Jubiläum in der Friedensbibliothek

von Lothar Eberhardt
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Unscheinbar, von einem Ortsfremdem ohne die Hinweisschilder kaum zu finden, logiert die Friedensbibliothek - Antikriegsmuseum im Seitenschiff der Bartholomäuskirche in der Friedenstraße 1. Der Straßenname ist Omen, weist er doch auf das inhaltliche Konzept des `Museum der besonderen Art`, direkt am Friedrichshain auf der Grenze zu Prenzlauer Berg liegend, hin.

Beim Eintritt empfangen den Besucher Teile einer Ausstellung, die ihn durch die offenstehende Tür den Weg in den nächsten Raum weisen. Am Eingang steht ein Tischchen mit Material zu den verschiedenen Ausstellungen mit Spendenkästchen. Der Raum wirkt düster, die Glasschränken voller Bücher auf beide Seiten reichen bis unter die Decke. Der Blick wird durch das Tageslicht in die anderen Räume geführt. Dort herrschte geschäftiges Treiben. Ein großer Tisch ist vollgestapelt mit Kopien, die zu Textmappen für die nächsten Ausstellungen zusammengelegt werden. Fotos in Postkartengröße mit der Adresse werden gestempelt. Im angrenzenden Raum werden Bücher registriert und eingebunden, am anderen Ende des Tisches über die neue geplante Ausstellung "Gegen den Strom"- es wird die 20-igste sein - gesprochen. Im hintersten Raum stehen große Trockenpressen, vor denen sich Unmengen von Fotos auftürmen. Girlanden von japanischen Friedenssymbolen hängen von den Wänden herab, auf den Schränken stehen kunstvolle Holzfiguren und auf den Fensterbänken steht das benötigte Büromaterial.

Ein Arbeitszentrum
Diese Räumlichkeiten mit ihrem geschäftigen Durcheinander beherbergen ein `Museum der Superlative der ganz anderen Art`.

Fastr 20 Ausstellungen wurden hier konzipiert, fertiggestellt und von hier schon 900 mal ausgeliehen. Alles in Eigenarbeit. Im Labor werden die Fotos ab- und auf Kartons die Bilder aufgezogen, in schöner Handschrift die gefertigten Texte angebracht. Weit über 2,5 Millionen Menschen haben in den letzen 14 Jahren die Ausstellungen besucht. Sie waren von A wie Amsterdam bis Z wie Zwickau in annähernd 300 Orten und über 12 Ländern zu sehen.

Einige sind ins Englische und Französische, zwei ins Russische und jeweils eine ins Spanische und Polnische übersetzt worden.

Über 10.000 Bände wurden bis heute zusammengetragen und kommen ständig zur Ausleihe. Es entstand eine Arbeitsbibliothek aus allen Wissensgebieten über Politik, Geschichte, Kunst und Literatur bis zu Belleristik. Bestände entstanden, die in keinem anderen Archiv zu finden sind. Eine wichtige Quelle für Spurensucher, die von Institutionen Wissenschaftlern, Kunst- und Kulturschaffenden genutzt wird. Über 300 Film- und Vortragsveranstaltungen wurden organisiert, Puppen- und Theaterspiele erarbeitet, Zeitzeugen befragt und zahllose, darunter viele internationale, Besucher empfangen.

Alles ohne öffentliche Förderung
Die Bilanz kann sich sehen lassen! Dies alles wurde fast ohne öffentliche Förderung geschaffen. Das Engagement und Ideenreichtum der Mitarbeiter machte es möglich. Die Sachzwänge erforderten kostengünstigen, einfachen Materialeinsatz und viel uneigennützige Arbeit als Vorleistung. Die Spenden - vorallem durch die Ausstellung Eintritt wird nie erhoben - halten die Arbeit aufrecht.

