Friedensbewegung und Gewerkschaften - Teamwork gegen Kriegseinsätze

Gewerkschafter gegen Krieg

von Anne Rieger
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Am Samstag, den 2. Februar 2002 wird in München das Gewerkschaftshaus mit Polizeiketten vollkommen abgeriegelt. "Die letzten, die sich so etwas ähnliches getraut haben, waren im Mai 1933 die SA und SS, als die Gewerkschaften endgültig zerschlagen wurden", protestierten Sprecher der GEW-Jugend (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) Bayern und München gegen diesen skandalösen Angriff auf das Gewerkschaftshaus. Georg Wiesmaier, Landesvorsitzender der GEW-Bayern forderte: "Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden."

Die Verantwortlichen, Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Ude (SPD), hatten zuvor 250 Militärexperten, darunter 38 Außen- und Kriegsminister der Nato- und EU-Staaten, im Bayerischen Hof zur NATO-"Sicherheits"konferenz empfangen und gleichzeitig ein totales Demonstrationsverbot über die Bayernmetropole verhängt. Trotz alledem waren 10.000 Menschen auf Münchens Straßen unterwegs, um ihren Widerstand gegen Anwesenheit und aggressive Interventionspolitik der Kriegsstrategen kundzutun, unzählige GewerkschafterInnen darunter. Abends fand im Gewerkschaftshaus eine internationale Veranstaltung "Gegen das Treffen der Weltkriegselite" statt. Mit der Begründung, es gebe "gesicherte Erkenntnisse", dass diese Leute Straftaten planten, sollten die GewerkschafterInnen einzeln ihr Gewerkschaftshaus verlassen und sich der Polizei ergeben. Die Eingekesselten beschlossen, das Gewerkschaftshaus zu verteidigen, und gegen 22.00 Uhr zogen die Polizeieinheiten unverrichteter Dinge wieder ab. Die gewerkschaftlich organisierten Friedensaktivisten verließen friedlich und ohne Behinderung das Haus. Ein achtbarer Erfolg in diesem aufgeheizten Klima.

Mit dem Motto "Eine andere Welt ist möglich" orientierten sich die VeranstalterInnen im Münchner Gewerkschaftshaus am Grundsatzprogramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes von 1996: "Die Gewerkschaftsbewegung setzt sich dafür ein, dass die Menschenrechte universelle Geltung gewinnen. Soziale, ökonomische und ökologische Konflikte müssen auf zivilem Wege ohne militärische Gewalt gelöst werden."

Bereits im Oktober 2001 hatte die ver.di-Jugend gegen den Afghanistan-Krieg mobilisiert und zur Antikriegsdemonstration aufgerufen: "Kein Krieg! Aufstehen für den Frieden! Für Solidarität und soziale Gerechtigkeit!" Diesem Motto war Kai Lamperter von der ver.di-Jugend Stuttgart mit dem Plakat "NATO = North Atlantic Terroritic Organization" gefolgt. "Mir ist lange Zeit nichts richtiges eingefallen. ... Deshalb habe ich etwas geschrieben, was zum Ausdruck bringt, dass ich das Vorgehen der USA und der NATO für genauso aggressiv halte, wie das Vorgehen der Terroristen - beides hat mit roher Gewalt zu tun", erklärt der 25jährige JAV-Vorsitzende des Stuttgarter Katharinenhospitals. 20.000 waren mit ihm in Stuttgart auf der Friedensdemo am 13. Oktober.

Sybille Stamm, Verdi Landesbezirksleiterin, erklärte, dass die Verdi-Jugend Baden-Württemberg "Krieg nicht als Mittel, sondern als völliges Versagen der Politik" sehe. "Sie wehre sich auch gegen den Versuch der Bundeswehr, Krankenpflegepersonal, Ärzte und medizinisch-technische Assistentinnen als Lückenbüßer für den Auslandseinsatz von Bundeswehrsanitätskräften einzubeziehen" (28.11.2001).

