Tagung „Zukunft“ der Kooperation für den Frieden

Gemeinsames Friedensprojekt Europa

von Renate Wanie

Im 15. Jahr ist die bundesweite Kooperation für den Frieden (KoopFrieden) auf der Suche nach einer neuen Perspektive, nach einem identitätsstiftenden, gemeinsamen politischen Projekt für die zukünftige Zusammenarbeit. Mit diesem Ziel kam die Kooperation Mitte Juli dieses Jahres mit zwanzig Teilnehmenden aus siebzehn Organisationen und Initiativen im WeltHaus Heidelberg zusammen und entwickelte und diskutierte verschiedene Szenarien. Aus den jährlichen  Strategiekonferenzen (seit 2003) ist im Jahr 2018 eine Werkstatt für die politische Zukunft der Kooperation geworden. Die Richtung heißt „Friedensprojekt Europa“. Es war eine überaus konstruktive Tagung mit dem Willen zu Veränderung und Zusammenarbeit.

„Ein solch positiver Prozess wird nicht durch bloßes Wünschen herbeigeführt. Dafür bedarf es mittels Kampagnen und Projekten der permanenten Arbeit an der eigenen politischen Programmatik und Strukturen.“ So Jens-Peter Steffen, einer der drei SprecherInnen der KoopFrieden, in der Begrüßung. Das hatten sich die Mitglieder nicht zweimal sagen lassen und bereits in den Wochen vor der Zukunftswerkstatt eine rege Maildiskussion in Gang gesetzt. Entwickelt wurden mögliche Zielrichtungen, Themen und ideenreiche, unterschiedliche Konzepte als Anregung für die Diskussion in der geplanten Zukunftswerkstatt. Das Thema „Europa als Friedensprojekt“ deutete sich bereits an.

Rückblick und politische Aktualität
„In welche Zeit fiel das Suchen nach neuen kommunikativen und kooperativen Strukturen der Friedensbewegung?“ fragte Jens-Peter Steffen zum Einstieg in die Tagung und warf einen Blick zurück in die politischen Verhältnisse zur Zeit der Gründung der KoopFrieden im Jahr 2003. Er erinnerte an die Machtübernahme von George W. Bush und seiner neokonservativen Außenpolitik, die bereits vor dem 11. September 2001 begonnen habe. Nach seiner Einschätzung wurde die Friedensbewegung durch das Wechselspiel der Auswirkungen dieser Politik und der erstarkenden sozialen und politischen Bewegungen, z.B. des Weltsozialgipfels, „befeuert“. Steffens Stichworte waren: der Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Protokoll, die Ablehnung der Biowaffenkonvention und die Rücknahme der US-Unterstützung für einen internationalen Gerichtshof; mit der sog. Achse des Bösen und der Lüge von den Massenvernichtungswaffen habe am 19. März 2003 der Krieg gegen den Irak begonnen. Aktuell setze die Ära Trump mit „America First“ dieses Jahrhundertprojekt aggressiver denn je fort. Im Bereich der sozialen Bewegungen spielte, so Jens-Peter Steffen, der 2. Weltsozialgipfel 2002 in Porto Alegre mit seiner Abschlusserklärung „Widerstand dem Neoliberalismus, dem Militarismus und Krieg: Für Frieden und soziale Gerechtigkeit“ eine große, einflussnehmende Rolle. Dies habe sich auch in der programmatischen Debatte der KoopFrieden widergespiegelt.

Heute zerlege der dysfunktionale Neoliberalismus „mit seinem Streben nach militärischer Stärke und Intervention zur Sicherung von Interessen und Einfluss, wie auch wachsender Nationalchauvinismus der Staaten“ ganze Gesellschaften. In Deutschland und Europa sei das Erstarken des Rechtspopulismus, wachsende Abgrenzung und Abschottung und zunehmender aggressiver Rassismus zu erleben. Mit konkreten Plänen der Militarisierung deutscher und europäischer Außenpolitik werbe die Politik für Aufrüstung bis zu den von der NATO gewünschten 2% und einer gesteigerten Rüstungspolitik. 

Aktuell hänge die vor 15 Jahren anvisierte Strategie der Überwindung von Verelendung, Gewalt und Krieg von unserer Fähigkeit ab, so Steffen, vor allem Bilder einer alternativen Zukunft zu entwickeln und mit gesellschaftlichen und politischen Denkalternativen  Bewegungen zur Veränderung anzuregen.

Rückblick 2
Mit einem Power-Point-Streifzug referierte der Moderator Uli Wohland einen kurzen persönlichen Rückblick, von der Gründung der KoopFrieden 2003 bis heute. Dazu zeigte er die sog. „heroische Phase“ der Friedensbewegung in einer Grafik mit Mobilisierungszahlen (von 1976-1989) von Thomas Leif. Eindeutiger Ausreißer auf der Grafik sind mit ca. einer Million die „Volksversammlungen“, u.a. in Bonn und Ulm im Oktober 1983 und das Ergebnis der Volkbefragung mit 5,2 Millionen am 14. Juni 1984. Bei den jährlichen Ostermärschen fiel der Ostermarsch 1983 mit 600- bis 700.000 Menschen ebenfalls ins Auge. Im Juni 1987 bei der Großdemo in Bonn nahmen immerhin ca. 100.000 Menschen teil, am Ostermarsch 1989 ca. 80.000. Mit dem 1. Irakkrieg, den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien, den ersten Auslandseinsätzen der Bundeswehr, dem Kosovokrieg und dem 2. Irakkrieg und der Rot-Grünen Koalition (Foto der sich offensichtlich amüsierenden Politiker Schröder, Fischer und Lafontaine) wies Uli Wohland auf den politischen Zeitraum zwischen 1990 und 2003 hin. Fotos von der ersten Strategiekonferenz erinnerten an einzelne Aktivitäten, wie z.B. die Aktion „resist“ gegen den Irakkrieg 2003, an bekannte Gesichter der Friedensbewegung und an konzeptionelle Fragen. Auf Fotos verglich er zwei unterschiedliche Schiffsflotten mit der Friedensbewegung: Die Realität sei ein „buntes Gewimmel“ der Friedensbewegung, das Ziel sollte eine (zeitlich begrenzte) gemeinsam koordinierte Bewegung sein.