Persönlicher Zugang
Die erste Ausstellung, 1982 im Rahmen der Ostberliner Friedenswerkstatt mit Bildern vom alten Antikriegsmuseum das von 1923-1933 in der Parochialstr. 29 gezeigt wurde, brachte die Idee in die öffentliche Diskussion, so eine Einrichtung, einen lebendigen Ort des Austausches und der Begegnung, zu schaffen. Ein Novum in der DDR, ausserhalb der staatlichen Domäne für Volksbildung und unabhängig von staatlicher Bevormundung, den Versuch zu wagen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten klappte es.

Am 9. April 1985, anläßlich des 40 Todestages von Dietrich Bonhoeffer wurde Wilfrid Mächler, Weggefährte Bonhoeffers, die Friedensbibliothek und Buchausleihe für die Öffentlichkeit eingeweiht. Schon bis Juni 1985 fanden dann über 100 Ausstellungen in Kirchen, teilweise in Schulen und Kinofoyers und Bibliotheken statt.

Sie wurde dort Überall gezeigt wo die Leute den Mut dazu hatten. Nicht wie das traditionelle Museum in den eigenen Räumen zu bleiben, sondern dahin zu gehen, wo die sind, die zu so einer Einrichtung nicht kommen, ist das Postulat der Arbeit.

Mit Rucksack und großen Mappen auf ein Rollwägelchen gebunden und einem Bündel dünner Holzleisten, löst der Ausstellungsüberbringer oft Überraschungen aus. Das sollen die angekündigten 34 laufende Meter Ausstellungsfläche sein?

Nach ca. einer Stunde sind die Bedenken ausgeräumt.

Behend werden die Utensilien ausgebreitet, Leisten zum Gestell verschraubt, die mit Bildern und Texten beklebten Kartons aus den Mappen genommen, in Reihenfolge gebracht und über die Druckknöpfe am Rand miteinander verknüpft, Federhacken eingeführt und die fertigen Bildflächen in den vorbereiteten Leistenrahmen gehängt. Das wohlerprobte System der Ausstellung wird so den Räumlichkeiten immer direkt angepaßt.

Ausstellungskonzeption
Die Ausstellungsprojekte sind nicht aufgesetzt, entwickeln sich fortwährend mit den Erfahrungen weiter, wachsen über Jahre mit der größer werdenden Fülle an Material zu neuen Themen.

Nach der Maueröffnung wuchs der Fundus des Museums kontinuierlich an. Neue Ausstellungen wurden konzipiert und alte erweitert.

Die `Barfuß-` und `Graswurzel-Historiker` schwimmen mit ihrem Konzept gegen den "Mainstream" des Ausstellungsmachens. Ihr unentwegte Spurensuche und damit wachsendes Archiv ist ein unerschöpflicher Quell dafür. Sie bleiben schon über Jahre ihrem inhaltlichen Konzeption treu.

Ihre Auffassung: "Die Bilder müssen ansprechend sein, die Texte sprachlich dicht, eindringlich und spürbar, keine Erklärungen benötigen, für sich sprechen. Menschen bekommen so wieder ein Gesicht, ihr Tun wird zum Leben erweckt".

Für Interessierte ist ab 16. Juli, den ganzen Sommer über gleich neben dem Deutschen Dom und der faktenbezogenen Dauerausstellung zur Deutschen Geschichte, die 900ste Ausstellung des Antikriegsmuseum mit dem Titel "Ende und Anfang - Verweigerung und Widerstand" in der Französischen Friedrichstadtkirche (Französischer Dom) zu sehen. Die Ausstellung umfaßt die letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges und den Neubeginn .

Öffnungszeiten sind Di-Sa 12-17 Uhr und So von 13-17 Uhr (montags geschlossen)

Die Friedensbibliothek-Antikriegsmuseum finden sie in der Friedensstraße 1 in 10249 Berlin (in der Bartholomäuskirche, Eingang Georgenstraße) und ist von Montag bis Freitag von 17-19 Uhr und Sonnabends von 13-17 Uhr geöffnet. Interessantes zeitgeschichtlich Material, Erinnerungen durch Fotos, Briefe, Tagebüch etc. die `Geschichte von Unten` festhalten, werden gerne eingesehen und gegebenen falls mit ins Archiv aufgenommen.

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