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Erfolgreiche Friedensarbeit in einer Waffenstadt
Der Tod ist ein Weltmeister aus Oberndorf
vonWährend die Regierungskoalitionen in Bonn seit Jahren eine "restriktive Rüstungsexportpolitik" vortäuschten, wurden mit ihrem Wissen, ihrer Genehmigung und gerade in den folgenschwersten Fällen auf ihr "Betreiben" Lizenzen für den Nachbau des Schnellfeuergewehrs G3 auch in Staaten der Dritten Welt vergeben. Dank des Rechts zum Nachbau des von Heckler & Koch in Oberndorf entwickelten Gewehrs konnten diese in mindestens sechzehn Staaten produziert und von dort aus weltweit weiterexportiert werden. Zusätzlich genehmigten die jeweiligen Bundesregierungen den Direktexport des G3 aus Oberndorf in über 80 Staaten.
Für die neue, ebenfalls von H & K entwickelte "Wunderwaffe" G11 wurde bereits eine Lizenz für einen vergleichbaren Typ in die USA vergeben. Wenn in den kommenden Jahren weitere Staaten die Produktionsgenehmigung für das G11 erwerben, dann wird auch dieses Gewehr mit seiner bisher unerreichten Treffgenauigkeit in aller Welt zum tödlichen Einsatz kommen.
Diese und weitere Fakten bestätigte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage, die vom Rüstungs-Informationsbüro Oberndorf (RIO) erstellt worden war. RIO wurde im März 1989 von den Grünen im Kreis Rottweil gegründet. Zur Gründung dieses bisher bundesweit einmaligen Büros führte die besondere Situation in der Region, in welcher jeder dritte der rund 9000 Arbeitsplätze von der Waffenentwicklung und-herstellung direkt abhängig ist. Das Renomee der Kleinstadt Oberndorf, deren Stadtprospekt durchaus doppeldeutig ein "gesundes Reizklima" verspricht, wird maßgeblich von den beiden Rüstungsfirmen Mauser sowie Heckler & Koch bestimmt. RIO hat sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, durch die Analyse der weltweiten Verbreitung des G3-Gewehres, die selbe Negativentwicklung für das Nachfolgemodell G11 zu verhindern.
Das Märchen vom Grundgesetz
Als RIO Anfang Mai nach ausführlichen Recherchen die Vorwürfe in Bezug auf die Lizenzvergaben in Oberndorf veröffentlichte, wies der damalige H & K-Pressesprecher Dirk Holzknecht die Schuld weit von sich. So verkündete er, die G3-Lizenzen seien "teilweise auf Betreiben der Bundesregierung" vergeben worden. Im Falle des Iran habe sogar das bundeseigene Unternehmen Fritz Werner die Fertigungsunterlagen geliefert, die Bundesregierung selbst habe die Lizenz an den Schah vergeben. So konnte das G3 zur Standard-Waffe der iranischen Armee im achtjährigen Krieg mit dem Irak werden. "Hundertausende von Kindern und Jugendlichen wurden mit G3-Gewehren an die Front geschickt", so die Aussage eines Flüchtlings. Die Bundesregierung bestätigte in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage auch, daß sie noch während des Golfkrieges die Lieferung von Ersatz- und Verschleißteilen für die G3-Fabrikationsanlage genehmigte. Bis heute konnten darin mehr als 1.500 000 Schnellfeuergewehre hergestellt werden.
Entgegen allen öffentlichen Bekundungen stellten die jeweiligen Bundesregierungen weder die Menschenrechtssituation im Empfängerland (Beispiel: Lizenzvergabe an die Türkei) oder die Gewährleistung des Endverbleibs der Waffen im Herstellerland (Beispiel: Lieferung von G3 aus der portugiesischen Produktion nach Südafrika und die Contras in Nicaragua) noch Konflikte mit Nachbarstaaten in den Mittelpunkt ihrer Entscheidung. Hauptkriterien waren in jedem Fall politische oder wirtschaftliche Erwägungen. Verantwortlich für den der Lizenzvergabe folgenden tödlichen Einsatz der Waffen sind somit nicht nur die auf Gewinnmaximierung zielenden Rüstungsfirmen wie Heckler & Koch, sondern die christlich-sozial-liberalen Regierungskoalitionen, insbesondere die jeweiligen Wirtschaftsminister.
Das Märchen vom Grundgesetz (Art. 26: "Handlungen, die geeignet sind..., das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören,..., sind verfassungswidrig") endet nicht mit der Floskel "und wenn sie nicht gestorben sind...". Gestorben wird tagtäglich in der Dritten Welt - mit Wissen der Bundesregierung, unter Verwendung bundesdeutscher Waffen, aufgrund bundesdeutscher Lizenzvergaben bei Errichtung der Fabrikationsstätten durch regierungseigene Unternehmen.
Weltweit "weiche Ziele" liquidieren
Für die waffentechnologisch sensationelle Neuentwicklung des G11, laut London Times die "präziseste Tötungsmaschine der Welt", wurde bereits 1984 mit dem US-Verteidigungsministerium eine vergleichbare Lizenzvergabe unterzeichnet. Gegenwärtig befindet sich das Gewehr, mit dem laut H & K-Werbeprospekt optimal "weiche Ziele" getroffen werden können, in der Erprobung bei der Bundeswehr. Dennoch sieht die Bundesregierung "eine solche Gefahr nicht", daß eine ähnlich folgenschwere Entwicklung wie beim G3 eintreten könnte. Das scheint nicht weiter verwunderlich, schließlich verdient der Bund per Lizenzgebühr kräftig am weltweiten Morden mit.
Ziel der Friedensbewegung muß sein, umgehend durch breit angelegte Kampagnen ein Verbot von Lizenzvergaben und die in den USA und der Schweiz geübte Praxis der Veröffentlichung aller Rüstungsexportgeschäfte in der Bundesrepublik durchzusetzen.
RIO und kein Ende
Wie die hartnäckigen Recherchen des Rüstungs-Informationsbüros zeigen, lassen sich durch Herstellung von Öffentlichkeit auf allen Ebenen - vor Ort bis hin zum Bundestag - selbst derart skrupellose Waffenfirmen und die Bundesregierung massiv unter Druck setzen und entblößen. Heckler & Koch hat vor wenigen Wochen seinen Pressesprecher abgelöst. Auch wenn dies noch keine Änderung des Geschäftsverhaltens bedeutet, zeigt es doch, wie nervös die Geschäftsleitung des Unternehmens geworden ist.
Aufgrund von Informationen im neuesten Rüstungsjahrbuch Jane's Infantry Weapons 89/90, daß inzwischen auch eine G3-Lizenz an das sich im Bürgerkrieg befindliche Peru vergeben worden sei, hat RIO vor kurzem mit zwei weiteren differenzierten Bundestagsanfragen reagiert. Als nächster Schritt ist eine aktuelle Stunde im Bundestag zu den G3-Lizenzen geplant.
Wer sich näher für den Skandal der Lizenzvergaben und die Situation in Oberndorf interessiert, kann den alle vier bis sechs Wochen erscheinenden RIO-Rundbrief bestellen: RIO, Postfach 1133, 7247 Sulz.