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Gesetze wie Schweizer Käse
vonWer erinnert sich nicht mit Grausen an die irakischen Raketenangriffe z.B. auf Tel Aviv. Vor wenigen Monaten befürchteten viele, daß ein weiteres Mal Giftgas deutschen Ursprungs gegen Juden eingesetzt werden würde. In der Tel Aviv-Str. in Köln sitzt das Zollkriminalinstitut (ZKI), das unter dem Namen „Zollkriminalamt“ zur Superbehörde gegen illegale Rüstungsexporte werden soll. Das ist ein wichtiger Punkt von geplanten Änderungen des Außenwirtschaftsgesetzes. Kritiker bezweifeln, daß künftig weniger Rüstungsexporte in Krisengebiete gehen.
Als während des Irak-Krieges immer häufiger die deutsche Beteiligung an der irakischen Aufrüstung benannt wurde, fanden sogar C-Politiker starke Worte gegen die „kriminelle Energie“ einiger deutscher Firmen. So klagte der CDU-Abgeordnete Peter Kittelmann am 21.2.91 im Bundestag, es sei „der illegale Waffenexport, der die Bundesrepublik und ihre Wirtschaft in Verruf gebracht“ hätte. Mit drastischen Strafverschärfungen und strengen Kontrollen soll den illegalen Exporten zu Leibe gerückt werden.
Bundeswirtschaftsminister Müllemann machte sich zum Vorreiter von Änderungen des Außenwirtschaftsgesetzes, wonach die Höchststrafe für illegale Exporte auf fünfzehn Jahre hochgesetzt und die Einnahmen eingezogen werden sollen. Das Zollkriminalinstitut soll ermächtigt werden, Telefongespräche und Briefverkehr von Personen und Unternehmen auszuforschen, die der Planung illegaler Rüstungsgeschäfte verdächtig sind.
An letzterem scheiterte der Gesetzentwurf der Bundesregierung im Bundesrat an den SPD-Ländern. Sie sehen das ZKI zu einem vierten Geheimdienst werden, der wie Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst (MAD) und auch Bundesnachrichtendienst (BND) schon im Vorfeld von Straftaten in die vom Grundgesetz geschützte Privatsphäre eingreifen darf.
Karl-Heinz Matthias, Leiter des ZKI, hält gerade diese neuen Befugnisse für notwendig. Während des Golfkrieges habe das ZKI eine Vielzahl von Hinweisen auf Embargoverstöße von Geheimdienststellen bekommen. Solche Tipps seien aber oft so knapp gefaßt, daß sie für eine Durchsuchung nicht reichten. Matthias dann wörtlich: „Um das zu verifizieren, müßten wir im Vorfeld der Ermittlungen die Möglichkeit haben, mit richterlicher Genehmigung das Telefon abzuhören und den Telefax-Verkehr zu überwachen - so wie es das Gesetz vorsah.“ (zit. n. „Kölnische Rundschau“ vom 10. Juni 1991)
Burkhard Hirsch (FDP) hatte dagegen in einem Leserbrief an den „Spiegel“ vom 25.2.91 klargestellt, daß für staatsanwaltliche und kriminalpolizeiliche Vorfeldermittlungen keine Gesetzesänderungen erforderlich sind. Denn für solche Ermittlungen „.. bedarf es nach ganz unbestrittener Rechtslage weder eines Verdachtes gegen eine bestimmte Person noch eines sogenannten dringenden Tatverdachts. Auch bloße Gerüchte, von denen ein Staatsanwalt außerdienstlich Kenntnis erhält, können möglicherweise schon eine Pflicht zum Einschreiten begründen. Das gilt auch dann, wenn die Zweifel an der Richtigkeit des Verdachtes überwiegen.“
Der Clou der neuen Gesetze ist gerade, daß das ZKI selbst zum Ermittler wird, während es bisher nur Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft ist. Vorteil für die Politik ist, daß das ZKI über die Einleitung eines Strafverfahrens je nach Opportunität entscheiden kann - im Unterschied zur Staatsanwaltschaft. Politischen Einflüssen bleiben Tür und Tor geöffnet. Erst auf Druck der Opposition fügte Müllemann nachträglich eine Bestimmung ein, wonach das ZKI die Staatsanwaltschaft über die Ergebnisse der Ermittlungen „unterrichten“ soll. Unklar ist noch, welche praktischen Konsequenzen das haben wird.
Offene Grenzen für „legale“ Exporte
Ohne die ZKI-Bestimmungen könnten zumindest die Strafverschärfungen für illegale Rüstungsexporte längst in Kraft sein. Unabhängig davon halten Oppositionspolitiker und Friedensgruppen die angestrebten Gesetzesänderungen für unzureichend, weil legale Exporte uneingeschränkt bleiben. Sie beanspruchen aber mit über 90 Prozent den Löwenanteil an militärisch nutzbaren Lieferungen:
- Für sie hat das Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn (BAW) Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausgestellt oder Genehmigungen erteilt.
- Es sind sogenannte „dual use“-Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.
- Sie stammen aus Rüstungskooperationen mit anderen Ländern.
Einige Beispiele:
Für Lieferungen in den Irak erhielt die Bielefelder Gildemeister Projekta von 1983 an immer wieder Unbedenklichkeitsbescheinigungen und insgesamt 52 Ausfuhrgenehmigungen. Gildemeister war Generalunternehmer für das irakische Waffen-Entwicklungszentrum „Saad 16“. Gegenüber dem BAW stellte die Firma dar, es handele sich um ein Forschungsprojekt der Universität Mosul. Als die militärische Bedeutung des Objekts nicht mehr bestreitbar war, ermittelte die Staatsanwaltschaft. Ergebnis: 1.600 Einzellieferungen wurden untersucht, nur in einem Fall kommt es zu einer Anklage. Die Lieferung eines Spektrometers im Wert von 1,3 Mio. Mark und eines dazugehörenden Computers sei ohne Ausfuhrgenehmigung erfolgt. Zwar stellte die Staatsanwaltschaft bei einem Teil der Exporte fest, daß Ausfuhrgenehmigungen des BAW durch manipulierte Unterlagen erschlichen worden seien. Nach altem Recht ist das aber nur eine Ordnungswidrigkeit, die zudem bereits verjährt ist.
