Verwaltungsgericht Köln

Grünes Licht für Drohnenkrieg via Ramstein

von Martin Singe

Am 27. Mai 2015 wurde erstmals in Deutschland eine Klage gegen die Bundesregierung wegen ihrer Beteiligung am US-Drohnenkrieg verhandelt. Die jemenitischen Kläger hatten bei einem Drohnenangriff am 19.8.2012 zwei Verwandte verloren, die bei dem Drohnenangriff zerfetzt wurden. Es ist bekannt, dass die USA die Basis in Ramstein und die dortige Relaisstation für die Datenübermittlung im Drohnenkrieg nutzt. Damit trägt die Bundesregierung Mitverantwortung für den US-Drohnenkrieg.

Immerhin erkannte das Gericht den Klägern eine prinzipielle Schutzpflicht zu, sofern die Bedrohung von ausländischen StaatsbürgerInnen im Ausland von Deutschland ausgehe. Allerdings hätte die Regierung einen weiten Einschätzungs- und Handlungsspielraum für die Wahrnehmung dieser Schutzpflicht. Die konkrete Wahrnehmung sei gerichtlich auch aufgrund der „eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten“ des Gerichts nicht bewertbar bzw. durch ein Urteil vorschreibbar.

Die Klägerseite hatte deutlich gemacht, dass die Bundesregierung sehr verschiedene abgestufte Möglichkeiten hätte, um den Drohnenkrieg via Ramstein zu stoppen: von einer einvernehmlichen politischen Vereinbarung bis hin zur Revision bzw. Kündigung des Truppenstatuts sei vieles umsetzbar. Das Gericht jedoch verkroch sich hinter seiner Behauptung, nur eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten zu besitzen – ohne auch nur versucht zu haben, diese auszuschöpfen. Es könne der Regierung keine konkreten Handlungsvorschriften machen. Das Gericht vertraut dabei justitiablind den Aussagen der Regierung, die behauptet, die USA hätten ihr versichert, dass Drohnen nicht von Ramstein aus eingesetzt würden. Das hatte auch niemand behauptet, es geht um die technische Beteiligung durch Datenübermittlung, die für die Drohnenanschläge unerlässlich ist.

Dass das Gericht behauptet, auch aus Gründen der Gewaltenteilung dürfe es den Handlungsspielraum der Bundesregierung nur eingeschränkt überprüfen, führt das Prinzip der Gewaltenteilung ad absurdum. Wer denn soll exekutives Handeln überprüfen, wenn nicht die Judikative? Dabei greift das Gericht sehr wohl wertend und die Position der Exekutive demütig übernehmend in die politische Wertung ein, wenn es sich der Forderung nach Vertragskündigung mit den – nicht gerade rechtlichen - Argumenten versagt, dass durch eine Kündigung „zahlreiche vitale und berechtigte außen- und verteidigungspolitische Interessen der Beklagten beeinträchtigt würden“ (Gerichtsmitteilung zu 3 K 5625/14). Zudem ist es ein Armutszeugnis für das Verteidigungsministerium eines souveränen Staates, wenn dieses für die Beklagtenseite behautet, der Kläger verkenne das Kräfteverhältnis zwischen den USA und Deutschland.

Arme bundesdeutsche Gerichtsbarkeit! Nahezu in allen Urteilen der jüngsten Zeit zu völkerrechtsverletzenden Kriegshandlungen haben die Gerichte - bis hin zum Verfassungsgericht - der Bundesregierung „weite Ermessensspielräume“ zugestanden. Dass diese Spielräume für Hunderte von Menschen tödlich sind, kümmert die Gerichte nicht. Vor einigen Tagen wurde die Kundus-Klage (etwa 142 Tote durch den von Oberst Klein befohlenen Bombenangriff) endgültig vom OVG abgeschmettert. „Recht ist, was den Waffen nützt.“ (H. Kramer/W. Wette) – Und trotzdem muss weiter versucht werden, auch mit den Mitteln des Rechts, für die Friedensverpflichtungen des Grundgesetzes und des Völkerrechts zu kämpfen. Deshalb ist den Klägern und Anwälten des Verfahrens zu danken und zu wünschen, dass ihnen im weiteren Instanzenweg Erfolg beschieden sei oder zumindest doch eine immer deutlichere Vorführung des rechtswidrigen Handelns der Bundesregierung gelinge. Für politische Aktionen ist die Koordinierung der Drohnenkampagne (drohnenkampagne.de) hilfreich.

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund
Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".