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(B., Asylbewerber aus Zaire)
“…die Füße nicht mehr auf die Erde kriegen“
vonTäglich neue Nachrichten von Mordanschlägen auf Ausländerinnen, insbesondere Flüchtlinge. Täglich neue rassistische Stimmungsmache gegen Asylsuchende. Als "Antwort" werden das im Grundgesetz - aus gutem Grund - verankerte Menschenrecht auf Asyl faktisch abgeschafft und weitere erhebliche Verschlechterungen der Lebensbedingungen von Flüchtlingen beschlossen.
Doch was ist das für eine "Antwort"? Sie schürt das Feuer des Nationalismus Und Rassismus. Faschisten und andere Rechtsextremisten können sich und ihre blutigen Anschläge politisch legitimiert sehen. Die Hetze nimmt zu.
Ein Wohnheim für Asylbewerberinnen in einer Stadt im Erftkreis, mit 80 Personen (Familien und alleinstehende Männer) - darunter ein Drittel Kinder - aus neun Staaten vollbelegt. Gehen wir einmal hinein, geben wir uns einen Einblick, unter welchen Bedingungen Flüchtlinge leben müssen.
Die Asylsuchenden leben - wie überall - auf engstem Raum zusammen, Familien in jeweils einem, die Männer in Zimmern mit Mehrfachbelegung. Eine Privatsphäre, ein persönlicher Bereich existiert mindestens für die Dauer des Asylverfahrens nicht. Es gibt eine Küche, Duschen und Toiletten für alle. Natürlich gibt es ein hohes Konfliktpotential, wenn viele Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur, Religion und Wertvorstellung ein gemeinschaftliches Leben - organisieren sollen. Der Druck der unsicheren Gegenwart und Zukunft verschärft diese Problematik zusätzlich.
Das größte Problem für die meisten Asylsuchenden ist der Ablauf des Asylverfahrens und der weitere Aufenthalt in der BRD. Krieg, Vergewaltigung, Hunger, allgemeine Notsituationen und selbst eine drohende Todesstrafe sind für sich alleine keine ausreichenden. Gründe, die zu einer Asylberechtigung führen. Der Asylantrag eines kurdischen Flüchtlings aus der Türkei ist abgelehnt worden, obwohl ihm als PKK-Sympathisant bei einer Rückkehr Gefängnis und Folter droht. Auch der Asylantrag einer afghanischen Familie hinduistischen Glaubens ist abgelehnt worden, weil "Hindus in Afghanistan nicht verfolgt werden und im Übrigen die Familie schließlich Zuflucht in Pakistan hätte finden können. Die moslemischen Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina werden pauschal nicht als Asylberechtigte und auch nicht als politisch Verfolgte anerkannt, da sie ja "nur" aus einem Kriegsgebiet flüchteten und eine Verfolgung aus ethnischen und religiösen Gründen "nicht erkennbar" ist.
Diese Liste ließe sich fast unbegrenzt verlängern und zeigt die Schizophrenie deutscher Asylgesetzgebung und Rechtsprechung. Zwingend notwendig ist in jedem Fall eine fundierte juristische Beratung eines Anwalts oder einer professionellen Beratungsstelle für Flüchtlinge. Doch Anwälte kosten Geld, und Beratungsstellen gibt es zu wenige. Verfahrensberatung ist politisch nicht erwünscht.
Im Wohnheim suchen alle Männer und einige Frauen Arbeit, um keine Sozialhilfe beziehen zu müssen, etwas Geld zur Verfügung zu haben und sich eine Beschäftigung, die existentielle Probleme verdrängen kann, zu geben. Asylsuchende benötigen hierfür die sog, allgemeine Arbeitserlaubnis vom Arbeitsamt. Zunächst müssen sie sich jedoch einen Arbeitgeber suchen, der sie einstellen könnte. Dann entscheidet das Arbeitsamt, ob ein/e arbeitslos gemeldete/r Deutsche/r, EG-Bürger/in oder arbeitsrechtlich bevorzugte/r ausländische/r Arbeitnehmer/in diese konkrete Tätigkeit in dem bestimmten Betrieb ausüben kann. Diese Prüfung dauert mindestens vier Wochen. Erst dann kann eine Arbeitserlaubnis ausgestellt werden, jedoch entsprechend der Aufenthaltserlaubnis befristet. Und wenn sie ausläuft, beginnt das Prüfverfahren (auf Antrag des Füchtlings) von neuem. Viele potentielle Arbeitgeber stellen wegen dieses Prüfverfahrens grundsätzlich keine Asylsuchenden mehr ein. So wird es für Flüchtlinge immer schwieriger - und fast schon unmöglich -, eine Erwerbstätigkeit auszuüben.
