Zur Rede des US-Präsidenten im Bundestag am 23. Mai 2002:

Die Botschaft des Präsidenten Bush

von Andreas Buro
Hintergrund
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Eine leere Seite mit der Überschrift "Bushs historische Rede" veröffentlichte die taz und Bettina Gaus schrieb dazu, Bush hätte wegen dieser Rede nicht nach Berlin zu kommen brauchen. Kommentatoren im Fernsehen hatten dagegen schnell das Wort von der "historischen Rede" im Munde, vielleicht auch nur, weil von einem so mächtigen Gast nur ´Historisches` zu erwarten sei. Sicher hat Bush keine rhetorisch brilliante Ansprache im Bundestag gehalten. Doch ist dies wirklich wichtig, denn große Rhetorik dient oft genug zur Verschleierung der Wirklichkeit? Wichtig ist jedoch, jenseits von diplomatischen Floskeln und brillianten Formulierungen, die Botschaft des Präsidenten, die an einem bedeutsamen politisch-symbolischen Ort überbracht wurde. Sie enthält, wenn auch oft verschlüsselt, Hinweise auf Sichtweisen, Ideologien und Absichten der Führungsriege der globalen Weltmacht USA.

Bush beschreibt zunächst die "neue Bedrohung" als totalitär. Er stellt sie - in einem Nebensatz "Andere töteten im Namen rassischer Reinheit oder eines Klassenkampfes." - in eine Reihe mit dem faschistischen zweiten Weltkrieg. Er verweist auf den Angriff auf Pearl Harbor, der zum Eintritt der USA in den Krieg führte, und nannte die Berliner Blockade als Symbol für den Beginn des Ost-West-Konflikts. Nun sei der "Terrorismus" die gleichwertige große Herausforderung. Die Bedrohung ist global. "Jene, die gegen die menschliche Freiheit sind ... werden sie auf jedem Kontinent angreifen" und: "Es kann keine dauerhafte Sicherheit geben in einer Welt, die der Gnade des Terrorismus ausgeliefert ist." Der Höhepunkt dann, dass die Zivilisation insgesamt bedroht sei. Selbstverständlich ist die westliche gemeint. Der Feind ist wie in den ersten beiden Bedrohungen geradezu teuflisch: "Wir stehen vor einer aggressiven Kraft, die Tod verherrlicht, auf Unschuldige zielt, Mittel für ihre Zwecke sucht, Mord in großem Maßstab zu verüben." Armut und Tod bringende Krankheiten drohen uns.
 

In einem ganz fundamentalistischen Sinne zeichnet der Präsident der USA ein geradezu manichäisches Weltbildnis der Bösen und der Guten. "Die Terroristen sind durch ihren Haß definiert. Sie hassen Demokratien, Toleranz und die freie Meinungsäußerung. Sie hassen Frauen, sie hassen Juden, sie hassen Christen und sie hassen Muslime, die sich gegen sie wenden." Diese Terroristen haben bei Bush also keinen historischen Hintergrund. Sie sind nur schlicht Abbild des absolut Bösen, die sich in den Besitz von Massenvernichtungswaffen setzen wollen, wobei ihnen bestimmte Regime helfen. Dagegen skizziert Bush die Guten, die freilich alle diese Waffen schon entwickelt und zur Verfügung haben: "Wir bauen eine Welt der Gerechtigkeit....." und mit unseren "Freunden werden wir das Haus der Freiheit bauen - für unsere Zeiten und für alle Zeiten."

Gegen diese absoluten Bedrohungen benötige man mehr denn je die NATO, dieses "erfolgreichste Bündnis der Geschichte". Sie brauche eine neue Strategie und neue Fähigkeiten und alle Mittel der modernen Verteidigung. Auch entfernt von Europa müsse sie handlungsfähig sein. Dies ist eine Forderung nach Militarisierung der internationalen Politik, und zwar nicht unter dem Rechte-Katalog der Vereinten Nationen, sondern unter dem existentiellen Kampf zwischen Gut und Böse, wo alles andere zurück zu stehen hat. "Wenn Europa in Einheit zusammen wächst, dann wachsen Europa und Amerika in Sicherheit zusammen." Dies klingt wie eine Absage an eine eigenständige zivil ausgerichtete europäische Sicherheitspolitik.

Auch Regionalkonflikte wie auf dem Balkan und in Afghanistan sollen aufgegriffen werden. Genannt wird auch der israelisch-palästinensische Konflikt, allerdings ohne neue Perspektiven aufzuzeigen, obwohl die Hoffnung für eine dauerhafte Lösung fern sei. Doch schließlich hätten sich auch andere Völker nach langen Kämpfen wieder versöhnt. Nun, ja, da mag er Recht haben. Politik ist das allerdings nicht.

