Pilotprojekt der neuen Nonviolent Peaceforce in Sri Lanka /

"Field Worker" gesucht

von Konrad Tempel

Während einer privaten Rundreise 1997 auf Sri Lanka im indischen Ozean wurden wir drei Mal mit dem seit 1983 virulenten Konflikt zwischen der hinduistischen Minderheit der Tamilen und der buddhistischen Zentralregierung in Colombo konfrontiert. In einer Begegnung mit einem tamilischen Kaufmann in der Nähe der Hauptstadt erfuhren wir vom Niederbrennen seines Ladens durch nicht-tamilische Nachbarn und der ständigen Furcht, als Mitglied der Minderheit (18%) identifiziert und drangsaliert zu werden. Auf der Fahrt nach Norden zu den alten Heiligtümern Sri Lankas musste der Bus ständig militärische Straßensperren passieren; wir wurden darüber informiert, dass weiterführende Straßen nach Jaffna vollständig abgeriegelt sind, weil Teile des Ostens und das nördliche Drittel der Insel von den tamilischen "Befreiungstigern" kontrolliert werden. Wir besuchten die alte Königsstadt Kandy, das religiöse Zentrum des Buddhismus, und eines der Heiligtümer, den "Tempel des Zahns". Wenige Tage später explodierte kurz vor dem Eintreffen eines britischen Staatsgastes neben diesem Tempel ein Sprengsatz, verletzte Vorübergehende, Besucher und Priester und zerstörte große Teile des Bauwerks. Zu dem Anschlag bekannten sich die "Befreiungstiger".

Sri Lanka, seit 1948 unabhängig, definierte sich 1972 durch die dominante singhalesische Mehrheit (74%) als "buddhistische" Republik mit der Konsequenz der Benachteiligung der nicht-buddhistischen Minderheiten in bezug auf Sprache, Bildungszugang, Beschäftigung und ökonomische Entwicklung. Die bedeutendste Widerstandsgruppe sind die tamilischen "Befreiungstiger"(1), die eine Armee zur Gewinnung der Unabhängigkeit bildeten, wofür sie vielfach auch Kinder rekrutierten, größere Gebiete unter ihre Verwaltung stellten, teilweise die moslemische Bevölkerung vertrieben und mit Gewaltakten ihre Interessen durchzusetzen suchten. Nach mehr als neunzehn Jahren blutiger Auseinandersetzungen haben sich die beiden großen Konfliktparteien mithilfe der Mediation durch norwegische Diplomaten entschlossen, die Kämpfe einzustellen und auf friedliche Weise Lösungen für die gemeinsamen Probleme zu suchen.

Das im letzten Jahr abgeschlossene Friedensabkommen, an dem alle drei ethnisch-politischen Gruppen beteiligt sind, sieht eine gemeinsame Verantwortung für Aktivitäten humanitärer Art und zur Rekonstruktion der Zerstörungen vor. Es schließt eine Vereinbarung über die Rückkehr von Flüchtlingen ein - Schätzungen sprechen von 800.000 Menschen - insbesondere in die ´High Security`-Zonen, die an die von der Tamilen-Armee beherrschten Gebiete grenzen.

Vor diesem Hintergrund haben sich mehrere einheimische Organisationen an die Nonviolent Peaceforce gewandt und um Hilfe bei der Verwirklichung des Friedensprozesses durch internationale Teams gebeten.

Die Nonviolent Peaceforce ist eine nach mehrjähriger Vorarbeit im Dezember von Menschen aus 47 Ländern in Indien gegründete internationale Nicht-Regierungsorganisation (2) mit Regionalbüros in USA, Indien, Ekuador, Großbritannien und Belgien. Sie will gewaltfreie Friedensverbände mobilisieren und ausbilden. Die Freiwilligen der Nonviolent Peaceforce sollen in Gebiete gewaltsamer Konflikte entsandt werden, um dort das Töten und Zerstören zu verhindern und Menschenrechte zu schützen. Auf diese Weise soll Freiraum geschaffen werden, damit lokale Gruppen ihren gewaltfreien Kampf fortsetzen, in Dialog miteinander treten und friedliche Konfliktlösungen suchen können.

Allgemeines Ziel des Pilotprojekts ist, dazu beizutragen, dass der Bürgerkrieg nicht erneut aufflammt, dass weniger Gewalt angewendet wird und dass durch Unterstützung und Schutz der Zivilbevölkerung und von Friedensaktivisten der Friedensprozess auf unterer (Graswurzel-) Ebene vorankommt. Für dieses Vorhaben werden jetzt weltweit MitarbeiterInnen gesucht.

Die fünfzig "Field Worker", die vom Sommer an in einer Ausbildung in Thailand trainiert werden und für mindestens zwei Jahre in 16 Dörfern in kleinen Teams tätig sein sollen (3), haben je nach örtlicher Situatiuon vielfältige Aufgaben zu erfüllen, die von der Mitwirkung an De-Eskalations-Aktivitäten und schützender Anwesenheit bei Gewalt und Einschüchterung, über die Unterstützung kommunaler Verständigungs-Bemühungen bis hin zur Begleitung von zurückkehrenden Flüchtlingen reichen (4) .

