Heckler & Koch

Illegale G36-Gewehrexporte

von Jürgen Grässlin

Keine andere Waffenschmiede hat in den vergangenen Jahren mit Negativschlagzeilen derart auf sich aufmerksam gemacht wie Heckler & Koch (H&K). Der desaströse Ruf des Unternehmens kommt nicht von ungefähr: Das mittelständische Unternehmen in der Waffenstadt in Oberndorf am Neckar ist – gemessen an der Opferzahl – Europas tödlichstes Unternehmen.

Im Februar 2012 stufte Moody’s H&K von Caa1 auf Caa2 weiter herab, u.a. wegen der Bewertung einer Anleihe von über 285 Millionen Euro. Der Ausblick aller Ratings bleibe negativ, verkündete die Ratingagentur.(1) Der Verdacht liegt auf der Hand, dass ein finanziell derart angeschlagenes Unternehmen alle Wege nutzt, die Geld in die Kasse spülen.

Im August 2008 tauchten illegal gelieferte G36-Gewehre im Georgien-Russland-Krieg auf. Georgische Sicherheitskräfte hielten Sturmgewehre des Typs G36 aus der Oberndorfer Produktion von H&K in Händen. Hätten sich die Bundesregierung und mit ihr die ermittelnde Staatsanwaltschaft Stuttgart ernsthaft um die Herausgabe der Gewehrnummern bemüht, wäre längst bekannt, welcher Erstempfänger die G36 widerrechtlich an die Regierung in Tiflis re-exportiert hat. Genau diese Recherchen aber werden seit zweieinhalb Jahren allenfalls pro forma betrieben.

Im April 2010 erstattete ich über meinen Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer Strafanzeige gegen führende Manager und Mitarbeiter des Unternehmens. H&K steht im Verdacht des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG), sowie weiterer in Betracht kommender Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften.

In mehreren Tranchen hatte H&K G36-Sturmgewehre an die staatliche Direktion zum Vertrieb von Waffen und Munition (D.C.A.M.) in Mexiko geliefert – ein Land, in dem sowohl durch Drogenkartelle als auch durch die Polizei schwerste Menschenrechtsverletzungen verübt werden. Dennoch hatte die Bundesregierung im Jahr 2006 und 2007 Einzelgenehmigungen zum Export von Gewehren an die Länderpolizei Mexikos erteilt. Der Wert der insgesamt 8710 genehmigten Gewehre betrug in den Jahren von 2005 bis 2007 beachtliche 7.783.352 Euro.(2) Einzig die vier Unruheprovinzen Chiapas, Chihuahua, Guerrero und Jalisco waren von der Exportbewilligung ausgenommen. Doch auch dorthin gelangten die hochpräzisen Tötungsinstrumente. In einer zweiten Bestellrunde hatte H&K sogar Ersatzteillieferungen beantragt, erneut auch für die vier verbotenen Einsatzgebiete.

Mit dem Vorwurf illegalen Handelns konfrontiert, flüchtete sich Peter Beyerle, zu diesem Zeitpunkt Leiter der Bereiche Recht, Behördenkontakte und Exportkontrolle bei Heckler & Koch, in die Behauptung, es habe sich bei den Ersatzteilanträgen um ein Versehen gehandelt. Die der Staatsanwaltschaft Stuttgart vorliegende Analyse unseres Informanten liest sich dagegen eindeutig: Der Bundesregierung sei „eine Falschaussage mitgeteilt“ worden. Dabei sei es darum gegangen, „die anstehenden Exporte nicht zu gefährden“ und auch „die verbotenen Lieferungen zu verschleiern“. Das Problem für H&K: Der Informant war damals an entscheidender Stelle für die Firma tätig, er weiß nur allzu gut, wovon er spricht.

