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Buchbesprechung
Dialektik der Bombe
vonDas Ziel des Buches ist die Beantwortung der Frage, „Wie schaffen wir es, das, was wir verändern wollen, wirklich zu tun?“ Der Autor möchte mit den Lesenden gemeinsam nach Antworten suchen. Zu seinem Ausgangspunkt erklärt er, dass er, 1984 geboren, mit der Existenz der Atomwaffen aufgewachsen und ihm die öffentliche Debatte über Atomwaffen verloren gegangen sei. Sein Interesse ist es, Handlungsmöglichkeiten zurückzugewinnen.
Im Vorwort charakterisiert Matthias van der Minde drei das „atomare Zeitalter“ bestimmende „Haken“, die als Grundthesen die inhaltliche Struktur des Buches bestimmen.
Der erste “Haken“ ist das derzeitige gesellschaftliche Bewusstsein über die atomare Lage weltweit. Die Atombombe sei allgegenwärtig. Sie bestimme allein durch ihr massenhaftes Vorhandensein unsere Existenz. Die Debatte werde durch Politiker wie Trump, Kim Jong-un und Putin per Twitter bestimmt. Alle in einer Demokratie vorgesehenen Einflussmöglichkeiten und der parlamentarischen Entscheidungsfindung durch politisch Verantwortliche werden damit außer Kraft gesetzt.
Als zweiten „Haken“ nennt er Fakten und die zerstörerische Dimension der weltweit vorhandenen Atomwaffenarsenale der Atomstaaten. Dabei führt er aus, dass die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges nicht sehr groß, aber groß genug sei, um eine reale Bedrohung darzustellen. Hinzu käme, dass „(es) im atomaren Zeitalter … zu viele Beinahe-Katastrophen (gab)“. (S.10)
Mit dem dritten „Haken“ wird die geringe Chance einer politischen Einflussnahme charakterisiert, da die Entscheidungsgewalt über den Umfang der Atomwaffenarsenale nur bei wenigen Staaten läge.
Der Autor geht darauf nicht weiter ein und kritisiert trotz dieser Überlegungen im Anschluss die Positionen der Friedensbewegung in den 1980er Jahre sowie den aktuellen Widerstand gegen die in Deutschland stationierten Atomwaffen in Büchel. So mache z.B. der Atomwaffenverbotsvertrag von 2017 keinen Sinn, da er ohne die Atomwaffenstaaten erarbeitet wurde.
In der Folge unternimmt der Autor im Hinblick auf seine eingangs erwähnten Grundthesen eine Einordnung und gesellschaftspolitische Bewertung des bis Ende der 1970er Jahre vorhandenen Bedrohungspotentials durch die Atomwaffenarsenale.
Dabei greift van der Minde in seinen Ausführungen sehr häufig auf Zitate aus literarischen Werken zurück. So versucht er, die unfassbare Dimension der ständigen atomaren Bedrohung begreifbarer zu machen. Die Trennung zwischen sachlicher und philosophischer Auseinandersetzung wird dabei aufgehoben, um für die eigenen Überlegungen einen verständlichen Zusammenhang herzustellen. (S.54)
Die kommerzielle, mediale Verarbeitung der vorhandenen atomaren Bedrohungslage, die an mehreren Beispielen aufgezeigt wird, trägt aus Sicht van der Mindes ihren Anteil zur Passivität im öffentlichen Bewusstsein bei, da es in den Filmen immer „gut ausginge“.
Danach schildert er in drei Teilen chronologisch die Entwicklung des militärischen Atomwaffenkomplexes seit 1938 und das Ringen der Atomwaffenstaaten bis 1979, weltweit zu einer vertraglichen Regelung im Umgang mit den Atomwaffenarsenalen zu kommen.
Im letzten Kapitel befasst van der Minde sich mit dem Wechselverhältnis zwischen quantitativen und qualitativen Maßnahmen (z.B. vertrauensbildende Maßnahmen). Es geht ihm um die Notwendigkeit, die Dialektik der Bombe mit ihrem Glauben an den Sicherheitsgewinn durch die atomare Risikosteigerung durch entscheidende Schritte zu untergraben. Diese unterschieden sich jedoch von der Strategie des Atomwaffenverbotsvertrages. Demnach müssten die USA und Russland den atomaren Abrüstungsprozess wollen und beginnen. Nur so könne eine atomare Abrüstung gestaltet werden.
Der Abschluss seiner Ausführungen stellt eine geplante Fortsetzung des Buches in Aussicht, in dem die weitere Entwicklung bis zur Gegenwart aufgezeigt werden soll.
Das eingangs formulierte Ziel des Buches, Handlungsmöglichkeiten gegen die atomare Bedrohung zu entwickeln, wird nicht erreicht, da sich der Autor selbst in der „Dialektik der Bombe“ gefangen hält. Dass der verabschiedete Atomwaffenverbotsvertrag ein Mittel zum Zweck sein kann, gerade mit „völkerrechtlichen, zivilgesellschaftlichen Schritten“ (S.11) dieses Ziel anzugehen, diese Chance sieht er nicht. Dennoch: Das Buch stellt in seiner Form eine gute Zusammenfassung des atomaren Bedrohungspotenzials dar, auch wenn sie viele Querverweise auf philosophischeLiteratur enthält, was vielleicht nicht unbedingt notwendig ist.
Matthias van der Minde (2017): Dialektik der Bombe – Chronologie und Kritik des atomaren Zeitalters (1938 – 1979); Hamburg: VSA, ISBN 978-3899657838 , 296 S., 24,80 €uro