Die Flüchtlinge im Wohnheim erhalten (noch) Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz, wenn sie nicht erwerbstätig sind. Bereits seit dem 1.9.1991 wird im Erftkreis die Sozialhilfe für Asylsuchende größtenteils in Form von Wertgutscheinen wöchentlich ausgezahlt. Der Haushaltsvorstand erhält. z.B. nur einen monatlichen Barbetrag in Höhe von DM. 70,-. Die Gutscheine haben ein "Verfallsdatum" und sind pur im Erftkreis gültig. Mit ihnen nicht bezahlt werden können u.a. Post und Telefongebühren, Fahrtkosten und vor allem: die Anwaltskosten. Die Gutscheine sind Teil des strukturellen Rassismus. Sie diskriminieren und stigmatisieren die Flüchtlinge und grenzen sie aus. Rassistische Hetze, "Spießrutenlauf" im Supermarkt gehören zum Alltag der Asylbewerberlnnen. Das neue Asylbewerberleistungsgesetz wird für alle Asylsuchenden (und andere Flüchtlingsgruppen) bundeseinheitlich Sachleistungen vorschreiben. Wenn dieses nicht möglich ist, werden weiterhin Wertgutscheine oder sog. Kontoblätter ausgegeben werden. Die Leistungen insgesamt werden erheblich reduziert.
Flüchtlingsinitiativen im Erftkreis organisieren mittlerweile Umtauschaktionen, bei denen regelmäßig (wöchentlich) Bargeld gegen Gutscheine getauscht wird. Die Gutscheine benutzen Deutsche dann für den eigenen Einkauf. Das Bargeld wird den Asylsuchenden gegen ihre Gutscheine ausgegeben. Allerdings gibt es noch nicht viele Menschen, die ihr Geld gegen Gutscheine geben, so daß nur ein kleiner Teil der Gutscheine gegen Geld getauscht werden kann.
Fast alle Flüchtlinge tragen schreckliche, oft traumatische Erlebnisse im Herkunftsland und von der Flucht in das Exil. Sie wirken weiter und verstärken sich infolge der permanenten Diskriminierung, Ausgrenzung und des Rassismus. Psychosomatische und psychische Erkrankungen und bestimmte soziale Verhaltensweisen, die das Exilleben des einzelnen, der Familie und der unfreiwilligen Gemeinschaft des Wohnheimes erheblich mitprägen, können sich entwickeln.
Kinder sind von der Entwurzelung, vom Verlust der sozialen Gruppe und von der Exilsituation psychisch am stärksten betroffen. Integrative Maßnahmen sind politisch nicht beabsichtigt. So unterliegen nach herrschender Auffassung asylsuchende Kinder nicht der Schulpflicht. Das Schulpflichtgesetz NRW setzt nämlich einen "Wohnsitz" oder ''gewöhnlichen Aufenthalt" in NRW voraus; und diese Tatsache sei zumindest für die Dauer des Asylverfahrens nicht gegeben. So können die Schulen selbst entscheiden, ob sie Flüchtlingskinder aufnehmen; viele entscheiden sich dagegen. Auch einige der Kinder im Wohnheim gehen nicht zur Schule.
Wir verlassen jetzt das Wohnheim, wir können es.
Es konnten nur einige der Lebensbedingungen und Problemlagen der Flüchtlinge angerissen werden. An dieser Stelle bleibt aufzurufen, mit den Flüchtlingen zusammen gegen den braunen Mob, gegen die "Sonderbehandlung" einer Bevölkerungsgruppe, gegen die rassistische Ausländer- und Asylgesetzgebung, gegen die Verfassungsbrüche und für eine demokratische Entwicklung. in diesem Land und in Europa zu kämpfen.
Aus unserer - deutschen - Sicht angesagt ist der zivile Ungehorsam gegenüber den Menschenrechtsverletzungen in der BRD.