Die Strafanzeige zeigte Wirkung: Im Dezember 2010 kündigte der H&K-Rüstungsexportbeauftragte Peter Beyerle seinen kurz darauf erfolgenden Rücktritt an. Im gleichen Monat vollzogen rund 20 Beamte der Stuttgarter Staatsanwaltschaft und des Kölner Zollkriminalamts im Heckler & Koch-Stammwerk eine Hausdurchsuchung. Im November 2011 erfolgte eine zweite Razzia. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart durchsuchte das Landeskriminalamt mit 300 Mann die Geschäftsräume des Waffenfabrikanten sowie mehrere Privatwohnungen.(3)

Diesmal lautete der Vorwurf auf „Bestechung inländischer und ausländischer Amtsträger“. Tatsächlich hatte unser Informant bereits anderthalb Jahre zuvor detailliert den Vorwurf begründet, ein mexikanischer General sei bestochen worden, um die G36-Gewehre in verbotene Provinzen zu liefern. Mittlerweile steht auch die FDP in Verdacht, die das für die Rüstungsexportkontrolle zuständige Bundeswirtschaftsministerium führt. Bei der Regierungspartei durfte man sich von 2009 bis 2011 über Parteispenden in Höhe von 20.000 Euro von Heckler & Koch freuen. Das Geld wurde überwiesen an den FDP-Kreisverband Tuttlingen bei Rottweil, den des Wahlkreisabgeordneten und Wirtschaftsstaatssekretärs Ernst Burgbacher.(4) Der Bundestagswahlkreis umfasst auch die Waffenstadt Oberndorf.

Zu allem Ungemach tauchten illegal gelieferte G36 auch im Libyen-Krieg auf – in Händen regimegetreuer wie regimekritischer Kräfte. H&K flüchtete sich in die fragliche Behauptung, die in Libyen aufgetauchten Waffen „konnten aufgrund der internen Überprüfung einer legalen und genehmigten Lieferung nach Ägypten aus dem Jahr 2003 zugeordnet werden“.(5) Abgesehen davon, dass einige Fakten Zweifel an der Darstellung des Ägypten-Libyen-Wegs wecken, lässt der Vorgang tief blicken: Nicht das Regime des Diktators Muammar al-Gaddafi in Libyen sollte die Sturmgewehre erhalten haben, sondern das des Diktators Hosni Mubarak in Ägypten. Moral und Ethik nein danke.

Mit der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ stellten wir wegen des illegalen Einsatzes von G36 in Libyen erneut Strafanzeige gegen H&K. Zurzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen des Verdachts illegaler G36-Gewehrexporte an Georgien, in verbotene Provinzen Mexikos und an Libyen. Der Ausgang der Verfahren ist trotz – gerade im Fall Mexiko – erdrückender Beweislage offen.

An einer umfassenden Aufklärung der Fälle Georgien und Libyen haben die Bundesregierung und mit ihr die Staatsanwaltschaft Stuttgart augenscheinlich wenig Interesse. Der Grund liegt auf der Hand: Mit dem Beleg widerrechtlicher Gewehrexporte an Georgien (wohl über die USA) und an Libyen (womöglich über Frankreich) träten die Politischen Grundsätze in Kraft: Dort steht geschrieben, dass ein Empfängerland bis zur Klärung und Beseitigung dieser Umstände „grundsätzlich von einer Belieferung mit weiteren Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern ausgeschlossen“ wird.(6)

Die internationalen Verwicklungen in Folge eines Waffenexportstopps an die beiden NATO-Partner USA und Frankreich scheut die Bundesregierung wie der Teufel das Weihwasser. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen werden augenscheinlich so lange aufgeschoben, bis sich die Wogen der Aufregung geglättet haben. Sollen sie dann eingestellt werden?

Anmerkungen
1) peopleanddeals.de vom 08.02.2012

2) Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter in den Jahren 2005 (S. 41), 2006 (S. 42) und 2007 (S. 49)

3) „Durchsuchungen bei einem Waffenhersteller wegen Verdachts der Bestechung inländischer und ausländischer Amtsträger“; gemeinsame Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart und Landeskriminalamt Baden-Württemberg vom 10.11.2011

4) „Spendentätigkeit der Heckler & Koch GmbH“ vom 02.12.2011; siehe www.heckler-koch.com/de/unternehmen/news

5) Stellungnahme von H&K „Waffenfunde in Libyen. Heckler & Koch will vorbehaltslose Aufklärung“ vom 23.10.2011

6) „Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ vom 19. Januar 2000, IV. Sicherung des Endverbleibs, Punkt 4

Nähe Informationen siehe www.aufschrei-waffenhandel.de, www.rib-ev.de und www.dfg-vk.de.

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Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.).