Die Friedensbewegung in Australien

von Peter D. JonesHanna Poddig

Obwohl es seit der Zeit des ersten Weltkrieges, als zwei Referenden zur Wehrpflicht abgelehnt worden waren, eine Friedensbewegung in Australien gegeben hat, so wurde eine nationale Bewegung immer durch die Größe und die Bevölkerung des Landes behindert. Australien ist von der Fläche her das sechstgrößte Land der Erde, hat allerdings nur 20 Millionen EinwohnerInnen, von denen die meisten in den Hauptstädten der sechs Staaten und in der Bundeshauptstadt Canberra leben.

Folglich kann es keine wirklich nationale Bewegung geben, da die erforderlichen Reise- und somit meist Flugkosten aus anderen Bundesstaaten zu den vor allem in Sydney oder Melbourne stattfindenden Konferenzen für die meisten NGOs unerschwinglich teuer sind. Die Konferenzen dort tendieren daher dazu, von AktivistInnen aus diesen beiden Städten dominiert zu sein. Die meisten Friedensorganisationen operieren deshalb auf Bundesstaatenbasis und haben sich auf lokale Aktivitäten spezialisiert.

Nach dem zweiten Weltkrieg erfuhr die australische Friedensbewegung durch den Kalten Krieg die gleiche Spaltung wie auch die europäische: Mit linken Gruppen, die dazu tendierten, die USA stärker zu kritisieren als die Sowjetunion. Aber das Bewusstsein wurde durch Atomtests der Briten in Australien in den 1950ern und später der Franzosen im Süd-Pazifik nach 1963 sowie durch die Einrichtung von US-Spionage- und Kommunikationsstützpunkten seit den 1960ern gestärkt.

Der Verlass auf die Vereinigten Staaten spiegelte sich in Australiens Verbundenheit mit dem ANZUS-Vertrag (1951). Dieser beinhaltet sowohl die Einrichtung von Militär-Basen, als auch den Betrieb von US-Kriegsschiffhäfen und eine Mitarbeit im ,,Five Nation Secretive Spying Agreement" (= Spionageabkommen), das von den USA nach dem zweiten Weltkrieg eingerichtet worden war und auch Neuseeland einschloss.

Der amerikanische Krieg in Vietnam bewirkte einen Aufschwung für die Friedensbewegung, nachdem eine konservative Regierung australische Truppen zur Unterstützung des Kampfes der US-Truppen nach Südvietnam geschickt hatte und es besonders in Sydney und Melbourne zu Massenmobilisierungen kam, wodurch sich die öffentliche Meinung langsam in eine kriegsablehnende wandelte.

Australien hatte ein System der selektiven Einberufung zum Militär, und junge Männer, die sich weigerten zu kämpfen, wurden eingesperrt, sofern sie nicht den Status als anerkannte Kriegsdienstverweigerer erlangten.

Sowohl die War Resisters International als auch der australische Zweig des Internationalen Versöhnungsbunds waren in beiden Weltkriegen aktiv und arbeiteten auch zum Konflikt in Südostasien, seitdem sind sie jedoch inaktiv und haben ihr Augenmerk mehr auf die Nuklearisierung des Pazifiks als auf die Wehrpflichtdebatte gerichtet.

Die Anti-Atom-Bewegung gewann in den 1960ern an Einfluss durch den CND (Campaign for Nuclear Disarmement = Kampagne für nukleare Abrüstung) in Großbritannien und gab einen neuen Ansatz, um eine Friedensbewegung mit einer breiten Basis aufzubauen.

Dies gelang trotz einer starken antikommunistischen Bewegung in Australien (besonders da Australien Heimat vieler Exil-Osteuropäer aus den „Gefangenen Nationen" war), die es erschwerte, Unterstützung aus dem mittleren Australien aufzubauen.

In den 1970ern gab es wachsende Unterstützung für die Friedensbewegung, als die nuklearen Aktivitäten im Pazifik durch französische Atomtests, Lenkwaffentests und die Entwicklung atomarer U-Boot-Flotten sowohl durch die USA als auch durch die UdSSR zunahmen.

Die Anti-Atom-Bewegung im Pazifik entwickelte sich weiter durch die erste NFIP- Konferenz (Nuclear Free & Independent Pacific = Atomfreier und unabhängiger Pazifik) in Fiji 1975 und darauffolgende Konferenzen in Sydney und Melbourne mit Delegierten der pazifischen Inselstaaten, besonders aus Palau (Belau), wo die Inselbewohner gegen Bestreben zum Umsturz ihrer vorgeschlagenen nuklearfreien Verfassung durch die USA kämpften.

Es gab enge Verbindungen zur neuseeländischen Friedensbewegung und anhaltenden Kontakt mit diversen japanischen Friedensorganisationen, hauptsächlich solchen, die jährlich im August der Bombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki gedachten.

Ein weiterer Impuls kam durch den Widerstand gegen Uranabbau und Uranexporte, der Naturschutzverbände wie „Friends of the Earth" einband. Dieses Thema ist jüngst wieder aufgetaucht, da Atomkraft als Alternative zu den Gefahren der globalen Erwärmung einen erneuten Schub erfährt und Australien über 40%  der weltweiten Uranreserven verfügt.

