Friedensarbeit unter kroatischen Bedingungen

“Dich sollte man abknallen!“

von Werner Wintersteiner

Hat der Krieg am Balkan die Friedensbewegung zum Verstummen gebraucht? Im Gegenteil. Die Qualität ihrer Arbeit ist sicher gestiegen, und sie experimentiert mit neuen Formen der Konfliktlösung und des gewaltfreien Widerstands. Es ist bezeichnend, daß diese Aktivitäten von den Medien meist totgeschwiegen werden. Dabei könnten diese Aktionen nicht nur einen gewissen Beitrag zum Frieden am Balkan liefern, sondern auch für zukünftige Konflikte wichtige Erkenntnisse liefern.

 

Brücken der Verständigung

Die "Antikriegskampagne" Kroatiens bemüht sich, besonders in den ehemali­gen Kriegsgebieten zur Versöhnung und zum Wiederaufbau beizutragen. So ist sie zum Beispiel in der geteilten Stadt Pakrac tätig, die in einer UNO-Schutz­zone liegt Einige tausend Menschen sind dabei, die fast vollkommen zerstörte Stadt wieder aufzubauen. Das heißt nicht nur, die Trümmer Zu beseitigen, sondern auch, die menschlichen Verbindungen wieder herzustellen. Anfangs war es noch möglich, unter UNO-Aufsicht Treffen zwischen den Bewohnerinnen des serbischen und des kroatischen Teils der Stadt zu organisieren, doch seit der Absetzung des moderaten Bürgermei­sters im serbischen Teil der Stadt und der kroatischen Offensive um die Maslenica-Brücke sind die Fronten wieder verhärtet: Die "Antikriegskampagne" hat eine Gruppe von internationalen Freiwilligen organisiert, die nicht bloß beim Wiederaufbau helfen, sondern auch die Isolation der Bewohnerinnen durchbrechen.

Stärker verankert ist die Friedensbewe­gung bereits in der Frontstadt Osijek. In der von der UNPROFOR besetzten Gegend um Osijek konnten die im ersten Owen-Plan festgelegten Schritte (Entwaffnung der Milizen, Wiederein­führung ziviler Strukturen, Rückkehr der Vertriebenen) in keiner Weise erfüllt werden. Die Kontakte zwischen der kroatischen Stadtverwaltung und den serbischen Autoritäten in der besetzten Zone sind auf dem Nullpunkt. In diesem Klima organisierte die Antikriegskam­pagne im Juli "Tage für 'Frieden und Kultur", an denen mehrere hundert         Menschen teilnahmen. Zu    dieser "Brücke der Verständigung" wurden auch FriedensaktivistInnen aus Serbien eingeladen, die nur unter größten Schwierigkeiten und mit großer Ver­spätung einreisen durften. Podiumsdis­kussionen über Gewaltfreiheit, Trai­ningskurse für Konfliktlösung, Works­hops über Friedenserziehung und vor allem die Möglichkeit, die eigenen Erfahrungen darzustellen und zu reflektie­ren machten diese Friedenswoche zu einem Schrittbei der ''Zivilisierung" der kroatischen Gesellschaft

 

"Abknallen"

Ebenfalls im Juli organisierte die "Antikriegskampagne" eine Podiumsdiskussion in Zagreb über die Bosnienpolitik Kroatiens. Dabei übten ein Ver­treter der muslimischen Partei sowie der Universitätsprofessor Zarko Puhovski heftige Kritik an der Politik der Regie­rung. Schließlich kam es zu einem hef­tigen Wortgefecht zwischen dem hoch­rangigen Vertreter der Regierungspartei HDZ, Drago Krpina und dem Diskussi­onsleiter Zoran Ostric. Als dieser die Arbeit der Antikriegskampagne erklären wollte, wurde ihm von Krpina entge­gen geschleudert: "Dich sollte man so­fort zum Militär einberufen und an die Front schicken. Beim kleinsten Anzei­chen, daß du dich umdrehst, wird man Dich abknallen!"

Diese offene Drohung, ein neuer Höhe­punkt der Einschüchterungsversuche der Kriegsgegnerinnen, stieß auf ein großes Echo. Die einzig verbliebene unabhän­gige Tageszeitung Kroatiens, "Novi  List" (Rijeka), brachte ein ganzseitiges Interview mit Ostric, und auch die sati­rische Wochenzeitung "Fetal Tribune" nahm sich des Falls an. Kurze Zeit dar­auf wurde Krpina quasi zum Politkom­missar der kroatischen Armee befördert. "Wenigstens weiß man nun, was solche Leute für Absichten verfolgen", meint Zoran Ostric sarkastisch. Um sich selber mache er sich keine Sorgen. "Schließ­lich bin ich jetzt im ganzen Land bekannt, und das stellt für mich einen gewissen Schutz dar!"

 

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Rubrik

Krisen und Kriege
Werner Wintersteiner, Universität Klagenfurt, ist Herausgeber der friedens-politischen Zeitung alpe adria.