Damit bleibt die Gewerkschaftsjugend in der Tradition der gewerkschaftlichen Antikriegsbewegung. "Jugend will friedliche Arbeit und keine Uniform", mit diesem Transparent demonstrierten junge Gewerkschafter am 1. Mai 1954 in Bremen gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands. Gemeinsam mit anderen FriedenskämpferInnen konnten die GewerkschafterInnen der Adenauer-Regierung durchaus respektable Abwehrerfolge abringen: Die Atombewaffnung der Bundeswehr wurde verhindert, nur die Hälfte der jungen Menschen wurden eingezogen, die andere Hälfte, die Frauen, blieb noch 45 Jahre davon verschont, die Wehrdienstverweigerung wurde gesetzlich ermöglicht, und der Einsatz der Bundeswehr auf reine Verteidigungsaufgaben innerhalb des Bündnisgebietes der NATO-Staaten wurde gesetzlich festgeschrieben. Auch dieser Tatbestand konnte 40 Jahre eingehalten werden.

Die Zerstörung des World Trade Centers in New York und des Pentagons in Washington am 11. September vergangenen Jahres war ein großer Sprengsatz, der eine breite Bresche - und nicht mehr nur einen kleinen Spalt - in die mühsam gehaltene Widerstandsmauer gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes riss.

GewerkschafterInnen halfen beim Kitten der Mauer. Beschlüsse und Mobilisierung zu Demonstrationen gab es in verschiedenen Gliederungen. Der Hauptvorstand der GEW forderte am 9.11. "die Abgeordneten des Bundestages auf, gegen den Antrag der Bundesregierung auf den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zu stimmen". Gleichzeitig wurde die Bundesregierung aufgefordert, "sich für eine sofortige Einstellung der Bombardierung und der kriegerischen Aktionen einzusetzen sowie eine Ausweitung von Militärschlägen auf andere Länder zu verhindern, weil sie politische Lösungen behindern und zunehmend mehr Opfer in der Zivilbevölkerung fordern."

Nach dem mit der Vertrauensfrage erzwungenen Beschluss des Bundestages am 16. 11., die Bundeswehr im Rahmen der "Allianz gegen den Terrorismus" an Kriegseinsätzen in Afghanistan, Afrika und Asien zu beteiligen, sagten die DGB-Frauen auf ihrer 12. Bundesfrauenkonferenz am 24.11. "Nein zum militärischen Einsatz der Bundeswehr und der weiteren Aufrüstung im Namen der Antiterrorbekämpfung. (...) Krieg als Antwort auf Terrorakte ist keine Lösung. Den Militäreinsatz deutscher Soldaten lehnen wir ab. (...) Wir fordern die Bundesregierung auf, alles daran zu setzen, dass der Krieg in Afghanistan umgehend beendet wird."

Bereits vor dem Bundestags-Beschluss hatte es Proteste gegeben. Der Ver.di Landesbezirk Hessen nahm am 26.9. "mit besonderer Besorgnis (...) die Vorbereitungen zu militärischen Gegenschlägen in den letzten Tagen wahr. Militärische Gegenschläge gegen Staaten, Nationen oder gar Glaubensgemeinschaften, werden von den Gewerkschaftern konsequent abgelehnt." Der Ver.di Bezirksvorstand Stuttgart "lehnte jede Beteiligung Deutschlands an kriegerischen Handlungen gegen andere Staaten ab".

Die DGB-Region Stuttgart sagte am 15.11. "Nein zum Bundeswehr-Einsatz im Afghanistan-Krieg. (...) Wir wollen, dass die Berliner Politik Vorreiter bei zivilen Konfliktlösungen und beim Kampf gegen soziale Ungerechtigkeiten wird. Dem dienen die militärischen Einsätze nicht. Durch die Entsendung auch von Seestreitkräften wird die Bundeswehr nun direkt in die militärische Sicherung der Öltransporte eingebunden. Das entspricht nicht dem Nato-Vertrag."

