Jugendoffiziere

Die Schwierigkeit eines Jugendoffiziers mit dem Thema Afghanistan

von Otmar Steinbicker

Wenn Jugendoffiziere vor Schulklassen sprechen, dann stehen sie vor verschiedenen Problemen. Eines davon ist der Widerspruch, dass sie offiziell keine „Werbung“ für die Bundeswehr machen dürfen, andererseits aber ein positives Bundeswehrbild vermitteln sollen. Ein Handicap für die Friedensbewegung ist, dass der Begriff „Werbung“ in diesem Fall nicht sauber definiert ist. Hier herrscht ein Grauzonenbereich vor ähnlich wie beim Begriff „Public Relation“ (PR), der bewusst zwischen Information und Werbung angelegt ist. PR dient Selbstdarstellungs- und damit letztlich Werbezwecken, auch wenn sie sich informativer Methoden bedient. Gerade bei der Kritik an Kooperationsverträgen zwischen Kultusministerien und Bundeswehr macht es Sinn, diese PR-Problematik deutlich zu thematisieren.

Friedensbewegte werden dabei eher geneigt sein, bereits die Vermittlung eines positiven Bundeswehrbildes als „Werbung“ zu definieren, während JugendoffizierInnen „Werbung“ eher als konkrete „Anwerbung“ von RekrutInnen verstanden wissen wollen. Solche konkreten Anwerbungspraktiken gibt es an Schulen in den USA, hierzulande ist mir so etwas nicht bekannt. Wenn es solche oder ähnliche Praktiken geben sollte, dann müssten sie möglichst konkret und öffentlich benannt werden.

Im vergangenen Jahr war ich von einem Gymnasium in Schwäbisch Gmünd zu einer Schulveranstaltung mit mehreren Oberstufenklassen eingeladen worden, gemeinsam mit einem Jugendoffizier und einem Friedensforscher. Die kritischen Schülerinnen und Schüler hatten aber bereits im Vorfeld ein konkretes Thema für die Diskussion benannt, die Bilanz des Afghanistankrieges.

Das war zweifellos ein heikles Thema für den Jugendoffizier. Angesichts eines verlorenen Krieges ein positives Bundeswehrbild zu zeichnen, war sicherlich eine kaum lösbare Aufgabe. Dagegen war mein Part, die positive Alternative einer politischen Friedenslösung für Afghanistan aufzuzeigen, die in Geheimgesprächen zwischen Talibanführern und ISAF-Offizieren im Sommer 2010 erarbeitet worden war, sicherlich der angenehmere. Das war auch dem Offizier bewusst. Er hatte sich gut informiert und meine Beiträge zur Thematik in aixpaix.de gelesen. Eine Kontroverse zu meiner Darstellung der Afghanistan-Problematik suchte er nicht.

Stattdessen versuchte er über die konkrete Problematik Afghanistan hinaus eher grundsätzlich ein positives Bundeswehrbild aufzuzeigen, in dem er die Bundeswehr als potenziell in aller Welt militärisch aktiv im Einsatz für Menschenrechte darstellte. Diese Konstruktion hatte allerdings ein deutliches Handicap. Sie konnte logisch nur auf der Annahme basieren, dass Militär Frieden schaffen kann.

Ich verwies daher auf ein Gespräch, dass ich Jahre zuvor mit General Friedrich Riechmann geführt hatte, von 2001 bis 2004 erster Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr und in dieser Funktion Oberkommandierender für alle deutschen Auslandseinsätze. Er war bereits pensioniert, als ich ihm nach einem längeren Gespräch die Grundsatzfrage stellte: „Kann Militär Frieden schaffen?“ Riechmann antwortete darauf schnell und präzise: „Nein, Militär kann keinen Frieden schaffen!“ Und er fügte hinzu: „Militär kann nur Zeit gewinnen, damit Politiker Frieden schaffen können“. Selbstverständlich widersprach im Rahmen der Schulveranstaltung der Offizier nicht der Aussage des Generals.

Genau in dieser von Riechmann formulierten Problematik aber liegt die Achillesferse der Bundeswehr! Wenn diese nach eigener Definition nicht selbstständig Frieden schaffen, sondern lediglich der Politik militärische Machtmittel zur Verfügung stellen kann, dann ist bei internationalen Konflikten als erstes zu fragen, welchen Friedensplan die Politik hat! Erst wenn ein solcher politischer Friedensplan plausibel und überzeugend vorgelegt wird, kann sinnvoll über die Frage der anzuwendenden Mittel zur Umsetzung dieses Friedensplanes debattiert werden. Dann aber gibt es sehr viele mögliche Mittel jenseits der militärischen. Sollten Militärs in diesem Zusammenhang den Einsatz militärischer Mittel vorschlagen, dann wäre Friedensbewegung gefordert, andere, zivile Alternativen zur Konfliktbearbeitung in die Debatte zu werfen.

Gerade der Afghanistankrieg hat überdeutlich in der Praxis die Untauglichkeit der politischen Zielsetzung wie die Untauglichkeit der eingesetzten militärischen Mittel bewiesen. Über Militäreinsätze im politikfreien, luftleeren Raum zu debattieren, ist daher sinnlos, eine kritische Aufarbeitung des Afghanistankrieges dagegen unabdingbar.

Die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums hatten diese Problematik sehr gut verstanden.

Für die Friedensbewegung mag der Gedanke auf den ersten Blick ein wenig fremd sein, dass es eher die Politik ist, die auf Militäreinsätze drängt als das Militär selbst. Die Bundeswehr ist sicherlich daran interessiert, weiter zu bestehen und nicht abgeschafft zu werden. Dieses Interesse muss Friedensbewegung nicht teilen. Aber die Bundeswehr ist gerade auf dem Hintergrund des verlorenen Afghanistankrieges nicht daran interessiert, in sinnlose Abenteuer geschickt zu werden.

Daraus ergeben sich Widersprüche, über die sich nachzudenken lohnt. In der konkreten Diskussion mit Jugendoffizieren in Schulen lässt sich daran ansetzen.

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Otmar Steinbicker ist Redakteur des FriedensForums und von aixpaix.de