Nach der beschworenen Einheit des Kampfes gegen den "Terrorismus" mögen manche angesichts der Selbstherrlichkeit von US-Politik ein deutliches Wort zur Gemeinsamkeit der Entscheidungen erwartet haben. Doch Bush verspricht nur Beratung. Der NATO wird offensichtlich nur eine Funktion im Rahmen der US-Politik zugewiesen und Bush denkt nicht daran, den Unilateralismus der USA in Frage zu stellen. Dies wird sogleich deutlich, wenn der Präsident sagt: "Wir sind über einen ABM-Vertrag (Vertrag zur Begrenzung der Raketenabwehr, der als ein sehr wichtiger Bestandteil des Rüstungskontrollsystem angesehen wird A.B.) hinausgegangen, der uns daran hinderte unser Volk und unsere Freunde zu verteidigen." Viele der wichtigsten Bündnispartner hatten die USA vor diesem Schritt gewarnt, aber Washington will seine Schildkräfte verstärken, um so mit geringerem Risiko seine offensiven Schwertkräfte in der dritten Runde des Kampfes gegen das Böse einsetzen zu können - Beispiel für Unilateralismus. Bush kündigte auch die Unterzeichnung eines Raketenabrüstungsvertrags mit Moskau an, der eigentlich nur eine Absichtserklärung ist. Durch ihn sollen die überflüssigen Raketenarsenale abgebaut und z.T. eingemottet werden. Der Over-Kill bleibt jedoch erhalten. Die qualitative Aufrüstung vor allem des Westen geht weiter. Das Abkommen ist kein Schritt zur Entmilitarisierung der Politik.

"Jetzt umarmen wir uns in Freundschaft mit einem demokratischen neuen Russland." Dieser Satz wird später in Bildern fortgeführt, als Bush und Putin, der Vertreter des Staatsterrorismus gegenüber den Tschetschenen, sich umarmen. Im gemeinsamen ´Haus der Freiheit` werden gerade die letzten oppositionellen Medien gleichgeschaltet, was mit Demokratie wenig zu tun hat. Doch diese feinen Unterschiede übersieht der Visionär Bush, was ihm in Richtung Kuba nie passieren würde. Eine neue russisch-amerikanische Partnerschaft würde geschmiedet, verkündet der Präsident. Doch was für eine Partnerschaft ist das? Russland muß die Kröte der NATO-Erweiterung schlucken, die sein Einflussgebiet weiter beschränkt und die Aufhebung des ABM-Vertrags durch die USA tolerieren. In dem neuen NATO-Russland-Rat kann es jederzeit bei wichtigen Entscheidungen ausgebootet werden. Gleichzeitig mit der großartigen Umarmung muß Moskau zusehen, wie die USA im Bereich der GUS-Staaten von Georgien bis Usbekistan militärisch Fuß faßt. Nein, was hier gefeiert wird, ist eher die Unterwerfung Russlands, das als Erbe der zweiten Globalmacht Sowjetunion nun Schritt für Schritt demontiert und zur Regionalmacht degradiert wird. Natürlich hat Bush nicht gesagt: Der Sieger bekommt alles, aber das Mosaik seiner Aussagen läßt sich durchaus so deuten: Die EU-NATO-Staaten als Funktionsträger für die US-Globalpolitik und Russland als Rohstofflieferant besonders für Energie und als scheinbar gleichberechtigter Partner in der "Anti-Terror-Allianz", in dessen Einflussgebiete der Westen sich allianz-mäßig einmischen kann.

Den Hinweis Bushs auf das Vaterwort von den USA und Deutschland als Partner in der Führung (Partner in leadership) kann man getrost als Eloge an die Gastgeber beiseite lassen und mit der Kürze des Besuchs in Deutschland relativierend messen. Interessanter ist, was Bush nicht sagte: Er verschwendete keinen Gedanken an die möglichen Ursachen des Attentats-Terrorismus. Könnte er nicht auch mit der westlichen und der US-Politik geschuldet sein? Wie soll denn der Aufbau einer "gerechten Welt" und des "Hauses der Freiheit" erfolgen oder meint Bush einfach nur Globalisierung weiter wie bisher? Sieht er denn keine Bedrohungen durch die Zerstörung vieler Lebensräume und der Biosphäre, an denen das Verhalten der USA maßgeblich beteiligt ist? Hat er keine Vorstellung von ziviler Konfliktbearbeitung? Bundestagspräsident Thierse sprach von der Dringlichkeit einer Koalition für den Frieden. In diesem Zusammenhang ist an internationales Recht und an Institutionen wie die Vereinten Nationen zu denken. Bush denkt aber anscheinend nur an eine Pax americana, die zudem noch analytisch blind und gewalttätig ist.

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