Rheinmetall

Gegenwind für ein Rüstungsunternehmen

von Jacqueline Andres
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Seit Jahren erfährt Rheinmetall Gegenwind von KriegsgegnerInnen. So richteten sich die vergangenen jährlichen War Starts Here Camps von 2012 bis 2017 gegen das von Rheinmetall betriebene Gefechtsübungszentrum bei Magdeburg. In den vergangenen Jahren verstärkten sich die Proteste gegen Rheinmetall. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren die Profite des Unternehmens durch den Krieg in Jemen, die zunehmend dreiste und rechtlich fragwürdige Auslagerung der Produktion, um deutsche Exportrichtlinien aufzuweichen (war alt richtig) und der Einsatz der Leopard 2 Panzer der türkischen Armee in Afrin.

… in der Schweiz
So erfolgten innerhalb der vergangenen Monate unterschiedliche kleine Aktionen in der Schweiz gegen Rheinmetall. Anfang April 2018 sperrten AktivistInnen eine Filiale der Rheinmetall AG in Ittigen bei Bern ab. Am gleichen Tag fanden kleine Aktionen vor der Rheinmetall Air Defence AG in Zürich statt, nach denen drei Personen kurzzeitig festgenommen wurden. In ihren Flyern erklärten die AktivistInnen, Rheinmetall gehöre zu den wichtigsten Rüstungsbetrieben in der Schweiz. Rheinmetall nehme eine strategisch wichtige Rolle für die Schweizer Rüstungsindustrie, indem die Firma Rheinmetall „[d]ank ihrer internationalen Verstrickung […] einheimischen Produzenten einen besseren Zugang zu europäischen Rüstungsprogrammen“ gewähre.

… in Italien
Auch auf der Mittelmeerinsel Sardinien regt sich seit Jahren Widerstand gegen die dortige RWM S.p.A. Italia. Bereits im Jahr 2016 fand zeitgleich mit den Protesten gegen die Hauptaktionärsversammlung von Rheinmetall in Berlin eine Demonstration vor den Werkstoren der RWM S.p.A. auf Sardinien statt. Hunderte Menschen blockierten zunächst kurzzeitig die Zufahrtsstraße der Fabrik und brachten anschließend Protestschilder und Banner an der Umzäunung des Geländes an. Den AktivistInnen gelang es dadurch, den Fabrikablauf zu stören, wodurch an diesem Nachmittag der Betrieb früher geschlossen wurde.
Weitere Proteste folgten: Am 29. Juli 2016 versuchten AktivistInnen erneut, die Fabrik mit einem Sit-In zu blockieren. Am 3. April 2017 erfolgte eine weitere Kundgebung mit anschließender Demonstration gegen Rheinmetall in der südsardinischen Kleinstadt Domusnovas. Dieses Jahr organisierten AntimilitaristInnen vom 7. bis zum 8. April 2018 Diskussionstage, um weitere Strategien des Widerstands gegen Rheinmetall auf der Insel zu entwickeln.

Erst Anfang Juni 2018 fand ein Flash Mob mit einem weißen Sarg vor der Regionalverwaltung in Domusnovas statt, der für die im Jemen-Krieg gestorbenen Kinder stehen sollte. Das Cagliari Social Forum und der Verband der Kriegsversehrten und -opfer forderte mit dieser Aktion eine offizielle Stellungnahme der Regionalregierung zum Jemen-Krieg und der Präsenz von Rheinmetall auf der Insel. AktivistInnen aus Sardinien begaben sich im Juli 2018 auf eine Mobilisierungstour durch unterschiedliche deutsche Städte, um gemeinsam mit in Deutschland Aktiven auf das War Starts Here Camp aufmerksam zu machen und die politischen Kämpfe gegen Rheinmetall auf Sardinien und in Deutschland zu verknüpfen.

… und in Deutschland
Es ist nicht verwunderlich, dass sich unterschiedliche Kampagnen und Initiativen mit dem Rüstungsunternehmen auseinandersetzen. Dies kann bereits von einer Person ausgehen: So rief der Kriegsgegner Theisen im Februar 2018 mit Flugblättern die Rheinmetall-MitarbeiterInnen öffentlich zum Whistleblowing auf: „Informieren Sie die Öffentlichkeit umfassend und rückhaltlos über die Hintergründe der in Rede stehenden in Teilen illegalen Exportpraxis Ihres Arbeitgebers“. Zudem schickte er rund 33 Briefe an MitarbeiterInnen der Gemeinde Südheide, in denen er diese aufforderte, keine Rüstungsproduktion in ihrer Gemeinde zuzulassen.