Sieben Träger des Friedens-Nobel-Preises unterstützen die Nonviolent Peaceforce, darunter Rigoberta Menchu aus Guatemala, der Mitbegründer der Freiheitsgewerkschaft Solidarnocz und spätere Präsident Polens, Lech Walesa, und der Dalai Lama. Über 75 Organisationen wollen weltweit als korporative Mitglieder - "Rückgrat" der Nonviolent Peaceforce - mitwirken. In Deutschland bilden die beiden Mitgliedsorganisationen, das forumZFD und der BSV, eine gemeinsame Arbeitsgruppe, die auch über den Fortgang der Arbeit berichtet.

In vielen Länden haben einzelne Menschen entschieden, sich selbstständig um die Verbreitung der Idee von internationaler Hilfe und Intervention "in größerem Maßstab" durch die Nonviolent Peaceforce und um das erste Pilotprojekt in Sri Lanka zu kümmern. Die deutsche NP-Arbeitsgruppe wird solche Bemühungen fördern, Kontakte untereinander herstellen und u.U. schon im Herbst zu einem Treffen von Unterstützungs-Initiativen einladen. Im Vordergrund werden dabei vermutlich kollektive Patenschaften für "Field Worker" stehen, die zur finanziellen "Unterfütterung" dieses neuen Ansatzes beitragen. MitstreiterInnen sind jederzeit willkommen. Auf Anfrage wird von der Arbeitsgruppe ein Info-Satz verschickt (5).

Anmerkungen:

 
    1 Die Sri-Lanka-Tamilen wurden im letzten Jahrhundert unter der britischen Kolonialherrschaft als billige Arbeitskräfte u.a. für die Teeplantagen aus Südindien geholt. Viele buddhistischen Singhalesen fühlen sich von Tamilen "umzingelt" (56 Millionen Tamilen leben in Südindien, knapp 4 Millionen auf Sri Lanka).
 
 
    2 An der Gründung waren neben Christine Schweitzer, die als Planungs- und Forschungsdirektorin fungiert, auch vier weitere Deutsche vom forumZFD und vom Bund für Soziale Verteidigung beteiligt.
 
 
    3 Über die nötigen Qualifikationen können sich Frauen und Männer über 21 Jahre, die fließend englisch sprechen und schreiben können, einerseits bei der Nonviolent Peaceforce / Arbeitstgruppe der deutschen Mitgliedsorganisationen - siehe Anmerkung 5 - informieren, wo auch die genaue Ausschreibung erhältlich ist, sowie im Internet: www.nonviolentpeaceforce.org: "along with information about what else you are requested to send. Submit your completed application to recruit [at] nonviolentpeaceforce [dot] org, by fax to 651-489-1335, or by regular mail to Sri Lanka Project Recruitment / 801 Front Ave / St. Paul MN 55103 / USA. We prefer submissions by email if at all possible." (Bewerbungsschluss war 5. Mai 2003)
 
 
    4 zu den Aufgaben gehören u.a.:
* Demonstrate international support for the Sri Lanka peace process to the people of Sri Lanka by living in their communities and by assisting them in de-escalating tensions and transforming disputes nonviolently.
* Provide protective presence to groups or organisations whose work to build a peaceful future is threatened by violence or intimidation.
* Monitor demonstrations and other events related to the Sri Lankan peace process and restoration of civil society there, reporting promptly on both the process and the outcome.
* Accompany displaced persons and other unarmed individuals and groups threatened by violence.
* Witness, document and report violations of the peace accord and human rights abuses as observed.
* Facilitate, in partnership with Sri Lankan NGO representatives, community dialogues about the peace process, human rights, and civilian involvement in building a culture of peace.
* Make regular reports to the project office about civilian safety and conflict issues in the area of work. These will be sent through the Nonviolent Peaceforce to resource people around the world and released locally, when appropriate, by our local partner and the Nonviolent Peaceforce office.
 
 
    5 Nonviolent Peaceforce / Arbeitsgruppe der deutschen Mitgliedsorganisationen, Koordination (BSV): konrad [dot] tempel [at] gmx [dot] de oder BSV, Schwarzer Weg 8, 32423 Minden, Tel 0571.29456, Fax 0571.23019.

Rubrik

Friedensbewegung international
Konrad Tempel war Initiator der deutschen Ostermärsche "gegen Atomwaffen jeder Art und jeder Nation" 1960, beteiligt an der Gründung der Bildungs- und Begegnungsstätte / Kurve Wustrow, des Bunds für Soziale Verteidigung, des forum Ziviler Friedensdienst und der Non-violent Peaceforce und dort jeweils langjährig verantwortlich engagiert, Quäker.