Die neue Koalition von Friedensgruppen bestand nun schon aus den alten linken Organisationen und kirchlichen Gruppen wie Pax Christi und den Quäkern sowie anderen bekannten Gruppen wie WILPF (Women's International League for Peace and Freedom =Internationale Frauenvereinigung für Frieden und Freiheit) und neuen Organisationen wie dem Zusammenschluss von Medizinern zur Verhütung von Krieg.

Auf diese zweite Welle der Friedensbewegung zurückblickend nannte sich das neue Netzwerk in den 1960ern „People for Nuclear Disarmament" (=Menschen für nukleare Abrüstung) und hatte Büros in den Hauptstädten aller Bundesstaaten.

Sie konzentrierten sich primär auf US-Basen, US-Kriegsschiffhäfen und den Widerstand gegen Uranabbau und Uranexport.

Das Hauptproblem war, dass es zwar einfach war, kleine Friedensflotten zu organisieren, um auf dem Wasser US-Kriegsschiffe in den Haupthäfen zu blockieren, dass aber die drei Schlüsselbasen in abgeschiedenen Gegenden lagen und schwer zu erreichen und somit schwer mit Aktionen anzugreifen waren. Dies waren die Nordwest-Kap Kommunikationsstation in Westaustralien, Nurrungar in Südaustralien und die einzige noch im Betrieb befindliche und wichtigste Pine Gap in der Wüste im Zentrum Australiens.

Auch Uranminen liegen normalerweise fernab der Bevölkerungszentren im Süden in abgelegenen Gebieten wie dem Northern Territory.

Nachdem 1983 eine Labor-Regierung gewählt wurde und sich sofort bedenkenlos der US-Linie anschloss, gründeten desillusionierte Aktivisten die „Nuclear Disarmement Party" NDP (Die Partei zur nuklearen Abrüstung), die bereits 1984 mit einem gewählten Vertreter - Jo Vallentine aus Westaustralien -im Senat vertreten war.

Der Rockstar Peter Garrett von Midnight Oil konnte weitere Stimmen in New South Wales gewinnen, doch die Wähler, die vorher Labor gewählt hatten, tendierten nun eher zu den Liberalen als zur neu gegründeten NDP. Später kandidierte Garrett für die Australian Labor Party (ALP) und musste, als er dann gewählt war, sogar US-Basen und einige Uranminen unterstützen.

Jo Vallentine verließ die NDP, nachdem trotzkistische Gruppen die Partei übernommen hatten und blieb als Parteilose im Senat, bis die die erste grüne Senatorin wurde und schließlich 1992 abdankte. Sie hatte der Friedensbewegung eine Stimme im Parlament gegeben und es in die Schlagzeilen geschafft, da sie während ihrer Zeit als Mitglied des Parlaments dreimal verhaftet worden und nach einer Aktion am Pine Gap sogar eingesperrt worden war.

Neuseeland hatte mehr Erfolg mit seinem Verbot von US-Kriegsschiffhäfen Mitte der 80er Jahre und der Verärgerung über den Bombenanschlag auf die „Rainbow Warrior" im Hafen von Auckland.

Eine weitere Entwicklung der 1980er war die Entstehung eines Netzwerkes für Gewaltfreiheitstrainings, das maßgeblich geprägt worden war von Aktivisten, die in den 1970ern in den USA gewesen waren, obwohl sich deren Engagement vorrangig Umweltschutzthemen bezog. Die (radikal-) linkeren Gruppen zogen oft gewalttätige Konfrontationen mit der Polizei wie Ende der 1980er und Anfang der 1990er in Canberra bei Waffenschauen oder an Uranminen in Südaustralien der gewaltfreien Herangehensweise vor.

Das Netzwerk besteht jedenfalls noch immer und arbeitet nun auch mit Peace Brigades International und der „Nonviolent Peaceforce" zusammen.

Die Friedensbewegung verlor in den 1990ern immer weiter an Bedeutung und erstarkte erst durch die Verwicklung Australiens in den Irakkrieg erneut, obwohl lokale Friedensgruppen noch immer unter der Präsenz (radikal-)linker Organisationen leiden (dies sind die Sozialistische Allianz, die vormals sozialistische Arbeiterpartei, die internationale Sozialismusbewegung und diverse Splittergruppen, v.a. in Sydney und Melbourne)

Dies hat ihr Wachstum beschränkt, da viele ältere Friedensaktivisten dazu tendieren, Kontakt mit diesen Gruppen zu vermeiden, und jüngere sich von Themen und Kampagnen zu Umweltschutz oder Menschenrechten eher angesprochen fühlen.

Die War Resisters international hatten immer Kontakte nach Australien, dies jedoch nur aufgrund einiger Einzelpersonen, von denen einige in Devi Prasads Buch über die Geschichte der WRI erwähnt sind.

Die Distanz zu Europa war·immer zu groß; um sich regelmäßig zu treffen, die Jahreszeiten sind genau umgekehrt, und der Fokus in Australien und Neuseeland lag immer eher auf dem Protest gegen die US-Atomallianz und Uranabbau, als auf Antimilitarismus.

 

 

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Hanna Poddig, geboren 1985, bezeichnet sich selbst als Vollzeitaktivistin und ist v.a. im Anti-Atom-Bereich, gegen Gentechnik und gegen Militarismus aktiv. Sie hat 2009 ein Buch ("Radikal mutig", rotbuch) über ihre Aktionserfahrungen mit kreativem Widerstand geschrieben. Kontakt: hanna.poddig@gmx.de.