(B., Asylbewerber aus Zaire)

“…die Füße nicht mehr auf die Erde kriegen“

von Claus Ulrich Prölß

Täglich neue Nachrichten von Mordanschlägen auf Ausländerinnen, insbesondere Flüchtlinge. Täglich neue rassistische Stimmungsmache gegen Asylsuchende. Als "Antwort" werden das im Grundgesetz - aus gutem Grund - verankerte Menschenrecht auf Asyl faktisch abgeschafft und weitere erhebliche Verschlechterungen der Lebensbedingungen von Flüchtlingen beschlossen.

Doch was ist das für eine "Antwort"? Sie schürt das Feuer des Nationalismus Und Rassismus. Faschisten und andere Rechtsextremisten können sich und ihre blutigen Anschläge politisch legitimiert sehen. Die Hetze nimmt zu.

Ein Wohnheim für Asylbewerberinnen in einer Stadt im Erftkreis, mit 80 Per­sonen (Familien und alleinstehende Männer) - darunter ein Drittel Kinder - aus neun Staaten vollbelegt. Gehen wir einmal hinein, geben wir uns einen Ein­blick, unter welchen Bedingungen Flüchtlinge leben müssen.

Die Asylsuchenden leben - wie überall - auf engstem Raum zusammen, Familien in jeweils einem, die Männer in Zim­mern mit Mehrfachbelegung. Eine Pri­vatsphäre, ein persönlicher Bereich exi­stiert mindestens für die Dauer des Asylverfahrens nicht. Es gibt eine Kü­che, Duschen und Toiletten für alle. Natürlich gibt es ein hohes Konfliktpo­tential, wenn viele Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur, Religion und Wertvorstellung ein gemeinschaftli­ches Leben - organisieren sollen. Der Druck der unsicheren Gegenwart und Zukunft verschärft diese Problematik zusätzlich.

Das größte Problem für die meisten Asylsuchenden ist der Ablauf des Asylverfahrens und der weitere Aufenthalt in der BRD. Krieg, Vergewaltigung, Hun­ger, allgemeine Notsituationen und selbst eine drohende Todesstrafe sind für sich alleine keine ausreichenden. Gründe, die zu einer Asylberechtigung führen. Der Asylantrag eines kurdischen Flüchtlings aus der Türkei ist abgelehnt worden, obwohl ihm als PKK-Sympathisant bei einer Rückkehr Gefängnis und Folter droht. Auch der Asylantrag einer afghanischen Familie hinduisti­schen Glaubens ist abgelehnt worden, weil "Hindus in Afghanistan nicht verfolgt werden und im Übrigen die Fami­lie schließlich Zuflucht in Pakistan hätte finden  können. Die moslemischen Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina werden pauschal nicht als Asylberech­tigte und auch nicht als politisch Ver­folgte anerkannt, da sie ja "nur" aus einem Kriegsgebiet flüchteten und eine Verfolgung aus ethnischen und religiö­sen Gründen "nicht erkennbar" ist.

Diese Liste ließe sich fast unbegrenzt verlängern und  zeigt die Schizophrenie deutscher Asylgesetzgebung und Rechtsprechung. Zwingend notwendig ist in jedem Fall eine fundierte juristi­sche Beratung eines Anwalts oder einer professionellen Beratungsstelle für Flüchtlinge. Doch Anwälte kosten Geld, und Beratungsstellen gibt es zu wenige. Verfahrensberatung ist politisch nicht erwünscht.

Im Wohnheim suchen alle Männer und einige Frauen Arbeit, um keine Sozialhilfe beziehen zu müssen, etwas Geld zur Verfügung zu haben und sich eine Beschäftigung, die existentielle Pro­bleme verdrängen kann, zu geben. Asylsuchende benötigen  hierfür die sog, allgemeine Arbeitserlaubnis vom Arbeitsamt. Zunächst müssen sie sich jedoch einen Arbeitgeber suchen, der sie einstellen könnte. Dann entscheidet das Arbeitsamt, ob ein/e arbeitslos gemeldete/r Deutsche/r, EG-Bürger/in oder arbeitsrechtlich bevorzugte/r ausländi­sche/r Arbeitnehmer/in diese konkrete Tätigkeit in dem bestimmten Betrieb ausüben kann. Diese Prüfung dauert mindestens vier Wochen. Erst dann kann eine Arbeitserlaubnis ausgestellt werden, jedoch entsprechend der Aufenthaltserlaubnis befristet. Und wenn sie ausläuft, beginnt das Prüfverfahren (auf Antrag des Füchtlings) von neuem. Viele potentielle Arbeitgeber stellen wegen dieses Prüfverfahrens grundsätz­lich keine Asylsuchenden mehr ein. So wird es für Flüchtlinge immer schwieriger - und fast schon unmöglich -, eine Erwerbstätigkeit auszuüben.  