Der IGM Vorstand hatte am 31.10. "die Bundesregierung aufgefordert, sich gemeinsam mit der Europäischen Union für eine sofortige Einstellung der Bombardierung Afghanistans einzusetzen, um politischen Lösungen für eine staatliche Neuordnung in Afghanistan eine Chance zu geben". Als Bundeskanzler Schröder getroffen reagierte, sich barsch jegliche politische Aussagen der Gewerkschaften zur Außenpolitik verbat, und den Gewerkschaftern vorwarf, sie verstünden angeblich von Außenpolitik nichts, gab es heftige Reaktionen.

Die Delegierten der DGB Regionalkonferenz Frankfurt-Rhein-Main bezeichneten "die Äußerungen von Bundeskanzler Schröder zu dem Beschluss des Vorstandes der IG Metall, die Bombardierung von Afghanistan einzustellen, als Entgleisung und politische Anmache. (...) Die Delegierten schließen sich der Forderung der IG Metall nach einem sofortigen Bombenstopp an".

Auf der ersten gemeinsamen Sitzung aller fünf Ortsvorstände der IG Metall, Region Stuttgart, am 9. 11. wurde mit überwältigender Mehrheit eine Resolution angenommen, in der es hieß: "Wir lehnen den Einsatz deutscher Soldaten ab. (...) Wenn unsere zukünftige stärkere Rolle in der Welt mit Waffeneinsatz erkauft werden soll, können wir IG Metaller in der Region Stuttgart auf solchen Einfluss verzichten. Im übrigen lassen wir uns von keinem Bundeskanzler das Wort verbieten, weder zu innen- noch zu außenpolitischen Themen."

Die Friedensinitiative von Arbeitern und Angestellten mit den Schwerpunkt VW in Wolfsburg stellte fest "mit dem Geld, welches jetzt kurzfristig für Krieg und Rüstung mobilisiert wurde, könnten wesentliche Menschheitsprobleme wie Hunger, Armut, Analphabetentum und Verschuldung beseitigt werden".

Auf den Zusammenhang zwischen Außen- und Innenpolitik wies am 6.11. die Konferenz zur Gesundheitsreform der IG Metall Waiblingen hin: "Wir stimmen mit Bundeskanzler Schröder überein, dass es unsere vorrangige Aufgabe ist, uns um die ´Lebensbedingungen unserer Mitglieder zu kümmern` ... . Deswegen lehnen wir eine Politik ab, die am 17.9. vier Mrd. DM Steuergelder für eine Entlastung der Krankenkassen verweigert, die die stellvertretende Vorsitzende des DGB gefordert hat, zwei Tage später aber ein Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr und ein Antiterrorprogramm für 3 Mrd. DM beschließt, in dem unter anderem Kosten für die Anschaffung eines Transportschiffes und ´Fähigkeitslücken` beim Kampfflugzeug Tornado finanziert werden sollen".

Die ablehnende Beschlusslage zum Krieg führte nicht automatisch zur aktiven Mobilisierung und massenhaften Beteiligung an den Antikriegskundgebungen. Zwar beteiligten sich am 13.10. in Berlin und Stuttgart viele GewerkschafterInnen an den Antikriegskundgebungen, rief auch der DGB Landesbezirk Baden-Württemberg nach Stuttgart auf, überbrachte der Bezirksfrauenausschuss der IG Metall Baden-Württemberg eine Grußadresse, sprach die Landesbezirksvorsitzende für den DGB in Stuttgart und in Berlin Horst Schmitthenner vom IG Metall Vorstand. Aber nachdem Deutschland mit dem Bundestagsbeschluss vom 16.11. selber in den Krieg eingetreten war, trat merkliche Ruhe in der Mobilisierung der Gewerkschaften ein. Keineswegs aber herrschte Stille im Land. GewerkschafterInnen geben nicht auf.

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Anne Rieger ist Landessprecherin des VVN - Bund der Antifaschisten Baden-Württemberg und 2. Bevollmächtigte der IG Metall Waiblingen.