Deutsch-Deutsche-Friedenskonferenz „von unten"

von Gerd Greune

Erstmals trafen sich auf Einladung der Arbeitsgruppe "Deutsche-Deutsche Zusammenarbeit von unten" des Netzwerks Friedenskooperative vom 9.-11. März in Hannover rund 150 Mitglieder von Friedensinitiativen aus der Bundesrepublik und der DDR, um die Chancen einer radikalen Entmilitarisierung zu diskutieren und einander kennenzulernen.

"Friedensfreunde sind offenbar ein spartanisches Völkchen", orakelte die Hannoversche Allgemeine und meinte die "zugige Pausenhalle einer Gesamtschule", die allerdings drei spannende Tage erlebte. Da zwischen Oder und Rhein in diesen Monaten sich alles nur um Deutschland dreht, waren zum Auftakt die Meinungen unserer europäischen Nachbarn gefragt: Jakov Etinger von der sowjetischen Menschenrechtsgruppe MEMORIAL berichtete, daß die Spaltung Deutschlands bisher in seinem Lande stets als gegebene hingenommen worden sei. Im Verlauf weniger Wochen ist dieses Weltbild nun zusammengebrochen. Die Älteren, die den Weltkrieg erlebt haben, empfinden die Vereinigung immer noch als eine Bedrohung. Gorbatschow werde sich jedoch nie mit einer Mitgliedschaft der DDR in der NATO einverstanden erklären. Wer das im Westen fordere, stärke die Reformfeinde in Moskau. Kasimir Wojcicki vom Bürgerkomitee der Solidarnocs bedauerte die traurige Diskussion des Bundeskanzlers über die polnische Westgrenze. Seine Landsleute empfinden nach dem Fall der Mauer vor allem aber Freude und Hoffnung, da sie die beiden deutschen Staaten ohnehin als "künstliche Gebilde" empfunden haben. Die Vertreter aus den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich und der Schweiz empfahlen mehr Verständnis für die Sicherheitsinteressen der Nachbarn. Der 9. November sei eben nicht nur die "Nacht der Vereinigung" sondern auch der Jahrestag der "Reichskristallnacht" gewesen, erinnerte Jannecke Houdijk vom Interkirchlichen Friedensrat der Niederlande.

Entmilitarisierung war angesagt sowie die Erörterung der Gefahr eines neuen auf Europa konzentrierten "Kolonialismus", der die Solidarität untereinander aber auch gegenüber den Völkern im Süden auf eine harte Probe stellen wird. In Foren und Arbeitsgruppen wurde intensiv diskutiert und viel Übereinstimmung gefunden, daß die Chancen der Blocküberwindung mit umfassender Abrüstung einhergehen müssen. Die NVA löse sich praktisch auf, doch die Bundeswehr und die NATO diskutiere nach altem Schema und setze weiterhin auf atomare Abschreckung. In einer "Lindener Erklärung" wurde die Diskussion zusammengefaßt und mit den Vorschlägen des "Entmilitarisierungs-Forums" für konkrete Schritte in beiden Teilen Deutschlands auf dem Wege zu einer europäischen Friedensordnung veröffentlicht.

Zusammenarbeit zwischen den Gruppen wurde verabredet, so zwischen Kriegsdienstverweigerern, Frauen und "Ohne Armee“-Initiativen. Die Konferenz konnte nur ein Anfang sein für gemeinsames. Handeln. Es war nach meinem Eindruck ein guter Anfang zweier Bewegungen, die in den 80er Jahren in ihren Gesellschaften erhebliches verändert haben.

Gerd Greune ist einer der Bundessprecher der DFG-VK.

 

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Gerd Greune ist Vorsitzender von ifias Brussels.