Die Flüchtlinge im Wohnheim erhalten (noch) Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz, wenn sie nicht er­werbstätig sind. Bereits seit dem 1.9.1991 wird im Erftkreis die Sozial­hilfe für Asylsuchende größtenteils in Form von Wertgutscheinen wöchentlich ausgezahlt. Der Haushaltsvorstand er­hält. z.B. nur einen monatlichen Barbe­trag in Höhe von DM. 70,-. Die Gut­scheine haben ein "Verfallsdatum" und sind pur im Erftkreis gültig. Mit ihnen nicht bezahlt werden können u.a. Post­ und Telefongebühren, Fahrtkosten und vor allem: die Anwaltskosten. Die Gut­scheine sind Teil des strukturellen Ras­sismus. Sie diskriminieren und stigmati­sieren die Flüchtlinge und grenzen sie aus. Rassistische Hetze, "Spießruten­lauf" im Supermarkt gehören zum Alltag der Asylbewerberlnnen. Das neue Asylbewerberleistungsgesetz wird für alle Asylsuchenden (und andere Flüchtlingsgruppen) bundeseinheitlich Sachleistungen vorschreiben. Wenn die­ses nicht möglich ist, werden weiterhin Wertgutscheine oder sog. Kontoblätter ausgegeben werden. Die Leistungen insgesamt werden erheblich reduziert.

Flüchtlingsinitiativen im Erftkreis orga­nisieren mittlerweile Umtauschaktionen, bei denen regelmäßig (wöchentlich) Bargeld gegen Gutscheine getauscht wird. Die Gutscheine benutzen Deut­sche dann für den eigenen Einkauf. Das Bargeld wird den Asylsuchenden gegen ihre Gutscheine ausgegeben. Allerdings gibt es noch nicht viele Menschen, die ihr Geld gegen Gutscheine geben, so daß nur ein kleiner Teil der Gutscheine gegen Geld getauscht werden kann.

Fast alle Flüchtlinge tragen schreckli­che, oft traumatische Erlebnisse im Herkunftsland und von der Flucht in das Exil. Sie wirken weiter und verstärken sich infolge der permanenten Diskrimi­nierung, Ausgrenzung und des Rassis­mus. Psychosomatische und psychische Erkrankungen und bestimmte soziale Verhaltensweisen, die das Exilleben des einzelnen, der Familie und der unfreiwilligen Gemeinschaft des Wohnheimes erheblich mitprägen, können sich ent­wickeln.

Kinder sind von der Entwurzelung, vom Verlust der sozialen Gruppe und von der Exilsituation psychisch am stärksten betroffen. Integrative Maßnahmen sind politisch nicht beabsichtigt. So unterlie­gen nach herrschender Auffassung asylsuchende Kinder nicht der Schulpflicht. Das Schulpflichtgesetz NRW setzt nämlich einen "Wohnsitz" oder ''ge­wöhnlichen Aufenthalt" in NRW voraus; und diese Tatsache sei zumin­dest für die Dauer des Asylverfahrens nicht gegeben. So können die Schulen selbst entscheiden, ob sie Flüchtlings­kinder aufnehmen; viele entscheiden sich dagegen. Auch einige der Kinder im Wohnheim gehen nicht zur Schule.

 

Wir verlassen jetzt das Wohnheim, wir können es.

Es konnten nur einige der Lebensbedin­gungen und Problemlagen der Flüchtlinge angerissen werden. An dieser Stelle bleibt aufzurufen, mit den Flüchtlingen zusammen gegen den braunen Mob, gegen die "Sonderbehandlung" einer Bevölkerungsgruppe, gegen die rassistische Ausländer- und Asylgesetzgebung, gegen die Verfas­sungsbrüche und für eine demokratische Entwicklung. in diesem Land und in Europa zu kämpfen.

 

Aus unserer - deutschen - Sicht angesagt ist der zivile Ungehorsam gegenüber den Menschenrechtsverletzungen in der BRD.

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