Buchbesprechung

Flucht und Migration

von Christine Schweitzer

Die 30. Sommerakademie der österreichischen Friedensburg Schlaining fand statt, als in Österreich (wie auch in Deutschland) eine Bewegung von Flüchtlingen und ihren UnterstützerInnen das Land auf die Not derjenigen aufmerksam machte, die in Österreich Schutz suchen. Und die Not derjenigen, die dies nicht schaffen – weil sie im Mittelmeer ertrinken oder an den Grenzen der Festung Europa scheitern. So wurde die Tagung selbst, wie Michael Genner, einer der AutorInnen des Sammelbandes, das die Vorträge der Sommerakademie zusammenfasst, schreibt, zu einem Höhepunkt dieser Bewegung.

Das von Elias Bierdel und Maximilian Lakitsch herausgegebene Buch hat drei Teile. Im ersten Teil, geht es um „Flucht und Migration“, die Ursachen von Flucht und die Methoden, mit denen Europa nur diejenigen MigrantInnen ins Land lässt, deren Arbeitskraft es für sein eigenes wirtschaftliches Wohlergehen benötigt. Peter Strutynski leitet diesen Teil mit einem grundsätzlichen Artikel über das kapitalistische Wirtschaften, dessen Auswirkungen in den Ländern des Südens (Ressourcenabbau, Landraub) Menschen jede Perspektive in ihrem Heimatland nimmt. Und noch einer der fünf AutorInnen des ersten Teils dürfte auch allen deutschen LeserInnen vertraut sein: Andreas Zumach schreibt über die „Festung Europa“ und vergleicht Edward Snowdens Flucht, die ihn schließlich nach Russland führte, mit dem Schicksal der namenlosen Flüchtlinge, von denen die Öffentlichkeit lediglich Zahlen, aber keine Namen oder Einzelschicksale erfährt.

Der zweite Teil mit vier Beiträgen beschreibt eindringlich die Situation in zwei der Länder, die an den Außengrenzen Europas einen Großteil der Flüchtlinge aufnehmen müssen (Italien und Spanien) sowie den Diskurs in Österreich. Dieser letztere Beitrag von Susanne Reitmair könnte in großen Teilen auch auf Deutschland übertragen werden: Sie spricht von einer „Versicherheitlichung“ des Themas Flucht. Migration wurde von Medien und bestimmten rechtsgerichteten Parteien (Jörg Haiders FPÖ) zur Sicherheitsbedrohung gemacht. Das so geschaffene Gefühl von Bedrohung wiederum erhöhte die Akzeptanz in der Bevölkerung für polizeiliche und politische Maßnahmen, die gegen MigrantInnen gerichtet sind.

Um die Frage „Was tun?“ geht es im dritten Teil des Buches. Die sechs AutorInnen nähern sich von unterschiedlichen Aspekten her der Fragestellung. Dazu gehören u.a. Reiner Steinweg, der einen Rahmen für eine zu schaffende gewaltfreie Kampagne beschreibt, ein Beitrag von Alev zur menschenrechtlichen Seite, Gertraud Diendorfer und Petra Dorfstätter, die Migration als Bildungsthema behandeln und Bettina Grubers Beitrag zu Perspektiven für Städte und Regionen.

Die Beiträge dieses Sammelbandes geben kaleidoskopartig Einblick in verschiedene Aspekte des Themas Flucht und Migration. Es ist schade, dass die Vorträge der vier englischsprachigen ReferentInnen nicht ins Deutsche übersetzt wurden, so dass der Band einen wissenschaftlichen Touch erhält, der eigentlich überflüssig wäre und u.U. möglicherweise interessierte LeserInnen, besonders aus Eine-Welt-Gruppen oder Solidaritätsinitiativen, von einem Kauf abhalten könnte. In Deutschland (wie wohl auch in Österreich) tun sich halt doch viele Menschen, besonders der älteren Generation, mit fremdsprachigen Texten schwer. Trotzdem sei dieser Band allen an dem Thema Interessierten empfohlen.

Bierdel, Elias und Lakitsch, Maximilian (Hrsg) (2014) Flucht und Migration. Von Grenzen, Ängsten und Zukunftschancen. Münster: Lit, 198 S., ISBN 978-3-643-50579-8, 9,80 €

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.