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Stehen wir vor einem biologischen Rüstungswettlauf?
Gentechnik und Krieg
vonBiologische Waffen (B-Waffen) haben in der rüstungs- und friedenspolitischen Diskussion der letzten Jahre kaum eine Rolle gespielt. Dies schien auch plausibel, denn das Internationale Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von B-Waffen vom 1. April 1972, dem die Bundesrepublik 1983 beigetreten ist, schien das Problem gelöst zu haben. Die vermeintlich sehr weitgehende Ächtung von B-Waffen war militärpolitisch auch deshalb möglich, weil diese eine Reihe gravierender Nacheile in den Einsatzmöglichkeiten, bei der Lagerung, Produktion und Steuerung aufweisen. So pflegt z. b. ein als Waffe eingesetztes Bakterium nicht zwischen Freund und Feind zu unterscheiden und Mikroorganismen, die ganze Landstriche unbewohnbar machen können, leben und wirken auch beim Einmarsch der erobernden Truppen weiter.
Die Gentechnologie verhilft nun den B-Waffen militärstrategisch zu einer ungeahnten Renaissance, ihre Forschungs- und Anwendungspotentiale eröffnen Möglichkeiten der Entwicklung, Produktion und Steuerung biologischer Waffensysteme, wie sie perverser und erschreckender kaum vorstellbar sein. Dem Problem der mangelnden "Freund-Feind-Erkennung" von Krankheitserregern könnte von zwei Seiten her begegnet werden: zum einem durch die Entwicklung von Impfstoffen, die die eigenen Soldaten immunisieren, und zum anderen durch die Entwicklung von sogenannten ethnischen Waffen, also B-Waffen, die auf die verschiedene Anfälligkeit von Rassen und Völkergruppen für bestimmte Krankheitserreger ausgerichtet und konstruiert sind. Dem Problem einer zu langen Wirksamkeit eingesetzter Mikroorganismen könnte damit entgegengewirkt werden, daß deren Erbanlagen so verändert werden, daß eine Fortpflanzung nach einer vorher definierten militärisch gewünschten Zeit nicht mehr geschieht. Vorstellbar wird auch die Entwicklung und Herstellung sogenannter "Superkeime", die in ihrer Wirkung mehrere Krankheitserreger vereinigen und somit nicht nur extrem giftig, sondern auch durch keinerlei Impf- oder Behandlungsmaßnahmen mehr zu bekämpfen sind.
Dies alles heißt noch nicht, daß das biologische Arsenal des Schreckens schon produziert und verfügbar wäre. Aber die Militärplaner haben die Chancen, die sich durch die Gentechnik hier eröffnen, längst erkannt: "Die neue Technologie untergrub die frühere Vorstellung von den biologischen Waffen. Jetzt sagen wir, daß die bakteriologischen Waffen, die auf neuer technologischer Grundlage hergestellt werden, sehr wertvolle Waffen werden", so Douglas Faith, Berater des ehemaligen US-Verteidigungsministers Weinberger 1986. Und die enormen Steigerungsraten der gentechnologischen Militärforschung im gesamten NATO-Bereich zeigen drastisch, daß Politiker, Militärs und Wissenschaftler sich auf den schrecklichen Weg gentechnologischer Rüstungsforschung und Produktion begeben haben.
Das Übereinkommen von 1972 steht dabei nicht im Wege, das "Zauberwort" heißt Wehrmedizin, denn die Entwicklung von Impfstoffen gegen jede vermutete bakteriologische Waffe der Gegenseite ist u. a. ausdrücklich erlaubt. Und wer den Impfstoff hat, verfügt praktisch auch über den Kampfstoff, denn dessen Herstellung ist dann nur noch ein kurzfristig lösbares Mengenproblem. Fatal begünstigt wird der drohende biologische Rüstungswettlauf noch dadurch, daß die gentechnologische Rüstungsforschung und Produktion sich - im Gegensatz zur Atomrüstung - fast vollständig und mühelos im zivilen Sektor gentechnologische Forschung und Produktion verstecken läßt und die Grenze zwischen ziviler und militärischer Forschung nirgendwo so fließend ist wie in der Gentechnologie. Dieser Umstand eröffnet auch für kleinere und 3.-Welt-Länder die erschreckende Chance, sich die "Atombombe des kleinen Mannes" zu beschaffen.
Die Friedensbewegung steht hier vor der großen Aufgabe, da jegliche wirksamen Kontrollmöglichkeiten fehlen, national und international ein politisches Klima zu schaffen, in dem jede Regierung, jedes Forschungsinstitut bei der Entdeckung gentechnologischer B-Waffenforschung ihr Gesicht und damit die Akzeptanz in der eigenen Bevölkerung verlieren würde.
Literatur zum Weiterlesen: W. Beer, F. Schober, C. Wulff (Hrsg:): Die Schöpfung als Supermarkt? Ein Arbeitsbuch zur Gentechnik., Hannover 1988.
M. Kiper: Die Unsichtbaren. Krieg mit Genen und Mikroben, Köln 1988.