Zusammenfassung

Das Szenario in Kürze

von Janika Hoppe
Schwerpunkt
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Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung gegen Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete, gegen bestimmte Militäreinsätze, gegen Kindersoldat*innen und gegen Atomwaffen und deren Nachrüstung ist. Doch nach wie vor spielen diese Themen bei den Bundestagswahlen eine untergeordnete Rolle. Dies liegt vor allem an dem nach wie vor herrschenden Vertrauen in den Mythos der schützenden militärischen Gewalt und auch an der Unkenntnis von Alternativen. Die gegenwärtige Situation zeigt jedoch, dass militärische Friedenssicherung nicht zielführend wirkt, sondern kriegerische Auseinandersetzungen eher noch fördert.

Dabei ist ein kompletter Umstieg zu ziviler Sicherheitspolitik möglich. Eine Arbeitsgruppe der Evangelischen Landeskirche in Baden hat ein alternatives Konzept der Friedenssicherung entwickelt. Das Szenario „Sicherheit neu denken. Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik. Ein Szenario bis zum Jahr 2040“ zeigt auf, wie ein Umstieg von der militärischen zu einer gewaltfreien Friedenssicherung aussehen kann. Dabei sollen insbesondere finanzielle Mittel bis zum Jahr 2040 in die zivile Krisenprävention anstatt in die Bundeswehr investiert und langfristig umgelenkt werden, um den Übergang zur zivilen Verteidigung zu schaffen.

Das Ziel ist die Möglichkeit der gewaltfreien Selbstbehauptung einer demokratischen und an den Menschenrechten orientierten Gesellschaft.

Dieses Szenario beruht auf fünf Säulen: 1. Gerechte Außenbeziehung der Staaten, 2. Nachhaltige Entwicklung der EU-Anrainerstaaten, 3. Teilhabe an der internationalen Sicherheitsarchitektur, 4. Resiliente Demokratie und 5. Konversion der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie.

1. Gerechte Außenbeziehungen leisten einen wichtigen und präventiven Beitrag zur Sicherheit. Dies beinhaltet eine ökologisch, sozial und wirtschaftlich gerechte Außenbeziehung. Der Anteil des zertifizierten Fairen Handels soll stetig erhöht und ein Lebens- und Wirtschaftsstil praktiziert werden, der die ökologischen Ressourcen der Erde nur noch entsprechend ihres Bevölkerungsanteils in Anspruch nimmt. Außerdem sollen u. a. höhere Beiträge in die UN-Entwicklungsfonds investiert werden, um die Beseitigung von Hunger, Elend und Krankheiten voran zu bringen.

2. Die nachhaltige Entwicklung der EU-Anrainerstaaten soll durch den Ausbau von Transformationspartnerschaften mit den Staaten Afrikas gesichert werden. In Kooperation mit anderen Ländern (stellvertretend für andere: Schweden, Österreich und den Niederlanden) sollen vor allem die Staaten Afrikas, des Nahen Ostens und Osteuropas einen stabilen Friedensgürtel in der Nachbarschaft der EU bilden können. Hierzu sollen Maßnahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung ergriffen werden. Auch ist das Ziel einer stabilen Wirtschaftszone zwischen der EU und Russland (sowie der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft) und die damit einhergehenden klar geregelten Handelsbeziehungen eine wichtige Grundlage für die Beendigung des politischen und militärischen Kräftemessens.

3. Deutschland ist zwar NATO-Mitglied, soll ab dem Jahr 2040 allerdings nur noch einen zivilen Beitrag leisten. Sicherheit soll nicht mehr national gedacht werden, sondern weltweit als Maßstab gemeinsamer Sicherheit unter Berücksichtigung der Interessen aller Teilnehmerländer. Deutschland soll hierbei jährlich 6 Mrd. Euro in den Aufbau einer gesamteuropäischen UNO-Polizei unter dem Dach der OSZE investieren, die Konflikte mit zivilen Mitteln bearbeitet. Außerdem soll Deutschland unter anderem mit über 5000 Polizei- und 50.000 zivilen Fachkräften zur internationalen UNO-Friedensmission beitragen.

4. Ziel ist es, flächendeckende Mediationszentren für alle UN-Mitgliedsländer zur Verfügung zu stellen, um gewaltsame inter- und intragesellschaftliche Konflikte zu verhindern oder beizulegen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen in konstruktiver Konfliktbearbeitung und reflexivem Konfliktverständnis fort- und ausgebildet werden. Hierbei soll die zivile Krisenprävention das Markenzeichen deutscher, österreichischer, schwedischer und niederländischer Außen- und Sicherheitspolitik werden. Eine politische Bildung soll zur Stärkung des Bewusstseins vom Wert einer freiheitlichen Demokratie beitragen, die Zivilgesellschaft stärken und Extremismus und Radikalismus vorbeugen.

5. Wissenschaftliche Studien (z.B. Chenoweth und Stephan 2011 zu zivilem Widerstand) entzaubern längst den Mythos von der Wirksamkeit der Gewalt und zeigen, dass sozialer Widerstand doppelt so wirksam ist wie bewaffnete Interventionen. Daher ist es unumgänglich, dass Deutschland und andere Staaten wie z.B. Österreich, Schweden und die Niederlande keine Waffen mehr exportieren. Die Bundeswehr soll komplett zum (Internationalen) Technischen Hilfswerk transformiert und in den nationalen und internationalen Polizeidienst überführt werden. Konfliktanalysen und Early-Warning-Abteilungen des Auswärtigen Amtes müssen außerdem verstärkt werden.

Das entwickelte Szenario zeigt auf, wie bereits erprobte Instrumente gewaltfreier Krisenprävention weiterentwickelt werden können und Deutschland im Jahr 2040 als ziviler Akteur innerhalb von EU, OSZE, UNO und NATO mit anderen Staaten agieren könnte, wobei in ganz Europa sowie weltweit eine bewusste Lernkultur für gewaltfreie Konfliktbearbeitung entstehen würde. So könnte die Möglichkeit einer aktiven gewaltfreien Sicherheitspolitik Realität werden.

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Janika Hoppe ist Studentin der Politikwissenschaft. Sie verfasste diesen Text im Rahmen ihres Praktikums beim Bund für Soziale Verteidigung.