Das Militär und seine Subjekte

von Rudi Friedrich

Angesichts der aktuellen Kriege der Bundeswehr rückt der Soldat bzw. die Soldatin wieder ins Blickfeld. In einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr, die Jugendliche danach fragte, wie sie sich einen typischen Soldaten vorstellen, kamen Antworten, wie: stark und körperlich fitter als die Durchschnittsbevölkerung, nicht sehr intelligent, nicht gebildet, nicht kreativ, nicht tolerant, nicht einfühlsam, nicht sonderlich fachlich kompetent. Das entspricht einer Person, die lediglich Befehle ausführt und nicht mehr als eigenständige Person, als Subjekt, erkennbar ist.

Es entspricht allerdings nicht mehr den Anforderungen, die heute von Politik und Militär gefordert werden. Nun soll der Soldat/die Soldatin in einem internationalen Umfeld multifunktional einsetzbar sein und sich als Einsatzprofi verstehen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhahn, beschreibt das z.B. so: "Die Bundeswehr benötigt in Zukunft engagiertes Führungspersonal mit hoher interkultureller und sozialer Kompetenz. Es muss zum ganzheitlichen Denken befähigt, kommunikativ und gleichermaßen konflikt- wie konsensfähig sein. Wir brauchen flexible militärische Führer, die lernwillig und lernfähig sind und auf deren rasche Urteilsfähigkeit wir uns verlassen können. Vor allem aber müssen sie in erster Linie nach wie vor körperlich wie mental belastbar sein. Gefordert ist weiterhin eine charakterstarke und in der Urteilskraft gefestigte Persönlichkeit mit emotionaler und moralischer Stabilität, die auch in Krisensituationen unter hohem psychischen und physischen Druck bestehen kann."

Das sind nicht nur zwei unterschiedliche Bilder. Mit den neuen Anforderungen wird die eigene Kompetenz und Handlungsfähigkeit von SoldatInnen angefragt. Aber handeln sie immer im Sinne des Militärs? Wo gibt es Brüche? In seinem Buch "Das Militär und seine Subjekte" nimmt sich Jens Warburg genau dieses Themas an. Er sieht dies als Beitrag zu einer Soziologie des Krieges und geht ausführlich auf die historische Entwicklung von Funktion und Rolle von SoldatInnen ein, die sich durch die Mechanisierung und Modernisierung, durch neue Kampftechniken und -ziele verändert hat.

Das Militär sieht sich neuen Herausforderungen gegenüber und bemüht sich darum, das subjektive Leistungsvermögen der Soldaten zu nutzen. Aber die Führungskonzepte "hadern mit dem Problem", so Jens Warburg, "wie sichergestellt werden kann, dass soldatische Subjektivität nicht eigensinnig die Befehlslage durchbricht". Und so kommt der Autor zu dem Schluss: "So vorteilhaft es für eine Kriegspartei ist, wenn ihre Soldaten auf unvorhergesehene Situationen eigenmächtig und doch befehlskonform handelnd reagieren, so sehr besteht nach wie vor die Gefahr, dass solche Eigenmächtigkeiten das Vorhaben der Befehlshaber durchkreuzen können."

Was trotz neuer Anforderungen an die SoldatInnen bleibt, ist, dass ein Soldat auf Befehl töten soll und sein Leben dafür riskiert. Was von der Bundeswehr gerne als Job mit Perspektiven dargestellt wird, ist im Kern eben doch ein todsicherer Job. Das hat erhebliche Konsequenzen für die Soldaten selbst, die nach Kampfeinsätzen möglicherweise unter den psychischen Folgen leiden; und für die nächsten Angehörigen, das soziale Umfeld, die Gesellschaft - in aller Regel unbeachtete Kosten der Kriegseinsätze. Auch hier ergeben sich Brüche von Selbstverständnis und tatsächlichen Erfahrungen. "Nachhaltig können die durch den Krieg veränderten Persönlichkeiten der Veteranen die Einstellungen zur Bedeutung von Gewalt für Konfliktlösungen beeinflussen", schreibt Jens Warburg. Die Iraq Veterans Against the War in den USA zeigen, wie das geht. Mit den Berichten über ihre Kriegserlebnisse tragen sie in großem Maße dazu bei, die US-Bevölkerung gegen den Krieg zu sensibilisieren.

Soldaten und Soldatinnen stehen im Spannungsverhältnis zwischen der Anforderung, sich dem Befehls- und Gehorsamsprinzip zu unterwerfen und dem zunehmenden Interesse des Militärs, eigene Initiativen zu ergreifen - im Sinne des Militärs. Aber Eigenständigkeit bedeutet eben auch, seinen eigenen Kopf zu gebrauchen und möglicherweise zu anderen Schlüssen zu kommen. Um zu verstehen, in welch widersprüchlichem Milieu SoldatInnen agieren, wo angesichts der neuen Herausforderungen an sie Brüche entstehen können und damit eben auch Handlungsoptionen für antimilitaristische Arbeit: Dazu leistet dieses Buch einen wissenschaftlichen Beitrag.

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