Große Medienaufmerksamkeit erreichte hingegen die Verleihung des internationalen ethecon Black Planet Award im November 2017 an den Rheinmetall-Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger, den Vorsitzenden des Aufsichtsrats Ulrich Grillo, sowie weitere Großaktionäre. Andere Gruppen versuchten, Sand im Getriebe des Rüstungskonzerns zu sein. Junepa (Jugendnetzwerk für politische Aktionen) blockierte am 15. Mai 2016 mit rund 60 Personen zwei Rheinmetall-Fabriken in Unterlüß, die der Produktion von Munition und Panzerfahrzeugen dienen. Begleitet wurde die Aktion von einem Vorbereitungscamp vor Ort. Auch aus der Kunstszene erheben sich kritische Stimmen gegen Rheinmetall: Eine Gruppe von KünstlerInnen zog ihre Beteiligung an der Ausstellung „Deutschland: German Art in China“ in Beijing zurück, nachdem sie erfuhren, dass Rheinmetall zu den Sponsoren der Kunstveranstaltung zählt. In einem Protestbrief an den Kurator Walter Smerling und die in Bonn sitzende Stiftung für Kunst und Kultur e.V. kritisierten sie die Instrumentalisierung von Kunst und Kultur zur Normalisierung von Rüstungsunternehmen. Dieses Jahr fanden pünktlich zur Rheinmetall-Hauptversammlung in Berlin dezentral unterschiedliche Proteste statt. Am Abend vor Beginn der Hauptversammlung demonstrierten rund 300 Menschen auf der von der Interventionistischen Linken organisierten Demonstration, an der sich auch der kurdische Dachverband Nav-Dem beteiligte. Die Gruppen „Legt den Leo an die Kette“ und die „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ riefen für den 8. Mai zu Protesten vor dem Maritim Hotel auf, an dem sich etwa 150 Menschen mit einem ausgemusterten Rheinmetall-Panzer beteiligten. Zeitgleich blockierte die Gruppe Sigmar (Solidarische Interventionen gegen menschenrechtswidrige Angriffskriege und Rüstungsexport) den Zufahrtsweg der Firma Rheinmetall in Unterlüß mit einem Metallgerüst.

(Würde gerne hier der Vollständigkeit halber noch einen Kurz-Absatz einfügen; müsste aber J. Andres  um Zustimmung gebeten werden:)

Seit 2013 veranstalten Gruppen der Kampagne „Legt den Leo an die Kette“ jährlich Aktionen in Düsseldorf, dem Zentralsitz von RHM, meist politisch koordiniert mit den Aktionen zur Hauptversammlung in Berlin. Es fanden Blockadeaktionen und Protest-Mahnwachen vor der Konzernzentrale statt. Demonstrationen und Straßentheater-Aktionen nebst einer Aktien-Rückrufaktion (Aktien können Spuren von Blut enthalten) wurden in der Innenstadt veranstaltet.

Das War Starts Here Camp, das vom 29. August bis zum 4. September im niedersächsischen Unterlüß stattfand, hat einen weiteren wichtigen Meilenstein in der Vernetzung des Gegenwinds für das Rüstungsunternehmen Rheinmetall dargestellt. Abgesehen von den zahlreichen Vorträgen und Workshops sowie Gesprächen mit AnwohnerInnen über Konversion, gab es auch hier aktiven Protest: Am Sonntag, den 2. September 2018 demonstrierten 500 Menschen unter dem Motto „Rheinmetall entwaffnen“ gegen Kriege und die Rüstungsproduktion von Rheinmetall. Einen Tag später, am 3. September 2018, blockierten rund 50 KriegsgegnerInnen für mehrere Stunden erfolgreich eine der Zufahrtsstraßen des Rheinmetall-Standorts in Unterlüß.

Es bleibt abzuwarten, ob die aktuellen Aktionen zu einer verstärkten Vernetzung der unterschiedlichen Initiativen und Einzelpersonen führen wird. Vielversprechend ist bereits die Strafanzeige, die am 17. April 2018 gegen die GeschäftsführerInnen von RWM Italia S.pA. sowie gegen ranghohe BeamtInnen der italienischen Behörde für Waffenexporte bei der Staatsanwaltschaft in Rom eingereicht wurde. KlägerInnen sind das European Center for Constitutional and Human Rights aus Berlin, die Mwatana Organization for Human Rights aus Jemen sowie die Permanente Beobachtungsstelle von leichten Waffen und der Sicherheits- und Verteidigungspolitik (O.P.A.L.) und das italienische Netzwerk für Abrüstung (Rete Italiana per Il Disarmo).

Auch der nächste Aktionstag steht bereits in den Terminkalendern unterschiedlicher KriegsgegnerInnen: Ein Aktionsbündnis in Kassel ruft für den 21. September 2018 unter dem Motto „Block War“ zu einer Sitzblockade gegen Rheinmetall auf.

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Jacqueline Andres ist im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung e.V. und forscht u.a. zu Profiteuren der europäischen Migrationspolitik.