Wie München die 38. "Sicherheitskonferenz" erlebte

Eine Stadt im Ausnahmezustand

von Harald Will
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Das erste Februarwochenende dieses Jahres werden die BewohnerInnen der bayerischen Landeshauptstadt nicht so schnell vergessen: In der Münchner Innenstadt sieht man nur noch grün - PolizistInnen im Kampfanzug, mit Schlagstock und Helm am Gürtel. Rund 3500 sind aufgeboten.

Der Anlass: An jenem Samstag beginnt im Nobelhotel "Bayerischer Hof" die "38. Münchner Sicherheitskonferenz", ein Treffen von 250 Politikern und Militärs. Mit dem riesigen Polizeiaufgebot soll das von der Stadtverwaltung verfügte totale Verbot von Demos und Kundgebungen gegen die "Sicherheitskonferenz" unbedingt durchgesetzt werden.

Das Verbot war mit der Begründung erlassen worden, die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei "unmittelbar gefährdet". Die Polizei hatte zuvor unter Berufung auf "gesicherte Erkenntnisse" des Verfassungsschutzes behauptet, es sei "eine erhebliche Zahl gewaltbereiter Demonstranten zu erwarten". Bis zu 3000 sollten es sein, alle drauf und dran, die Münchner Innenstadt zu stürmen und zu "entglasen".

Am Freitagabend, als sich etwa 1500 Menschen trotz Verbots auf dem Marienplatz im Zentrum Münchens versammeln, macht die Polizei das erste Mal deutlich, was sie unter der von ihr angekündigten "niedrigen Eingreifschwelle" versteht. Als die Anwesenden - nicht wie verlangt - den Platz verlassen, werden sie an den Rand des Platzes gedrängt. Danach starten Greiftrupps der Polizei, die aus der Menge einzelne Demonstrierende herausholen. Warum es gerade sie trifft, ist in den meisten Fällen nicht auszumachen, dafür umso deutlicher, wie brutal und entwürdigend die Opfer behandelt werden: Ihnen werden die Arme so weit auf den Rücken gedreht, dass sie vor Schmerz aufschreien, sie werden an den Haaren gepackt und - den Kopf nach unten gedrückt - im Laufschritt abgeführt. Insgesamt sind es an diesem Abend über 300 Menschen, die so oder ähnlich in den Polizeigewahrsam kommen.

Die Art und die Zahl der Festnahmen steht in krassem Gegensatz zum Anlass. Denn es geht in den meisten Fällen nur um die Teilnahme an einer nicht genehmigten Versammlung, also um eine Ordnungswidrigkeit. Von den Gewalttätern, die angeblich München stürmen wollen, ist weit und breit nichts zu sehen. Auch nicht am Samstag, als sich auf dem Marienplatz etwa 7000 Menschen zum Protest gegen die "Sicherheitskonferenz" und das Demoverbot versammeln. Wieder drängt die Polizei nach und nach die Protestierenden vom Platz. Es formiert sich ein Demonstrationszug, der allerdings nicht weit kommt. Wenige hundert Meter östlich werden die DemonstrantInnen gestoppt und eingekesselt. Etwa eine Stunde lang ist aus diesem Kessel kein Entkommen. Dann löst sich der Ring auf und alles bewegt sich im Laufschritt zurück in Richtung des Ausgangspunktes der Demo. Der Weg dorthin ist aber von einer Polizeisperre blockiert, was zur Folge hat, dass die Demonstrantinnen schließlich am späten Nachmittag abziehen.

Am Abend kreist die Polizei erneut 200 Menschen ein. Diesmal in unmittelbarer Nähe des Münchner Gewerkschaftshauses, wo eine Diskussionsveranstaltung zur "Sicherheitskonferenz" stattfindet. Die Eingekesselten, meist Jugendliche, müssen stundenlang warten, ehe sie schließlich erfahren, dass sie abtransportiert und in Gewahrsam genommen werden. Zuvor hat die Polizei das Gewerkschaftshaus abgeriegelt. Eine Begründung dafür gibt es nicht. Später erklärt der Einsatzleiter, es gebe Erkenntnisse, wonach aus dem Haus heraus ein neuer Demonstrationszug geplant sei. Die TeilnehmerInnen der Veranstaltung, so die Forderung, müssten ihre Ausweise zeigen. Erst nach langwierigen Verhandlungen lenkt die Polizeiführung ein, die Blockade wird aufgehoben.

Die Bilanz des Wochenendes: Insgesamt 849 DemonstrantInnen landen im Polizeigewahrsam und werden zum großen Teil erkennungsdienstlich behandelt. Ein hoher Preis für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung.
 

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Harald Will ist aktiv im Münchner Friedensbündnis.