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Ehrt Eure Deserteure! Ein zweiter Anlauf in Bonn nach 35 Jahren
Deserteursdenkmal in Bonn
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„Ehrt Eure Deserteure“ – so titelte die Frankfurter Rundschau am 11.12.24 meinem von ihr veröffentlichten Leserbrief. Anlass waren der Tag der Menschenrechte und der Appell, auch und gerade an diesem Tag an das Schicksal von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren weltweit zu erinnern.
Es hat bis weit in die 2000er Jahre gedauert, bis nicht nur der militärische Widerstand (z.B. das Hitler-Attentat am 20.7.1944) im Rahmen von Gedenkveranstaltungen gefeiert wurde, sondern auch an die bis dahin weitgehend unbeachteten Taten „einfacher“ Soldaten erinnert wurde sowie Kriegsdienstverweigerer, Deserteure, „Wehrkraftzersetzer“, „Hoch-, Landes- oder Kriegsverräter“ bzw. „Fahnenflüchtige“ als historische Vorbilder gewürdigt wurden.
Inzwischen ehren öffentlich in angemessener Weise bundesweit in 35 Städten Denkmäler, Mahnmale, Stelen und Erinnerungstafeln alle diejenigen, die sich im II. Weltkrieg dem Kriegsdienst entzogen haben (1).
In Bonn ist nun nach mehr als 35 Jahren erneut der Versuch gestartet worden, ein „Denkmal für den Unbekannten Deserteur“ auf dem Friedensplatz zu errichten. Dieses soll dort dauerhaft stehen, fordert ein Bürgerantrag, der an den Stadtrat gerichtet und von 38 engagierten Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet worden ist. Ein solches Denkmal, dessen Bedeutung weit über Bonn hinausweist, soll vor allem in der heutigen Zeit an die Schrecken von Kriegen generell erinnern und die Pflicht zur Wahrung von Frieden, Freiheit, Menschenrechten und Demokratie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anmahnen.
Von dieser Überzeugung ließ sich vor über drei Jahrzehnten auch bereits der Arbeitskreis „Von der Fahne“ des Bonner Friedensplenums leiten. Diesem war es nach erbitterten politischen Debatten und juristischen Auseinandersetzungen letztlich gelungen, das von Mehmet Aksoy geschaffene „Denkmal des Unbekannten Deserteurs“ am Anti-Kriegstag 1989 zumindest für die Dauer von zwei Stunden auf dem Friedensplatz zu platzieren. Eine längere Standzeit hatten Gerichte und Behörden nicht genehmigt. Dieser zwei Meter hohe Marmorblock mit einer menschlichen Silhouette als Durchbruch steht seit dem 2.9.1990 auf dem Platz der Einheit in Bonns Partnerstadt Potsdam.
An diese Ereignisse des Jahres 1989 knüpft der nun gestellte Bürgerantrag an. Er will darüber hinaus dazu beitragen, die Bedeutung des Friedensplatzes für das friedenspolitische Engagement der Stadtgesellschaft aufzuwerten. Dieser Platz ist in mehrfacher Hinsicht ein geschichtsträchtiger Ort für die Bundesstadt Bonn als UN-Stadt und Stadt der „Mayors-for-Peace. Der Platz hieß in der Zeit des Nationalsozialismus bis zur Befreiung Bonns von der NS-Gewaltherrschaft – dies war bereits im März 1945 – Adolf-Hitler-Platz. Es war eine der ersten Amtshandlungen der Besatzungsmacht, das entsprechende Straßenschild zu beseitigen. Der Stadtrat hat dann im selben Jahr dem Platz seinen alten Namen Friedensplatz zurückgegeben.
Der Friedensplatz ist heute ein wichtiger Versammlungsort für Auftakt- und Schlusskundgebungen lokaler Gruppen und Initiativen, z.B. im Rahmen der Ostermärsche und des Antikriegstages.
Die Stadt tut sich bisher schwer mit den aus Bonn stammenden Deserteuren, es ist bisher nur Weniges erforscht und recherchiert worden. Es ist daher an der Zeit, auch die mehr als 20 bisher bekannten Deserteure aus Bonn angemessen zu würdigen, die auf diese Weise ihr klares Nein gegen den Krieg zum Ausdruck gebracht haben.
Die Errichtung eines Deserteur-Denkmals setzt einen Kontrapunkt zu den zahlreichen klassischen Kriegerdenkmälern in den einzelnen Stadtteilen Bonns und leistet einen weiteren wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur in Bonn. Zum Antikriegstag (1.9.) könnte künftig der Friedensplatz als traditioneller Kundgebungsort mit einem Deserteurs-Denkmal auch zu einem Gedenk- und Erinnerungsort für diese erst 2002 posthum rehabilitierten Menschen werden.
Ob es den angestrebten Ratsbeschluss geben wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gesichert. Es gibt zwar bereits positive Rückmeldungen von drei Fraktionen (SPD, Bündnis’90/Die Grünen, LINKE), die gemeinsam mit Volt die Koalition im Stadtrat tragen, dennoch scheint die Finanzierung des geplanten Vorhabens eine maßgebliche Rolle zu spielen. Eine erste vorliegende Stellungnahme der Verwaltung empfiehlt die Ablehnung des Antrages, da „eine solche Errichtung mit erheblichen Kosten und erheblichem planerischen, organisatorischen und damit personellem Aufwand verbunden“ sei. „Des Weiteren sind für die Ausschreibung und Errichtung des Denkmals personelle Ressourcen erforderlich, über die die Verwaltung derzeit nicht verfügt.“ (2)
Inzwischen ist dem zuständigen Kulturamt und seiner Abteilung „Zentrum für Stadtgeschichte und Erinnerungskulturen“ vom Bürgerausschuss eine „ergänzende Stellungnahme“ zu der Frage aufgetragen worden, wie es „die Errichtung des Denkmals inhaltlich, also unabhängig von finanziellen und personellen Kapazitäten, bewertet“.
Man darf also gespannt sein, wie diese angeforderte inhaltliche Positionierung ausfallen wird und ob auch die politisch verantwortlichen Entscheidungsträger das Totschlagsargument „leere Kassen“ nutzen werden, um die Errichtung des „Denkmals für den unbekannten Deserteur“ abzulehnen. Es wäre ein Armutszeugnis, zumal im Bürgerantrag bereits die Mitfinanzierung des Vorhabens seitens der Antragstellenden zugesagt worden ist.
Anmerkungen
1 https://deserteursdenkmal.at/wordpress/1-hintergrund/denkmaeler-im-deuts...)
2 https://www.bonn.sitzung-online.de/public/vo020?VOLFDNR=2019906&refresh=...