Freispruch in Sachen Nötigung

von Klaus Vack

Das Amtsgericht Pirmasens hat festge­stellt, daß Sitzblockaden weder "Gewalt" noch "verwerflich" im Sinne von Paragraph 240 des Strafgesetzbu­ches (Nötigung) sind.

Am 24. Oktober endete zum ersten Mal ein Prozeß vor dem Amtsgericht Pirmasens mit einem "glatten Frei­spruch" von der Anklage einer "versuchten Nötigung" im Rahmen der Sitzdemonstrationen der Aktion "Sitzenbleiben für den Frieden!" vor dem US-Giftgasdepot Fischbach vom Sommer 1988. Der freisprechende Strafrichter Rolf Geisert verneinte sowohl, daß Gewalt vorgelegen habe, als auch, daß die Sitzdemonstration im Sinne von §240 StGB als rechtswidrig, also zu dem angestrebten Demonstra­tionsziel als verwerflich anzusehen sei.

Der Richter kritisierte den "vergeistigten Gewaltbegriff", der die Grenze zu tatsächlicher Gewalt flie­ßend mache. Die Sitzdemonstrationen seien vielmehr friedlich verlaufen und die Einlassung des Angeklagten, daß er sich strikt gewaltfrei verhalten habe, könne nicht bestritten werden. Die Demonstration sei zudem frühzeitig öffentlich angekündigt gewesen und auch für die zum Anhalten gezwunge­nen Fahrer übersichtlich verlaufen. Von einem "psychisch determinierten Prozeß", der auf die gestoppten Fahrer sich als Gewalt ausgewirkt haben, könnte deshalb bei dieser Aktion keine Rede sein. Auch habe unter den Demonstranten Übereinstimmung ge­herrscht, nur den dem reibungslosen Betrieb des Militärdepots dienenden Verkehr zu behindern.

Richter Geisert verneinte auch die Verwerflichkeit. Er können das achtenswerte Ziel, gegen Giftgaslagerung und für die Erhaltung des Friedens zu demonstrieren, nicht lediglich, wie es in der Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshof vom 5. Mai 1988 geschieht, als Fernziel einstufen und ausschließlich bei der Strafzumes­sung berücksichtigen. Der Vorwurf der Verwerflichkeit stelle in diesem Falle ein Unwerturteil über den Ange­klagten und über die anderen Demon­stranten dar, das er als Richter mit seinen eigenen sittlichen Maßstäben nicht vereinbaren könne. Als Richter sei er unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet.

Indirekt kritisierte Richter Geisert das Oberlandesgericht Zweibrücken, weil es nach der Entscheidung des 1. Straf­senats des BGH "ohne einleuchtende Gründe von seiner früheren überzeu­genden Freispruchpraxis in solchen Fällen" abgerückt sei.

Richter Geisert war zum ersten Mal mit einem Blockadeprozeß befaßt.

Nähere Informationen gibt es bei der Bundeskoordination der Aktion "Sitzenbleiben für den Frieden", Klaus Vack, An der Gasse 1, 6121 Sens­bachtal, Tel. 06068-2608.

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