Das Strafmaß würde zwar nach geplantem neuen Recht höher ausfallen. Je nach wirtschaftlichen und politischen Interessen können militärisch verwendbare Exporte auch künftig in Krisenregionen und Spannungsgebiete geliefert werden, z.B. jetzt wieder an den Iran. Kritikern der deutschen Wirtschaft wegen Irak-Geschäften hielt BDI-Präsident Heinrich Weiss entgegen: „Die Politik hat in den achtziger Jahren die Industrie geradezu ermuntert, den Irak bei der industriellen Entwicklung zu unterstützen.“ („Spiegel“ Nr. 14/1991 )
133 Flugabwehrraketen-Systeme Roland mit 4.250 Raketen, 252 Startanlagen der Panzerabwehrwaffe HOT mit 10.935 Raketen und 372 Startanlagen der Panzerabwehrwaffe Milan mit 12.386 Raketen konnte der Irak mit Hilfe der deutschen Waffenschmiede MBB erhalten. Absender der Waffen war die in Frankreich ansässige Firma Euromissile, an der MBB zu 50 Prozent beteiligt ist. Ein MBB-Mann der ersten Stunde gab unumwunden zu: „Die deutsch-französische Gemeinschaftsfirma Euromissile, die die Hot- und Milan-Raketen verkauft, ist im Grunde nur für den Export gegründet worden.“ (Die Zeit vom 12.4.91). Den politischen Segen dafür gaben bundesdeutsche und französische Regierung schon im Dezember 1971 mit der Vereinbarung: „Keine der beiden Regierungen wird die andere Regierung daran hindern, Kriegswaffen oder sonstiges Rüstungsmaterial, das aus einer gemeinsam durchgeführten Entwicklung oder Fertigung hervorgegangen ist, in Drittländer auszuführen oder ausführen zu lassen.“
Solche Lieferungen aus Rüstungskooperationen wird es geben, solange innerhalb von NATO oder EG keine einheitliche Exportpolitik betrieben wird. Die Bundesregierung gibt zwar vor, internationale Rüstungsexportbeschränkungen zu wollen. Aber zusammen mit der Industrie wehrt sie sich gegen bundesdeutsche Alleingänge. Firmen aus der Bundesrepublik sollen nicht „benachteiligt“ werden.
Daimler-Benz konnte LKW's und im Juli 1990 sogar 26 Tieflader an den Irak liefern. Eine Ausfuhrgenehmigung war nicht erforderlich, obwohl die Fahrzeuge als mobile Abschußrampen für Scud-Raketen nutzbar sind. Nach Ansicht des BAW sind sie für militärische Zwecke nicht besonders konstruiert. Nur dann wäre die Ausfuhr genehmigungspflichtig. Wenn „dual use“ - Güter nicht speziell für militärische Zwecke hergerichtet worden sind, verhindert niemand die Auslieferung. Vor wenigen Wochen erst entschied das BAW in einem vergleichbaren Fall, daß die Lieferung von 17 Daimler-Sattelzugmaschinen für Saudi-Arabien nicht genehmigungspflichtig sei. Obwohl die Bestellung vom Oberkommando der saudischen Armee aufgegeben worden war.
Am Parlament vorbei
Die Bundesregierung setzt sich zwar ergänzend zu den neuen Außenwirtschaftsgesetzen für ein Waffenexportregister z.B. bei den Vereinten Nationen ein. Doch gegenüber der eigenen Öffentlichkeit und sogar gegenüber dem Parlament soll auch künftig keine Transparenz herrschen. Hier folgt die Bundesregierung seit eh und je dem Grundsatz, Angaben zu Rüstungsexporten Verträgen aus politischen Gründen nur ein begrenztes Maß an Publizität.
Makabres Beispiel für die damit verbundene Irreführung des Parlaments ist die irakische Chemiewaffenfabrik Samarra. Im Januar 1984 kamen erste Geheimdiensthinweise, daß der Irak mit deutscher Beteiligung eine Chemiewaffenfabrik baut. Auf eine Anfrage im Bundestag behauptete ein Regierungsvertreter im April 1984: „Die von der Firma Kolb /Pilot Plant gelieferte Anlage zur Herstellung von Vorprodukten für Pestizide kann zur Herstellung von Nervengas nicht verwendet werden.“ Heute ist bekannt, daß die Samarra-Anlagen ausschließlich für die Produktion von chemischen Waffen geeignet sind. Anfang diesen Jahres erhob die Darmstädter Staatsanwaltschaft wegen der Lieferung von Waffen- und Chemieanlagen Anklage gegen zwölf Mitarbeiter verschiedener bundesdeutscher Firmen. Ende offen.
Von parlamentarischer und außerparlamentarischer Kritik unbeeindruckt will die Bundesregierung nach der Sommerpause ihre Änderungen des Außenwirtschaftsgesetzes vom Parlament beschließen lassen. Durch gesetzestechnische Tricks hat Müllemann erreicht, daß die Zustimmung des Bundesrates nicht mehr erforderlich ist. Was jetzt kommt, ist Schweizer Köse. Vor lauter Löchern ist jedoch kaum echte Rüstungsexportkontrolle möglich!