Internationaler Erfahrungsaustausch

Gegen die Militarisierung der Jugend

von Andreas Speck

Gemeinsam mit der DFG-VK und der Bertha-von-Suttner Stiftung bereiten die War Resisters` International derzeit eine internationale Fachtagung "Gegen die Militarisierung der Jugend" vor, die vom 8. - 10. Juni 2012 in der Nähe von Darmstadt stattfinden wird. Ziel ist es, Austausch und Vernetzung zwischen Initiativen zu fördern, die in Europa und weltweit gegen die militärische Rekrutierung sowie die zunehmende Militarisierung des Bildungswesens arbeiten.

In Europa, und zu einem gewissen Grade auch global, gibt es derzeit zwei Trends, die beide zur zunehmenden Militarisierung der Jugend beitragen. Der erste Trend ist das Ende (oder, korrekter, die Aussetzung) der Wehrpflicht in den meisten Ländern Europas seit 1990. Dadurch sehen sich die Militärs gezwungen, eine ausreichende Rekrutierung von NachwuchssoldatInnen durch massivere Werbung und Präsenz zu gewährleisten.

Der zweite Trend ist der einer zunehmenden "Normalisierung von Krieg" durch den "Krieg gegen Terror" und den Einsatz von Militär als Mittel der Politik. Krieg wird nicht mehr als "Scheitern der Politik" angesehen, wie vielleicht - zumindest in Deutschland - noch vor 10 oder 15 Jahren, sondern wird als normales und legitimes Mittel der Politik betrachtet.

Beide Trends stärken sich gegenseitig in der Militarisierung der Jugend - und der Gesellschaft - von klein an.

Themen der Konferenz sind u.a.:
Militarisierung des Bildungswesens:
Die Militarisierung des Bildungswesens zielt nicht nur auf Rekrutierung ab, doch Rekrutierung ist eindeutig eines der Ziele. Im Februar 2007 sagte Colonel David Allfrey gegenüber dem New Statesman: "Bei unserem neuen Modell geht es um die Schaffung von Bewusstsein, und das braucht einen Zeitraum von zehn Jahren. Es beginnt mit einem sieben Jahre alten Jungen, der in einer Air-Show einen Fallschirmspringer sieht und dabei denkt `das sieht toll aus`. Von diesem Moment an versucht die Armee durch stetige Tropfen ein Interesse zu schaffen".
Aus den USA und aus Großbritannien ist bekannt, dass Schulen in benachteiligten Stadtteilen verstärkt vom Militär besucht werden.

Militär im öffentlichen Raum und Militainment:
Während in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten die Bundeswehr zunächst zögerlich ihre Präsenz im öffentlichen Raum verstärkt hat - nicht zuletzt aufgrund antimilitaristischen Widerstandes -, so ist dies in anderen Ländern scheinbar völlig normal (in Großbritannien z.B. finden immer wieder Truppenparaden aus Afghanistan zurückkehrender Einheiten statt). Doch neben der Präsenz im physischen öffentlichen Raum tritt das Militär auch immer öfter in Film, Fernsehen, und Videospielen auf, mit dem deutlichen Ziel, eine unkritische Akzeptanz des Militärs zu erreichen.

Militär und die Normierung von Geschlecht:
Militarismus hat historisch viel mit der Konstruktion gewaltförmiger und frauenfeindlicher Männlichkeiten zu tun. Auch wenn heute sowohl Frauen als auch LGBTIQ-identifizierte Personen beim Militär willkommen sind, so heißt das noch lange nicht, dass das Militär keinen normierenden Einfluss mehr auf Geschlecht und Sexualität hat. (LGBTIQ steht für: "Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex and Questioning".) Wie unterminiert Militarismus die Diversität der Geschlechter und Sexualitäten mittels Geschlechterbinarität und der zunehmenden Rekrutierung von Frauen und LGBTIQ-identifizierter Personen?

Widerstand gegen die Militarisierung der Jugend
Eines der wesentlichen Ziele der Fachtagung ist es, Erfahrungen des Widerstandes auf verschiedenen Ebenen zusammenzutragen und sich darüber auszutauschen. So gibt es in der Bundesrepublik zahlreiche Kampagnen "Schulfrei für die Bundeswehr". In den USA gibt es Widerstand gegen den Zugriff der RekrutiererInnen auf die persönlichen Daten von SchülerInnen, und gegen die Präsenz von RekrutiererInnen in High Schools und Universitäten.

Doch Widerstand gibt es nicht nur in Bildungseinrichtungen. Andere Felder des Widerstandes sind:

  • Kriegsdienstverweigerung
  • Antirekrutierungsarbeit
  • Veteranen für den Frieden
  • Widerstand von Frauen und Queers
  • Arbeiten mit benachteiligten Jugendlichen zur Prävention der Rekrutierung

Kurt Tucholsky schrieb 1927 in der Weltbühne: "Am 1. August 1914 war es zu spät, pazifistische Propaganda zu treiben, war es zu spät, militaristische zu treiben - tatsächlich ist auch damals von den Militaristen nur geerntet worden, was sie zweihundert Jahre vorher gesät haben. Wir müssen säen." Genauso ist es zu spät, wenn jemand im Rekrutierungsbüro sitzt und sich "beraten" lässt. Widerstand muss früher ansetzen - auch wir müssen säen.

Informationen zur Fachtagung finden sich unter:

http://wri-irg.org/de/militarisierungderjugend

Literatur:
Armstrong, Stephen: Britain`s child army, In: The New Statesman, 5. Februar 2007, http://www.newstatesman.com/politics/2007/02/british-army-recr
uitment-iraq, Zugriff am 17. Februar 2012

Gee, D. und Goodman, A. (2010). Army recruiters visit London`s poorest schools most often.
Erhältlich unter http://www.informedchoice.org.uk/armyvisitstoschools.pdf, Zugriff am 17. Februar 2012

Schulze von Glaßer, Michael: Werbefeldzug im Klassenzimmer, In: Das Zerbrochene Gewehr Nr. 88, März 2011, http://wri-irg.org/node/14525, Zugriff am 17. Februar 2012

Tucholsky, Kurt (als Ignaz Wrobel): Über wirkungsvollen Pazifismus, In: Die Weltbühne, 11. Oktober 1927, http://www.textlog.de/tucholsky-ueber-pazifismus.html, Zugriff am 17. Februar 2012

Zum Weiterlesen:
The Broken Rifle Nr. 88, März 2011: Military out of schools, http://wri-irg.org/pubs/br88-en.htm (leider derzeit nur auf Englisch und Spanisch - vielleicht kann ja jemand die Artikel ins Deutsche übersetzen?)

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 78, Mai 2008: 15. Mai: Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung Professionalisierung des Militärs, http://wri-irg.org/pubs/br78-de.htm

Internetseite mit Informationen über die Darstellung des Militärs in Kino, Fernsehen, und Videospiel, http://www.militainment.info/

Gegen die Militarisierung der Jugend: Artikelsammlung der WRI: http://wri-irg.org/de/programme/militarisierungderjugend

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Andreas Speck war Pressesprecher von Action AWE während des Burghfield Disarmament Camp. Seit Mitte September lebt er in Sevilla und engagiert sich im Red Antimilitarista y Noviolenta de Andalucia (RANA). mail@andreasspeck.info, http://andreasspeck.info