt, dass das Urteil des Amtsgerichts Cochem vom 24.09.2015 „keine Rechtsfehler“ aufweise, womit die Berufungsverhandlung nichts Hoffnungsvolles erwarten lässt.

Auf diesem Hintergrund wird dringend um Spenden für die Anwalts- und Gerichtskosten auf folgendes Konto gebeten: Hermann Theisen, GLS Gemeinschaftsbank, IBAN: DE 88 4306 0967 6008 7785 00, BIC: GENODEM1GLS. Kontaktmöglichkeit für Rückfragen oder weitere Informationen zu den Strafverfahren: hermann [dot] theisen [at] t-online [dot] de.

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