Aktuelle Herausforderungen der Friedensbewegung
Philipp Ingenleuf, einer der SprecherInnen, wies auf die aktuellen politischen und strukturellen Herausforderungen hin, denen sich die Friedensbewegung stellen müsse. Es gebe eine Vielzahl wichtiger friedenspolitischer Themen, wie Aufrüstung, Auslandseinsätze, europäische Militarisierung, Atomwaffen, Rüstungsexporte, Militarisierung der Gesellschaft bis hin zum Zusammenbruch internationaler Bündnisse und Institutionen. Hinzu kommen globale Probleme wie Klimawandel, Fluchtbewegungen und z.B. der Kampf um Ressourcen, die größer werdende Schere zwischen Arm und Reich sowie der Rechtsruck in Deutschland und Europa und ebenso der Versuch von Rechten, das Thema Frieden zu vereinnahmen. Doch der Friedensbewegung fehle es an Ressourcen, personeller und finanzieller Art, sowie entsprechender Handlungsoptionen und  thematischer Zuspitzung, um aus dem Stand Massen zu mobilisieren, wie z.B. in den 80er Jahren oder beim Irakkrieg. Soziale Bewegungen ändern sich kontinuierlich, es kommen neue hinzu. Auch die Aktionsformen ändern sich, Großdemonstrationen ziehen nicht mehr, niedrigschwellige Aktionen oder der sogenannte Klickaktivismus laden eher und schneller zum Mitmachen ein. Eine kontinuierliche Frage ist auch, wie die EntscheidungsträgerInnen zu erreichen sind. Die Lobbyarbeit müsse ausgebaut werden. Und schließlich habe sich die Aufmerksamkeitsspanne der Öffentlichkeit verändert, die Medien änderten sich rasant. Hinzu komme ein notwendiger Generationenwechsel, der sich nur langsam bewege. Das ändere nichts daran, dass die Friedensbewegung flexibler werden und stärker mit der Zeit gehen müsse, um auch kurzfristig mehr Menschen zu erreichen.

Ergebnisse der Diskussion „Zukunft“
Als Oberthema kristallisiert sich die Vision von einem friedensfördernden und Abrüstung-fördernden Europa heraus, das nicht nur intern Frieden lebt, sondern auch weltweite Wirkung hat. Stichworte waren: Europäische Aufrüstung bekämpfen, ihr entgegentreten oder sie verhindern, Friedensprojekt Europa aufbauen, z.B. mit den Mottos „Frieden in und durch Europa“, „Europa: offen und gerecht“, Entspannungspolitik mit Russland etc. Das Konzept der Zivilen Konfliktbearbeitung (ZKB) als zivile, konstruktive Alternative sei unerlässlich,  müsse in die öffentliche Diskussion und auch in die Friedensbewegung hineingetragen werden. Bei einem möglichen Projekt sollten neben der Militärkritik als verbindendes Element auch die in den Analysen genannten Problempunkte wie ökonomische Aspekte (Hinweis Rüstungsindustrie) als auch der Klimawandel und als Folge auch Flucht und Migration mitgedacht werden.

Diskutiert wurden ebenfalls strukturelle Fragen, z.B. verschiedene Szenarien der Zusammenarbeit, die intern in der KoopFrieden geklärt werden müssten. Darüber hinaus sollen einmal im Jahr fünf Forderungen an die Bundesregierung verschickt werden, verbunden mit Lobbygesprächen. Mögliche neue Bündnisse mit anderen sozialen Bewegungen  sollten stärker in den Blick genommen werden, um gemeinsame Strategien zu entwickeln. Zudem ließen sich beim Thema „Friedensprojekt Europa“ international verschiedene Zugänge finden, um Neues zu entwickeln.

Am Ende appellierte Moderator Uli Wohland an eine zügige Operationalisierung der Tagungsergebnisse. Es bildete sich eine Arbeitsgruppe in Kooperation mit dem Bonner Büro des Netzwerks Friedenskooperative, die Bereitschaft der Mitglieder für eigene Projekte soll abgefragt und der Mitgliederversammlung im November vorgestellt werden. Dass diese Tagung ergebnisreich und in konstruktiver Arbeitsatmosphäre verlief, ist wesentlich der sehr guten Moderation von Uli Wohland zu verdanken. Mit der neuen politischen Perspektive steht jetzt einer permanenten Zusammenarbeit und Strategien zur Veränderung des Bestehenden nichts mehr im Wege!

Website: http://www.koop-frieden.de/
Alle Zitate sind dem Protokoll der Tagung vom 14. Juli 2018 (von Susanne Grabenhorst) entnommen, dem die inhaltlichen Beiträge angehängt wurden.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen